Tragikomödie 

„Die Kunst der Nächstenliebe“ im Kino

Dankbarkeit oder Liebe? Eine Frau mit Wohltätigkeitsfimmel muss sich fragen was ihr wichtiger ist, Berufung oder Familie.

Pascal Chantier/Epithète Films

Das Multitalent Agnès Jaoui wurde bei uns in den 90ern als Drehbuch­autorin bekannt, die zusammen mit Jean-Pierre Bacri Skripts an der Schnittstelle ­zwischen Theater und Film schuf. Mittler­weile hat sie selbst fünf Filme inszeniert und ist weiterhin als Schauspielerin tätig, einem Metier, in dem sie sich eine eigene Nische geschaffen hat: Frauen mit defizitärem Selbstwertgefühl, irgendwo zwischen Nervenbündel und Nervensäge. In ihrer letzten Regie­arbeit „Champagner & Macarons“ (2018) verkörperte sie eine Frau mit Wohltätigkeitsfimmel, daran knüpft nun auch ihre Rolle in dieser Tragikomödie an.

Isabelle (Jaoui) zerreißt sich als freiwillige Helferin für Wohltätigkeitsorganisationen, unter anderem gibt sie Französischkurse in einem Sozialcenter. Für ihren Mann und die zwei halbwüchsigen Kinder hat sie keine Zeit. Bald schon sitzt sie mit dem Gatten bei der Paartherapeutin, die die entscheidende Frage stellt: „Was ist ihnen wichtiger, Dankbarkeit oder Liebe?“ Isabelle hat darauf keine Antwort, aber man versteht es auch so: Die vermeint­liche Selbstlosigkeit beinhaltet auch das ­egoistische Gefühl, dass sich die Welt ohne ­einen nicht mehr weiterdrehen würde. ­Auflösen kann der Film das am Ende nur, indem er das Konzept Familie auf Wahlverwandtschaften erweitert.

Regisseur Gilles Legrand inszeniert das mit leichter Hand, nicht immer ganz treffsicherem Witz (Isabelles Schüler sind fleischgewordenes Klischee – die passende Diskussion über den Unterschied zwischen Klischee und Rassismus wird allerdings gleich mitgeliefert) und einer Hauptdarstellerin, die den Film praktisch ganz alleine trägt.

Die Kunst der Nächstenliebe F 2020, 103 Min, R: Gilles Legrand, D: Agnès Jaoui, Alban Ivanov, Claire Sermonne, Start: 30.1.

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