Film der Woche

„Das Blau des Kaftans“: Ein zarter, sinnlicher Film

In ihrem Film „Das Blau des Kaftans“ erzählt die marokkanische Regisseurin Maryam Touzani nicht einfach nur eine Geschichte von unterdrückter Homosexualität in einer repressiven Gesellschaft, sondern von der Liebe in all ihren Schattierungen. Die Kritik zum zarten Film über eine komplexe Dreiecksbeziehung.

Lubna Azabal und Saleh Bakri in „Das Blau des Kaftans“. Foto: Arsenal Filmverleih
Lubna Azabal und Saleh Bakri in „Das Blau des Kaftans“. Foto: Arsenal Filmverleih

„Das Blau des Kaftans“ erzählt von Liebe in Marokko

Langsam streift die Kamera über den tiefblauen Stoff, schmeichelnd, sinnlich. Im Laufe der zwei Stunden von Maryam Touzanis „Das Blau des Kaftans“ wird aus dem Stoff nach und nach ein wunderschöner Kaftan entstehen, gesäumt von präzise gestickten Nähten aus goldenem Faden, die im Kontrast zur Tiefe des Petrolblaus noch mehr leuchten.

Der Mann, der diesen Kaftan herstellt, heißt Halim (Saleh Bakri) und ist ein Maalem, ein Schneidermeister, der die Tradition seines Berufsstands am Leben hält. Doch Tradition und Handwerkskunst kosten Zeit. Ungeduldig fragt die Kundin, für die der Kaftan ursprünglich gedacht ist, nach, sehr zum Unwillen von Mina (Lubna Azabal), Halims Frau, die die Geschäfte des kleinen Geschäfts in der Medina der marokkanischen Stadt Salé leitet. Mit ihrer resoluten Art hält sie ihrem Mann den Rücken frei, in mehrfacher Hinsicht.

„Das Blau des Kaftans“ nimmt die Ehe der beiden Hauptfiguren in den Blick. Foto: Arsenal Filmverleih

Homosexualität steht in Marokko unter Strafe

Denn Halim ist homosexuell, in der konservativen marokkanischen Gesellschaft immer noch ein Verbrechen, das mit Gefängnis bestraft wird. Gelegentlich verschwindet Halim im Badehaus mit einem Mann in einem Kabuff, doch nun arbeitet er Seite an Seite mit einem Objekt der Begierde. Youssef (Ayoub Missiou) heißt der junge Lehrling, der Halim zur Hand gehen, der das Handwerk lernen und den langsamen Prozess der Schneiderei ein wenig beschleunigen soll.

Ein paar Minuten nur braucht Maryam Touzani, um diese Dreieckskonstellation zu etablieren, und man fragt sich, was da noch kommen mag. Doch „Das Blau des Kaftan“, Touzanis zweiter Film, erzählt nicht einfach nur eine Geschichte von unterdrückter Homosexualität in einer repressiven Gesellschaft, sondern von der Liebe in all ihren Schattierungen.

Eine komplexe Dreiecksbeziehung

Mit zarten, beiläufigen Beobachtungen deutet Touzani die Komplexität der Beziehung zwischen Halim und Mina an, die seit langem verheiratet sind. Vielleicht war es anfangs eine vermittelte, eine Zweckehe, die inzwischen zu viel mehr geworden ist. Was nicht heißt, dass Mina die Aufmerksamkeit, die Halim seinem jungen Assistenten entgegenbringt, nicht mit einem Funken Eifersucht betrachtet. Zumal sie befürchtet, dass Youssef nicht die Geduld hat, sich auf das langwierige Lernen des Schneiderberufs einzulassen, und bei erster Gelegenheit das Weite suchen wird. Stattdessen wird Youssef überraschenderweise zu einem Teil der Familie, zumal schnell klar wird, dass Mina schwer krank ist.

Einen zarten, sinnlichen Film hat Maryam Touzani gedreht, der bisweilen Gefahr läuft, sich in seiner Preziosität zu verlieren, zumal auf der Tonspur oft die Geigen klingen, die Fülle an weichgezeichneten Großaufnahmen einen Schleier über das Geschehen zu werfen droht. Durch und durch dezent ist „Das Blau des Kaftan“, mehr als den nackten Rücken Youssefs zeigt Touzani nicht, sicher auch aus der kulturellen Notwendigkeit heraus, in Marokko einen Film über Homosexualität zu drehen, vor allem aber, weil es am Ende um viel mehr geht. Michael Meyns

  • Le Bleu du Caftan Frankreich/ Marokko/Belgien/Dänemark 2022; 124 Min.; R: Maryam Touzani; D: Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Missiou; Kinostart: 16.3.

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