Robert Guédiguians „Das Fest geht weiter“ spielt in seiner Heimatstadt Marseille. Es geht um Alice und ihre Schwiegertochter in spe Rosa, die sich beide auf ihre Weise gegen soziale Ungerechtigkeiten in ihrer Stadt stark machen. tipBerlin-Filmkritiker Frank Arnold hat den Film gesehen.
Es beginnt mit einem Fehlstart: weil Alice eine Kapern-Allergie hat, kann sie von dem traditionellen Familienessen nicht kosten. Dessen Zubereitung erbat ihr Verlobter Sarkis von seiner Mutter Rosa, um seine künftige Ehefrau der Familie vorzustellen. Am Ende ist das aber kein Problem, Alice ist ähnlich gesellschaftspolitisch engagiert wie Rosa. Und das ist viel, viel wichtiger. Die Krankenschwester Rosa (von ihrem Vater nach Rosa Luxemburg benannt) überlegt, bei den anstehenden Kommunalwahlen zu kandidieren und erkennt in Alice eine Gleichgesinnte.
In „Das Fest geht weiter“ steht Handeln über Reden
Gesellschaftliche Verantwortung ist bei Robert Guédiguian nie eine Frage des Redens, sondern eine des Handelns. „Das Fest geht weiter“, seinen 23. Film, hat der Regisseur wiederum in seiner Geburtsstadt Marseille gedreht, der Hafenstadt, wo er die meisten seiner Geschichten ansiedelt. Erneut erzählt er von einfachen Menschen, die sich von Schicksalsschlägen, die meist mit den sozialen Verhältnissen zu tun haben, nicht unterkriegen lassen, und dem ein solidarisches Handeln entgegensetzen.
In diesem Viertel funktioniert der nachbarschaftliche Zusammenhalt noch, gespeist aus der Tradition der Arbeiterbewegung, aber auch aus der der Herkunft: das Restaurant, das Sarkis betreibt, trägt den Namen „Das neue Armenien“. Angetrieben wird das Engagement durch ein schreckliches Ereignis, das gleich zu Beginn in Erinnerung gerufen wird, den Einsturz zweier fünfstöckiger Mietshäuser, bei dem acht Menschen ums Leben kommen. Die marode Substanz der Gebäude war seit langem bekannt, aber die Behörden blieben untätig. Ein solches Unglück hat sich 2018 in Marseille wirklich zugetragen, die Proteste brachten schließlich eine linke Stadtregierung ins Amt.
„Das Fest geht weiter“ bezieht sich auf wahre Begebenheiten
Während die Schauspielerin Alice mit Menschen, die damals ihre Bleibe verloren und in einer Kirche Unterschlupf gefunden haben, für eine Gedenk- und Protestfeier probt, die anlässlich des Jahrestags der Katastrophe die Umbenennung des Ortes in ,Platz des 5. November‘ fordert, kommt ihr Vater Henri in die Stadt. Der hat gerade seine Buchhandlung den Angestellten überschrieben und möchte jetzt mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen, die er lange vernachlässigt hat. Die Treffen zum Essen fallen allerdings erheblich kürzer aus, als er es sich gewünscht hat, oder aber werden von Alice gleich abgesagt, weil sie ganz in ihrer Arbeit aufgeht.
Dafür kommt der stoische Henri mit der rastlosen Rosa zusammen, die an der Uneinigkeit zwischen Sozialisten, Grünen und Kommunisten zu verzweifeln droht und sich fragt, ob sie den nahenden Ruhestand nicht lieber für sich selber nutzen sollte. Sie, die bisher immer nur für andere da war.
In „Das Fest geht weiter“ lotet Robert Guédiguian die Möglichkeiten und den Preis gesellschaftlichen Engagements aus. Dabei kann er wiederum auf sein bewährtes Darstellertrio Ariane Ascaride (auch seine Ehefrau), Jean-Pierre Darroussin und seinen alten Freund und Gelegenheitsschauspieler Gérard Meylan setzen. Deren Rollen sind oft familiär verbandelt, in „Das Haus am Meer“ spielten sie drei Geschwister, hier ist Darroussin Henri und Meylan Rosas älterer Bruder Antonio (benannt nach dem italienischen Kommunisten Antonio Gramsci, so wie sie ihren Vornamen Rosa Luxemburg verdankt). Ein Film, der Mut macht.
- Das Fest geht weiter (Et la fete continue!) F 2023; 106 Min.; R: Robert Guédiguian; D: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan; Kinostart: 12.6.
Ein gelungenes Gedankenspiel: Anatol Schusters „Chaos und Stille“. Unser Kritiker ist begeistert: „Der phönizische Meisterstreich“ ist einer der besten Wes-Anderson-Filme. Er baut die Filmwelten von Wes Anderson: Zu Besuch in der Neuköllner Werkstatt des Miniaturbauers Simon Weisse. Berlin kann auch symmetrisch und pastellfarben: An diesen Orten sieht die Stadt aus wie in einem Wes Anderson-Film. Ein letztes Mal muss Tom Cruise die Welt retten: Mit „Mission: Impossible – The Final Reckoning“ geht die ikonische Actionfilmreihe zu Ende. Was läuft sonst? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Unter freiem Himmel: Was in den Freiluftkinos in Berlin läuft, seht ihr hier. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.