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Interview

Daniel Brühl über seinen Film „Nebenan“, Marvel und den Prenzlauer Berg

Daniel Brühl hat zum ersten Mal bei einem Film selbst Regie geführt. Das Drehbuch zu „Nebenan“ hat der Bestsellerautor Daniel Kehlmann für ihn geschrieben – und zwar so halb auf den Leib. Es geht um einen jungen Starschauspieler, der in einer typischen Berliner Kneipe auf einen Mann trifft, der verdächtig viel von ihm weiß. Im Gespräch erzählt Daniel Brühl von Dreharbeiten unter Corona-Bedingungen, von den Verschwiegenheitspflichten eines Marvel-Stars und von einigen gut erhaltenen Ecken in seinem Kiez.

Hipster unter Druck: Daniel Brühl in "Nebenan". Bild: Warner Bros.
Hipster unter Druck: Daniel Brühl in „Nebenan“. Bild: Warner Bros.

tipBerlin Herr Brühl, für Ihr Regiedebüt haben Sie sich mit Daniel Kehlmann zusammengetan. Wann haben Sie beide sich eigentlich kennen gelernt?

Daniel Brühl Das ist Jahre her. Wir waren gleichzeitig bei einer Kultursendung des ORF eingeladen, Wolfgang Becker und ich wegen „Goodbye, Lenin!“, und er mit seinem Roman „Ich und Kaminski“. Zehn Jahre später haben wir genau diesen Roman dann ja auch verfilmt. In diesem Kontext kamen Daniel Kehlmann und ich dann näher in Kontakt und haben uns angefreundet. Ich wusste also, dass er wahnsinnig für Film brennt und auch mal gerne Drehbücher schreiben würde. Das hatte ich noch im Kopf, als ich die Idee für „Nebenan“ hatte und wusste, dass ich selbst sie auf keinen Fall gut niederschreiben kann.

tipBerlin Also haben Sie Kehlmann gebeten, aus der Idee ein Skript zu machen?

„Ich hatte große Angst, ihm meine Geschichte zu pitchen“

Daniel Brühl Ich habe all meinen Mut zusammengenommen, und ihn einfach mal gefragt. Zu verlieren hatte ich ja eigentlich nichts. Trotzdem war meine Angst groß, dass ich ihm die Geschichte pitche – und dieser sehr kluge Kopf dann sagt: war’s das schon? Aber zu meiner Verblüffung hat er dann sehr schnell und euphorisch reagiert. Ich hatte kaum zu Ende gesprochen, da meinte er schon, dass er etwas damit anfangen kann. Schon ein paar Wochen später schickte er mir eine wahnsinnig gute erste Fassung. Als ich die las, war ich mir zum ersten Mal sicher, dass ich tatsächlich meinen ersten eigenen Film drehen würde.

tipBerlin Sie waren bereits mitten in der Vorbereitung, als 2020 die Corona-Pandemie in Deutschland große Einschränkungen erforderlich machte. Musste das Drehbuch daraufhin nochmal ordentlich geändert werden, um den Film überhaupt drehen zu können?

Daniel Brühl Nein, denn zu meinem großen Glück hatte ich mir eine Geschichte ausgedacht, die sich unter diesen neuen Bedingungen recht problemlos umsetzen ließ. Zwei bis fünf Schauspieler in einer Kneipe, also einem geschützten Raum, zumindest für 80% des Films – das war natürlich perfekt. Ein bisschen schwieriger waren dann nur die wenigen Szenen, die wir außerhalb des Studios drehen mussten. Aber da war dann wirklich jeder Komparse getestet, der durchs Bild lief, und alles war mit den Behörden abgesprochen.

tipBerlin Klingt problemlos…

Daniel Brühl Natürlich mussten wir uns mit dieser neuen Situation erst einmal zurechtfinden. Was schwierig war, weil man damals so viel weniger wusste als jetzt. Es gab eine große Unwissenheit und Panik, das hat uns schon auch beim Drehen voll erwischt. Wir waren eine der ersten Kinoproduktionen, die überhaupt wieder anfingen. Aber wir haben versucht, vernünftig und mit klarem Kopf auf die Informationen zu reagieren, die Stück für Stück bekannt wurden. Wir haben alle Maßnahmen eingehalten und hatten ein Hygienekonzept, das gut funktioniert hat. Glücklicherweise kam es tatsächlich während der ganzen Produktion zu keinem einzigen positiven Fall.

