Filmkritik

„Ballade von der weißen Kuh“: Leises Todesstrafen-Drama aus Iran

Das iranische Drama „Ballade von der weißen Kuh“ erzählt von den Folgen eines Justizirrtums: Eine Witwe verlangt eine Entschuldigung für die Hinrichtung ihres Mannes. Nicht nur um die Todesstrafe geht es, sondern um die ganze Bandbreite der Missstände in Iran. Dass man darüber nicht depressiv wird, liegt an der schauspielerischen Leistung von Maryam Moghadam, die zusammen mit Behtash Sanaeeha auch Regie geführt hat. Unsere Filmkritik.

"Ballade von der weißen Kuh" von Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha – Moghadam spielt auch die Hauptrolle. Foto: Weltkino
„Ballade von der weißen Kuh“ von Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha – Moghadam spielt auch die Hauptrolle. Foto: Weltkino

„Ballade von der weißen Kuh“: Ein folgenschwerer Justizirrtum

Die Todesstrafe ist eines der wichtigsten Themen iranischer Filmemacher:innen, die ihre Filme ja oft genug jenseits der offiziellen Zensur des Landes fertigen (also entweder heimlich und quasi-illegal oder im Ausland). Das weiß man auch hierzulande spätestens seit Mohammad Rasulof 2020 mit seinem Film „Doch das Böse gibt es nicht“ bei der Berlinale den Goldenen Bären gewann.

Zumindest inhaltlich knüpfen seine Landsleute Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam mit ihrem leisen Schuld-und-Sühne-Drama „Ballade von der weißen Kuh” (OT: „Ghasideyeh gave sefid“) an Rasulofs Episodenfilm an: Ein Jahr nach der Hinrichtung ihres Mannes erfährt die Witwe Mina von der Justiz, dass ein Irrtum vorlag. Denn der wahre Mörder hat nun gestanden. Mina steht eine finanzielle Kompensation zu, aber ansonsten gilt: alles Gottes Wille. Doch Mina will mehr: zumindest eine öffentliche Entschuldigung und ein privates Treffen mit den Richtern, die ihren Mann seinerzeit verurteilt haben. Aber das ist im System nicht vorgesehen.

Unterdessen wird ein hilfsbereiter Fremder bei ihr vorstellig, der sich als alter Freund ihres Mannes ausgibt, aber – wie man als Zuschauer:in schon bald erfährt – tatsächlich einer der Richter ist, die das Todesurteil verhängt haben. Während sich die beiden langsam annähern (was im Iran unter nicht-verwandten Menschen verschiedenen Geschlechts bekanntlich eher heikel ist, und in der Inszenierung viel mit der Positionierung der Figuren im Raum zu tun hat), ahnt man natürlich längst, dass diese Lügengeschichte kein gutes Ende nehmen kann.

Die iranische Zensur lässt sich noch aushebeln

 „Ballade von der weißen Kuh” wurde auch im Iran gezeigt, er gehört also nicht zu den verbotenen Filmen. Offenbar lässt sich die Zensur noch ein Stück weit aushebeln – sofern man offizielle Stellen nicht direkt angreift und die inhärente Kritik in ein persönliches Drama verpackt. Dabei kippt der Film zwischenzeitlich so einige Übel dieser Welt über seinen Hauptfiguren aus: Mina verliert erst die Wohnung, später den Job, und der Schwiegervater klagt das Sorgerecht für ihre Tochter ein, während der westlich orientierte Sohn des Richters, der mittlerweile seinen Job quittiert hat, an einer Überdosis Drogen verstirbt. Teils ist das dramaturgisch bedingt und hält die Geschichte an Laufen, teils ist es aber auch zweifellos dem Willen der Filmemacher:innen geschuldet, möglichst viele Missstände des religiösen Spitzel- und Überwachungsstaates Iran anzusprechen.

Dass man darüber als Zuschauer:in nicht so depressiv wird wie der Ex-Richter Reza, ist vor allem der energetischen Präsenz von Ko-Regisseurin und -Autorin Maryam Moghadam in der Rolle der Mina geschuldet, die klaglos mit all den Widrigkeiten zurechtkommt und auch sonst mutig ihren Weg als Frau in einer männerdominierten Gesellschaft geht. Hartnäckig heftet sich die Kamera an ihre Fersen und zeigt einen Alltag, in dem das Leben immer dann besonders kompliziert wird, wenn jemand aus dem Kanon dessen ausschert, was allgemein erwartet wird.

Iran/F 2021; 105 Min.; R: Behtash Sanaeeha und Maryam Moghadam; D: Maryam Moghadam, Alireza Sani Far, Pouria Rahimi Sam, Avin Poor Raoufi; Kinostart: 3.2.


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