Brisante Vorstadt: Regisseur Ladj Ly ist selbst in der Banlieue Montfermeil aufgewachsen. Sein Film zeigt packend und eindringlich, dass sich seit Victor Hugo nicht allzu viel geändert hat
Zuerst: Paris im Freudentaumel, junge Menschen in die Trikolore gehüllt – gerade hat Frankreich die Fußball-EM gewonnen! In diesen Momenten sind sie alle Franzosen, egal welcher Hautfarbe, Religion und Herkunft. Am nächsten Tag herrscht in der Vorstadt wieder der übliche, von Armut und Gewalt geprägte Alltag.
Stéphane ist nicht neu bei der Polizei, aber doch hier in Paris. Mit dem großmäuligen Chris und dem entspannten Gwada bildet er ein Spezialteam, das Tag für Tag in Montfermeil, einem der „Problemviertel“ am Stadtrand, staatliche Präsenz zeigen soll. Mit Stéphane lernen wir nun das fragile Gleichgewicht kennen, das zwischen Polizei, einem selbsternannten schwarzen Bürgermeister, dem Anführer der Muslimbruderschaft und den anderen Einwohnern Montfermeils herrscht. Nachdem einem Zirkus-Clan ein Löwenbaby geklaut wird und die Bestohlenen ein Ultimatum stellen, machen die Polizisten den Dieb unter den Minderjährigen des Viertels aus. Dann wird der Junge schwer verletzt, ein anderer Halbwüchsiger hat die Geschehnisse mit seiner Drohne gefilmt – und die Situation droht endgültig zu eskalieren.
Regisseur Ladj Ly ist selbst in der Banlieue Montfermeil aufgewachsen. Sein Spielfilmdebüt (mit dem er für den Auslands-Oscar nominiert ist) schildert Rassismus und Gewalt in allen gezeigten Lagern – und weist die Schuld doch keinem seiner Protagonisten, sondern der dröhnend abwesenden Politik zu.
Der Filmtitel spielt nicht zufällig auf Victor Hugos berühmten Roman von 1862 an, der zum Teil am gleichen Ort spielt. Lys Film, dramaturgisch irgendwo zwischen Spike Lees „Do The Right Thing” und Mathieu Kassovitz’ „Hass“ angesiedelt, zeigt packend und eindringlich, dass sich seit Victor Hugo nicht allzu viel geändert hat.
Die Wütenden – Les Misérables F 2019, 102 Min., R: Ladj Ly, D: Damien Bonnard, Alexis Manenti, Djibril Zonga, Start: 23.1.