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Volle Konfrontation: Gute Epidemie-Filme für den Lockdown

Warum in Zeiten einer sich wieder rasant ausbreitenden Pandemie auch noch Filme über Epidemien und ihre Folgen ansehen? Wäre etwas Heiteres nicht viel besser für die allgemeine Moral? Die Antwort gibt das Genre des Horrorfilms (zu dem einige der Epidemie-Filme ja auch gehören) schon seit Jahrzehnten: Sich mit Dingen zu konfrontieren, vor denen man sich eigentlich fürchtet, ist grundsätzlich gesund.

Night of the Living Dead. 1968. USA. Directed by George Romero
Night of the Living Dead. 1968. USA. Directed by George Romero

Man stellt sich der eigenen Angst, kann dabei (vergleichsweise) gefahrlos mutig sein – und wird im besten Fall auch noch gut unterhalten. Wir haben die bedeutendsten Epidemie-Filme, die ganz unterschiedliche Aspekte des Themas aufzeigen, chronologisch zusammengestellt. Viel Spaß beim Gruseln und bleibt gesund!


Nosferatu

D 1922, R: F.W. Murnau, D: Max Schreck, Gustav von Wangenheim, Greta Schröder-Matray, Alexander Granach

Der Vampir Graf Orlok (Max Schreck) fährt von Transsylvanien aus per Schiff ins norddeutsche Wisborg, und in seinem Gefolge reisen Ratten und die Pest. Genauer gesagt: Der Nosferatu ist der schwarze Tod – denn alle Pestopfer weisen am Hals seltsame Wundmale auf. 

Die Idee der Epidemie fügte Drehbuchautor Henrik Galeen der literarischen Vorlage – Bram Stokers hier unautorisiert verfilmtem „Dracula“ – hinzu, und Regisseur F.W. Murnau inszeniert die entsprechenden Szenen in einer gewissen Analogie zu den Schrecken des Ersten Weltkriegs, die den Menschen zu Beginn der 1920er Jahre noch kollektiv im Gedächtnis waren. Das Verrammeln von Fenstern und Türen hilft nichts, fast jede Familie ist betroffen. 


Panic in the Streets

Unter Geheimbefehl, USA 1950, R: Elia Kazan, D: Richard Widmark, Paul Douglas, Barbara Bel Geddes, Jack Palance

Dr. Reed (Richard Widmark), Arzt der Hafenbehörde von New Orleans, entdeckt bei einem erschossenen Unbekannten Anzeichen der Lungenpest. Reed und dem Polizisten Warren (Paul Douglas) bleiben 48 Stunden, um den Mörder und mögliche weitere Kontaktpersonen ausfindig zu machen, ehe sich die Seuche unkontrolliert ausbreitet. Doch sie haben wenig Anhaltspunkte. 

Ein realistischer Polizeithriller von Elia Kazan aus einer Zeit, als man auch im Film noir immer häufiger Originalschauplätze aufsuchte. Wichtigstes Spannungsmoment der Geschichte, die von ihrem Gespür für die Atmosphäre einer Hafenstadt lebt, ist der enorme Zeitdruck, unter dem die Hauptpersonen ihre Entscheidungen treffen müssen.


Das siebente Siegel

S 1957, R: Ingmar Bergman, D: Max von Sydow, Gunnar Björnstrand, Bibi Andersson, Bengt Ekerot

Der Ritter Antonius Block (Max von Sydow) kehrt von einem Kreuzzug in seine von der Pest verwüstete Heimat zurück. Er begegnet dem Tod (Bengt Ekerot) und fordert ihn zu einer Partie Schach heraus. In der so gewonnenen Zeit sucht er nach einem Beweis für die Existenz Gottes inmitten des Elends – und findet doch immer nur den Tod. 

Ein in der Malerei des ausgehenden Mittelalters beliebtes Motiv war der Totentanz. Angeführt vom Sensenmann verbinden sich die Vertreter der geistlichen und weltlichen Stände – vom Papst bis zum Pfarrer und vom Kaiser bis zum Narren – in einem Reigen und treten den Weg ins Jenseits an. In einer Epoche verheerender Seuchen ermahnte der Totentanz die Vertreter der Obrigkeit zur Demut und bot den einfachen Leuten einen gewissen Trost ob der Gewissheit, dass wenigstens vor dem Tod alle Menschen gleich sind.

