Klamauk

Neuer Borat-Film zum Streamen: Wer regt sich da noch auf?

Borat ist zurück. Nicht auf der großen Leinwand, sondern auf der Streaming-Plattform Amazon Prime Video. Sacha Baron Cohen kann in „Borat Anschluss Moviefilm“ mit der Realität allerdings kaum mithalten. Eine Kritik.

Die klischeebeladene Figur aus Zentralasien hat ausgedient: Ein realer Donald Trump hat einen fiktiven Borat überflüssig gemacht. Foto: Courtesy of Amazon Studios
Die klischeebeladene Figur aus Zentralasien hat ausgedient: Ein realer Donald Trump hat einen fiktiven Borat überflüssig gemacht. Foto: Courtesy of Amazon Studios

Es scheint, als bräuchte es heute erneut einen politisch inkorrekten Journalisten aus Kasachstan, um dem Westen im Allgemeinen und der USA im Besonderen den Spiegel vorzuhalten. Braucht es ihn wirklich? 2006, als der Komiker Sacha Baron Cohen seine Kunstfigur Borat erstmals auf die Kinoleinwand brachte, hätte man als Zuschauerin noch mit der halben Welt laut lachend „Ja!“ gerufen.

In der erfolgreichen Doku-Satire „Borat“ reiste der Journalist Borat Sagdijew im Auftrag der kasachischen Regierung durch die USA, um von deren Kultur zu lernen. Dabei wurde die US-amerikanische Gesellschaft in ihrer Doppelmoral entblößt und das kaum bekannte Kasachstan als ein rückständiger Staat inszeniert. Obwohl hier der Westler doppelt in seiner Ignoranz vorgeführt wurde, fanden vor allem kasachische Politiker die Satire lange gar nicht lustig.

„Borat Anschluss Moviefilm“: neuer Roadtrip durch die USA

Am Anfang der Fortsetzung „Borat Anschluss Moviefilm“ wurde Borat daher in einen Steinbruch verbannt. Er bekommt jedoch eine Chance, die Ehre der Nation wiederherzustellen, indem er US-Vizepräsident Michael Pence ein Geschenk überreicht: seine eigene 15-jährige Tochter Tutar. Es beginnt erneut ein wilder Roadtrip durch die Vereinigten Staaten.

Dabei vermag Cohen mit seinem bewährten Konzept, sein ahnungsloses Gegenüber durch Borats Naivität und unverfrorene Vulgarität zu entlarvenden Aussagen zu verleiten, deutlich weniger zu überzeugen. So richtig schockierend oder lustig ist es nicht mehr, wenn ihn zwei QAnon-Anhänger darüber aufklären, dass die Demokraten das Corona-Virus gezüchtet hätten.

Diese Ansichten postulieren Menschen mittlerweile lautstark auf offener Straße. Das Staatsoberhaupt der USA selbst hat die verbale Enthemmung längst legitimiert. So ist die erschütternde Erkenntnis eher, dass ein realer Donald Trump einen fiktiven Borat überflüssig gemacht hat.

An den Wahnsinn in "Borat Anschluss Moviefilm" hat man sich längst gewöhnt. Foto: Courtesy of Amazon Studios
An den Wahnsinn in „Borat Anschluss Moviefilm“ hat man sich längst gewöhnt. Foto: Courtesy of Amazon Studios

Und dann ist man doch hin- und wieder darüber irritiert, wie wenig sich die Menschen durch Borats Provokationen irritieren lassen. So erntet er weder Entsetzen noch Zustimmung, als er eine Bäckerin bittet, mit Zuckerguss einen antisemitischen Spruch auf eine Torte zu schreiben. Vielleicht hat sie sich durch Soziale Medien und Nachrichten schlicht an den Wahnsinn gewöhnt.

Borat: Die klischeebeladene Figur aus Zentralasien hat ausgedient

Umso mehr stechen die Szenen mit Tutar hervor, die sich im Verlauf des Films von dem sexistischen Frauenbild ihrer Herkunft löst. Dabei steht die bulgarische Schauspielerin Maria Bakalova mit ihren 24 Jahren Altmeister Cohen in Sachen Mut und Schamlosigkeit in nichts nach. Eigentlich ist sie es, die den Borat-Zauber wiederbelebt, wenn sie eine republikanische Frauengruppe durch ihre Masturbationserzählungen vor den Kopf stößt oder Trumps Anwalt Rudy Giuliani in eine verfängliche Situation bringt.

Die klischeebeladene Figur eines hinterwäldlerischen Reporters aus Zentralasien hat ausgedient. Selbst in Kasachstan regen sich die Staatoberhäupter nicht mehr auf: Das Tourismus-Komitee hat eine Werbekampagne lanciert, in der westliche Reisende die kasachische Natur und Kultur bewundern. Mit Borats Kultspruch „Very Nice!“

  • Den Film kann man seit dem 23. Oktober 2020 auf Amazon Prime Video sehen

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