Komödie

„Bernadette“ im Kino

Cate Blanchett brilliert als frustrierte Künstlerin in Richard Linklaters cleverer Komödie Bernadette

In der Antarktis sind die Menschenmassen überschaubar:
Bernadette (Cate Blanchett) kann nachdenken, Foto: Universum Film

Seit rund dreißig Jahren bewegt sich der 59-jährige amerikanische Regisseur Richard Linklater bereits erfolgreich in einem weit abgesteckten Feld zwischen Independent-Kino mit manchmal durchaus experimentellen Ideen („Waking Life“, „Boyhood“) und eher kommerziell ausgerichteten Projekten („School of Rock“). Doch unabhängig von der Zielgruppe oder der Frage, ob Linklater die Drehbücher selbst geschrieben hat, lassen sich einige Themen ausmachen, die den Filmemacher offenbar immer wieder beschäftigen: die Entfaltung von Kindern und Jugendlichen zu eigenständigen Persönlichkeiten, die Voraussetzungen für Kreativität, gesellschaftlicher Nonkonformismus und die Entwicklung von Beziehungen über längere Zeiträume – das alles wird in seinen stilistisch oft sehr unterschiedlichen Filmen stets aufs Neue erörtert.

So letztlich auch in Linklaters jüngstem Werk „Bernadette“, das man im Rahmen seines Tätigkeitsfeldes wohl am ehesten als eine familienkompatible Komödie bezeichnen könnte. Zumindest geht es zunächst einmal komödiantisch los: Bernadette Fox (Cate Blanchett) lebt mit ihrem Mann Elgie (Billy Crudup), einem Software-Programmierer, und der 14-jährigen Tochter Bee (Emma Nelson) in einem gewaltigen, aber nur halb fertig sanierten Anwesen in Seattle. Mit der Tochter verbindet Bernadette offenbar eine enge Beziehung, doch ansonsten ist etwas unklar, was sie überhaupt den ganzen Tag tut: Die Alltagsgeschäfte und den Tagesablauf lässt sie von einer virtuellen Assistentin namens Manjula regeln, der sie von ihrem Innenleben mehr anvertraut als ihrer Familie. So liegt ihr etwa ein der Tochter versprochener Urlaubstrip auf einem Kreuzfahrtschiff in die Antarktis schwer im Magen – sie überlegt bereits Strategien, sich davor zu drücken.

Traumatisiertes Genie

Mit Menschen kommt Bernadette generell nicht gut zurecht, und von freundlichen Beziehungen zu den Nachbarn kann auch keine Rede sein. Insbesondere mit der spießigen Audrey (Kristen Wiig) liefert sie sich einen Kleinkrieg, der sich gerade an Brombeeren entzündet, die von Bernadettes Grundstück einen Abhang herunter ranken. Wider besseres Wissen lässt Bernadette auf Audreys Veranlassung die Pflanzen entfernen – prompt gerät der Hang beim nächsten Platzregen ins Rutschen und spült Audrey eine ordentliche Ladung trüber brauner Soße durch ihr hübsches Haus. Doch während man noch kichert, ändert der Film seinen Tonfall. Denn es wird immer klarer, dass nicht nur der Hang, sondern auch Bernadette in ihrem Leben den Halt vollkommen verloren hat. Alles, was bisher so lustig wirkte, erscheint nun in neuem Licht: Bernadettes Exzentrik, die virtuelle Assistentin (tatsächlich: russische Identitätsdiebe), die Menschenfeindlichkeit. Etwas muss geschehen – doch als ihr Mann und eine Ärztin den Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik vorschlagen, ergreift Bernadette die Flucht. In die Antarktis.

Mittlerweile hat man auch längst erfahren, was Bernadette beruflich macht, beziehungsweise machte: Sie war einst eine berühmte Architektin, ausgezeichnet mit einem Geniepreis und traumatisiert durch den Abriss des preisgekrönten Hauses durch einen Kunstbanausen.

Zwar gestaltet sich die Auflösung ihrer  Probleme eher konventionell – Bernadettes brachliegende Kreativität muss neu befeuert werden, und die Familienzusammenführung in der Antarktis klappt natürlich auch –, doch den Weg dorthin gestaltet Linklater bei aller Unterhaltsamkeit gewohnt nachdenklich und mit sorgfältig charakterisierten Figuren. Da geht es dann eben auch um die Tochter auf dem Weg zum Erwachsenenleben, den Ehemann, der Bernadettes Unglück lange übersehen hat (während er eine Software entwickelt, die Gedanken lesen kann) und die grässlich angepassten und oberflächlichen Nachbarn. Dass Bernadette mit der dornigen Brombeere assoziiert wird, ist natürlich kein Zufall – und Cate Blanchett in der Rolle dieser sperrigen Frau zuzusehen, ist ein ausgesprochenes Vergnügen. Lars Penning

Where’d You Go Bernadette USA 2019, 104 Min., R: Richard Linklater, D: Cate Blanchett, Kristen Wiig, Billy Crudup, Emma Nelson, Laurence Fishburne, Start: 21.11.

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