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Filmkritik

„Bad Luck Banging or Loony Porn“: Der Sieger-Film der Berlinale 2021

Radu Jude, Rumäniens originellster Regisseur, hat mit „Bad Luck Banging or Loony Porn“ eine bösartige Satire über die Heuchelei der neuen rumänischen Mittelschicht gedreht. Sein Film schickt Grüße aus der pandemischen Gegenwart – und hat bei der Berlinale 2021 den Goldenen Bären gewonnen. Unsere Filmkritik.

Verdeckte Gesichter: Szene aus Radu Judes Film „Bad Luck Banging or Loony Porn“, ausgezeichnet mit dem Goldenen Bären 2021. Foto: Silviu Ghetie/Micro Film 2021
Verdeckte Gesichter: Szene aus Radu Judes Film „Bad Luck Banging or Loony Porn“, ausgezeichnet mit dem Goldenen Bären 2021. Foto: Silviu Ghetie/Micro Film 2021

„Bad Luck Banging or Loony Porn“: Vier Filme in einem

KOMÖDIE Radu Jude ist der Freigeist des sonst oft ein wenig strengen rumänischen Kinos. Er wechselt gern seine Strategien, mal verfilmt er sehr klassisch einen literarischen Klassiker („Vernarbte Herzen“), mal dreht er in Schwarzweiß einen Ost-Western („Aferim!“), mal verwandelt er das Kino geradezu in Performancekunst („Uns ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen“), mal macht er auf Mediensatire („The Happiest Girl in the World“). Da verwundert es nicht, dass sein neuester Film „Bad Luck Banging or Loony Porn“ im Grunde vier Filme in einem ist.

Der erste ist kurz und ein bisschen skandalös: ein pornographisches Teil, sehr eindeutige Handlungen zwischen Mann und Frau, im Grunde natürlich nichts Außergewöhnliches mehr, es sei denn, es verlässt den privaten Bereich. Genau so passiert es. Die Geschichtslehrerin Emi wird mit ihrem Ehemann zu einer öffentlichen Figur, und was intim war, ist nun (für manche) obszön.

Die wunderbar stoische Katia Pascariu in der Hauptrolle. Bild: Neue Visionen

Es folgt ein längerer Teil, in dem Emi sich durch Bukarest bewegt, vom Stadtrand in Richtung Zentrum zu Fuß, durch den Corona-Sommer 2020, und durch eine Welt, in der Gemeinsinn vollkommen verschwunden scheint. Im dritten Teil liefert Jude eine Art Essay zu seinem Heimatland, eine Einführung in Geschichte und Kultur Rumäniens in Form von Videoschnipseln und anderem Zeug, sehr witzig, aber für Uneingeweihte auch ein bisschen mysteriös.

I Can’t Breathe: Der Satz des Jahres 2020 taucht auch in „Bad Luck Banging or Loony Porn“ auf

Damit ist der vierte Teil erreicht, der alles in sich aufnimmt: eine Besprechung an Emis Schule, wegen der Distanzmaßnahmen im Garten, alle mit Maske. Es geht darum, ob sie ihren Job behalten darf. Dazu haben nun alle eine Meinung, und jedes erdenkliche Argument (natürlich auch die dümmsten) wird in jede Richtung gedreht, dazu ist auch jede der vielen Masken noch ein Statement, denn mit bloßem Mund-Nasen-Schutz ist es nicht getan. Nahezu alle sind mit Ironie gestärkt. Der Gipfel ist natürlich eine, auf der steht: I Can’t Breathe. Einer der Sätze des Jahres 2020, der hier schon seine Bedeutung verändert hat, zu einem Statement von Querdenkern verdreht wurde.

Phänomene dieser Art sind es, die Radu Jude mit „Bad Luck Banging or Loony Porn“ in den Blick nimmt. Sein Film, mit der wunderbar stoischen Katia Pascariu in der Hauptrolle, ist eine Gesellschaftssatire, die weit über Rumänien hinaus von Belang ist: es ist das heutige Europa, das sich hier zeigt, moderne Menschen, die tief in alten Geschichten stecken.

Babardeala cu bucluc sau porno balamuc (OT); RO 2021; 106 Min.; R: Radu Jude; D: Katia Pascariu, Claudia Ieremia, Olimpia Malai; Kinostart: 8.7.


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„Bad Luck Banging or Loony Porn“ ist der Siegerfilm der Berlinale 2021, über die wir hier berichtet haben. Was läuft sonst gerade so? Die Filmstarts vom 8. Juli stellen wir hier vor. Am liebsten alles draußen sehen? Das Programm der Freiluftkinos findet ihr hier.

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