Am Ende von „Das siebente Siegel“ nimmt Regisseur Ingmar Bergman in einer der berühmtesten Einstellungen seines filmischen Werkes das Motiv des Totentanzes auf: der nach Gewissheit für die Existenz Gottes strebende Ritter, sein atheistischer Knappe, die Asketen wie die Lebenslustigen – sie alle müssen im Gegenlicht auf einer Düne hinter dem Tod her tanzen.


The Masque of the Red Death (Satanas – Das Schloss der blutigen Bestie)

GB/USA 1964, R: Roger Corman, D: Vincent Price, Hazel Court, Jane Asher

Während das Land von einer Seuche entvölkert wird, hat sich Fürst Prospero (Vincent Price) mit seinem Hofstaat hinter die dicken Mauern seines Schlosses zurückgezogen. In der Isolation glaubt man sich sicher und lässt es sich gut gehen. Als Prospero einen großen Maskenball gibt, erscheint sehr zum Unwillen der Gesellschaft jemand in der Maske des Roten Todes. Doch bald stellt sich heraus, dass der mysteriöse Fremde gar keine Maske trägt… 

„The Masque of the Red Death“ ist die sorgfältigste der Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen von Roger Corman, ein von Nicolas Roeg wunderbar fotografierter Farbfilm, der in aufwändigen Kostümen und Dekors schwelgt. Die Moral der Geschichte kommt allerdings deprimierend daher: Auch Quarantäne hilft nichts, am Ende siegt auch hier wieder einmal der Tod. In erster Linie natürlich über die dekadenten Satanisten auf dem Schloss.


Night of the Living Dead (Die Nacht der lebenden Toten)

USA 1968, R: George A. Romero, D: Judith O’Dea, Duane Jones, Russell Steiner

Gesellschaftskritischer Horror: In George A. Romeros preiswert produziertem Zombiefilm kehren die Toten aus ihren Gräbern zurück, ernähren sich von den Lebenden und infizieren immer neue Opfer. „Night of the Living Dead“ handelt vor allem vom Vertrauensverlust in traditionelle Werte, vom Zusammenbruch der Ordnung: Die staatlichen Stellen sind hilflos, und auch die Familie bietet keinen Schutz mehr vor der Bedrohung. Sieben Menschen verbarrikadieren sich vor dem Angriff der Untoten in einem Haus, doch ihr Verhältnis zueinander wird nicht von Solidarität bestimmt, sondern von Feigheit, Angst und Misstrauen – die Notgemeinschaft hat keine Chance. 

In zwei weiteren Filmen variierte Romero die gesellschaftskritischen Aspekte des Zombie-Themas: In „Dawn of the Dead“ (1979) irren die Zombies ziellos durch eine Shopping Mall („weil es ihnen in ihrem früheren Leben hier so gut gefallen hat“), und „Day of the Dead“ (1985) erzählt von der nur bedingt erfolgreichen Idee, die Zombies zu zähmen und umzuerziehen.


Tod in Venedig

I 1971, R: Luchino Visconti, D: Dirk Bogarde, Silvana Mangano, Romolo Valli, Björn Andresen

Kongeniale Verfilmung einer Thomas-Mann-Novelle durch Luchino Visconti, eine morbide Ode an das Scheitern des bourgeoisen Künstlers: Der Komponist Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde) fährt zur Erholung nach Venedig und verguckt sich dort platonisch in einen blondgelockten Jüngling. Doch mittlerweile ist die Cholera ausgebrochen: Während die meisten Gäste zügig abreisen, geht Aschenbach – musikalisch begleitet vom Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie – inmitten einer in triste Grau- und Brauntöne gehaltenen Sinfonie des Verfalls und der Fäulnis an der Krankheit zugrunde. Seuche, Sinnlichkeit, Kreativität: ein elegischer Fiebertraum. 


Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All

USA 1971, R: Robert Wise, D: Arthur Hill, David Wayne, James Olson, Kate Reid

Vier Wissenschaftler müssen in einem abgeschotteten Labor ein Mittel gegen einen aus dem All eingeschleppten, äußerst aggressiven Organismus finden, der nicht nur Menschen sofort tötet, sondern auch Plastik zur Auflösung bringt. 