Eingesessen und zugezogen: Peter Kurth und Daniel Brühl in "Nebenan". Bild: Warner Bros.
Eingesessen und zugezogen: Peter Kurth und Daniel Brühl in „Nebenan“. Bild: Warner Bros.

tipBerlin Der Protagonist des Films heißt Daniel, ist erfolgreicher Schauspieler und lebt mit seiner Familie im Prenzlauer Berg. Ein derart selbstironisches Alter Ego zu spielen muss man sich trauen. Gab es Momente, in denen Ihnen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion ein bisschen zu sehr zu verschwimmen drohten?

Daniel Brühls Rolle ist keine Vergangenheitsbewältigung

Daniel Brühl Das war schon ein schmaler Grat, und natürlich gab es auch ein paar Dinge, die wir aus dem Drehbuch wieder hinausgeworfen haben. Es ging uns immer darum, nie ins Private zu rutschen. Und darum, den richtigen Ton zu treffen, damit die Sache auch nicht zu sehr ins Dramatische abdriftet, obwohl es ja auch um Themen wie Gentrifizierung geht. Außerdem wollte ich natürlich nichts an der Rolle als persönliche Vergangenheitsbewältigung missverstanden wissen. Deswegen war es wichtig, dass der Ton von Anfang an überhöht ist und jedem klar ist, dass das nicht wirklich ich bin. Auch wenn natürlich vieles mit eingeflossen ist, was ich selbst erfahren habe, schließlich wollte ich einen Film machen, bei dem ich weiß, wovon ich rede.

tipBerlin Unter anderem nehmen Sie im Film ein wenig die Geheimniskrämerei auf den Arm, die es bei Superhelden-Filmen oft schon während der Entstehung gibt. Wie sind da Ihre realen Erfahrungen mit der Marvel-Welt? Dürfen Sie nicht einmal Ihrer Frau verraten, was Sie drehen?

„Man darf wenig wissen und noch weniger verraten“: Daniel Brühl über Rollen im Marvel-Universum

Daniel Brühl Mit meiner Familie kann ich schon teilen, was ich da mache. Aber tatsächlich darf man meistens wenig wissen und noch weniger verraten. Was ja auch komplett verständlich ist. Dank des Internets und der Abermillionen von Fans, die diese Projekte haben, passiert es so schnell, das irgendetwas herauskommt. Und für eine Serie wie „The Falcon and The Winter Soldier“ wäre es tödlich, wenn da vorab etwas elementar Wichtiges verraten wird, denn dann macht die Sache eben keinen Spaß mehr.

tipBerlin Haben Sie sich schon mal verplappert?

Daniel Brühl Ich hatte bereits Albträume, aus denen ich aufgewacht bin und dachte, ich hätte ein Drehbuch in einem Café vergessen. Ist mir aber zum Glück noch nie passiert. Und wenn ich mal mit geheimen Drehbuchseiten reisen musste, dann habe ich die selbst im Schlaf nicht losgelassen. Das Thema beschäftigt einen also permanent, wenn man mit so großen Produktionen zu tun hat. Wobei ich aber noch dazusagen muss, dass ich mich in „Nebenan“, wo ich alles aufs Korn nehme, was ich jemals gedreht habe, nicht direkt auf Marvel bezogen habe. Außerdem haben die dort viel Humor und werden das schon richtig verstehen, sollten sie den Film jemals zu Gesicht bekommen.

tipBerlin Letzte Frage noch zum Thema Gentrifizierung und Prenzlauer Berg: Was bedeutet Ihnen dieser Teil von Berlin eigentlich?

Daniel Brühl Ich lebe da jetzt seit ziemlich genau 20 Jahren. Bei den Dreharbeiten zu „Goodbye, Lenin!“ habe ich mich wirklich in die Stadt verliebt, wie es auch in „Nebenan“ so schön süffisant heißt. Dass ich mich schon damals für den Prenzlauer Berg entschieden habe, lag auch daran, dass da die ersten Freunde wohnten, die ich dort kennenlernte. Außerdem fand ich die Gegend einfach wahnsinnig schön. Ich liebe die Architektur und die Straßen hier und kann mich auch nach 20 Jahren nicht an den malerischen Ecken sattsehen. Die Stimmung ist großstädtisch und trotzdem entschleunigt. Manchmal hat es ja was etwas Dörfliches. Gerade auch, weil eben doch noch nicht alles durchgentrifiziert ist, sondern sich einige Ecken gut gehalten haben. In anderen Metropolen wie London oder New York hat sich das ja noch viel dramatischer entwickelt, auch wenn ich in meiner Position natürlich leicht reden habe.

Das Gespräch für den tipBerlin führte Patrick Heidmann.


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