Im Mittelpunkt von Robert Wises spannendem Science-Fiction-Thriller nach einem Roman von Michael Crichton steht der Wettlauf mit der Zeit. Gelingt es den Wissenschaftlern nicht, Gegenmaßnahmen zur Ausbreitung des Killers zu erarbeiten, droht ein Atombombenabwurf, der das betroffene Gebiet komplett auslöschen soll.


Rabid – Der brüllende Tod

CDN 1976, R: David Cronenberg, D: Marilyn Chambers, Joe Silver, Frank Moore)

Nach einem Motorradunfall und einer missglückten experimentellen Gewebetransplantation wächst  der junge Rose (Marilyn Chambers) ein blutsaugender Stachel in ihrer Achselhöhle. Zunächst noch zögerlich, später mit immer weniger Gewissensbissen macht sich Rose nunmehr an ihre Opfer heran, die dabei mit einer Art Tollwut infiziert werden und das biedere Montreal in eine Art Vorhölle verwandeln. Immer wieder gut: wie der rasende Weihnachtsmann in einer Einkaufspassage erschossen werden muss.

Operationen, Penetrationen, tobender Wahnsinn: typischer Horror von David Cronenberg, der hier einmal mehr auf intelligente Weise und mit abgründigem Humor den Zusammenhang zwischen Sex, Gewalt und verstörten Seelen erkundet. 


12 Monkeys

USA 1995, R: Terry Gilliam, D: Bruce Willis, Madeleine Stowe, Brad Pitt, Christopher Plummer

Nach einer weltweiten Pandemie lebt im Jahr 2035 nur noch ein kleiner Bruchteil der ursprünglichen menschlichen Bevölkerung. Der vermeintliche Verbrecher James Cole (Bruce Willis) wird auf eine gefährliche Zeitreise-Mission geschickt. Er soll im Jahr 1996 nach der Ursache der Katastrophe forschen. Doch dabei geht so einiges schief: Cole wird für verrückt erklärt, landet zeitweilig in der falschen Epoche, verdächtigt die falschen Leute und beginnt selbst, an seinem Verstand zu zweifeln.

Ein bildmächtiger Science-Fiction-Film von Terry Gilliam, der Zeitreisemotive, gesellschaftliche Problemstellungen und individuelles Schicksal zu einem gewaltigen Endzeitgemälde verbindet.


Contagion

USA 2011, R: Steven Soderbergh, D: Matt Damon, Kate Winslet, Marion Cotillard, Laurence Fishburne

Weltweit versuchen Mediziner, eine Pandemie einzudämmen, ihrer Ursache auf den Grund zu kommen und einen Impfstoff zu entwickeln.

Steven Soderberghs realistisches Drama, nicht zuletzt inspiriert von der SARS-Pandemie des Jahres 2002, behandelt in unzähligen Handlungssträngen die verschiedenen Aspekte einer sich ausbreitenden Seuche: grassierende Panik, sich schnell verbreitende Falschinformationen, den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Gewissenlose Geschäftemacher profitieren von der Angst, ein verknappter Impfstoff führt dazu, dass Impftermine in einer Lotterie verlost werden. 

Und noch ein Bonusfilm:

Season of the Witch (Der letzte Tempelritter)

USA 2011, R: Dominic Sena, D: Nicolas Cage, Ron Perlman, Claire Foy

Die Action-Version von „Das siebente Siegel“: Der Ritter Behmen von Bleibruck (Nicolas Cage) und seine Gefährten sollen im 14. Jahrhundert in ihrer pestverseuchten Heimat eine vermeintliche Hexe durch finstere Wälder zu einem abgelegenen Kloster bringen. Einige der Männer finden bereits unterwegs den Tod, doch das ist alles nichts gegen die Bedrohung, die am Endpunkt der Reise wartet. 

In der Genreproduktion, die Anleihen bei Abenteuer-, Mystery- und Gruselfilm nimmt, kommt der Epidemie-Aspekt zwar erst spät so richtig zum Tragen – dann aber mit pestilenzverseuchten Zombie-Mönchen, die dem Teufel im Kampf gegen den Ritter zur Seite stehen, umso schöner. Und so dämmert den versammelten Hobby-Exorzisten im Finale schließlich eine wichtige Erkenntnis: „Wir brauchen mehr Weihwasser!“ Nicolas Cage bekam für seine Leistung in diesem Film die Goldene Himbeere als schlechtester Schauspieler verliehen. Völlig unverdient, das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.


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