„Das Imperium“ (französischer Originaltitel: „L’Empire“) ist ein Sci-Fi-Film von Bruno Dumont im B-Movie-Stil, ein surreales Werk, das sich einem uralten Thema widmet: dem Kampf zwischen Gut und Böse – absurd auf die Spitze getrieben. tipBerlin-Kritikerin Paula Schöber findet den Film, der dieses Jahr auf der Berlinale lief, unterhaltsam irre und erfrischend.
„Das Imperium“ wird nach einer Laserschwert-Attacke immer wilder
Es fängt alles ganz harmlos an im Film „Das Imperium“: Es ist Hochsommer, heiß und träge, das Leben in einem kleinen Küstenort in Nordfrankreich dümpelt so vor sich hin. Ein junger Krabbenfischer (überzeugender Newcomer: Brandon Vlieghe) kehrt mit seinem Fang nach Hause, wo ihn sein kleiner Sohn erwartet. Als dessen Mutter das blondgelockte Kind abholen will, wird sie aus dem Nichts in einen unwahrscheinlich verheerenden Autounfall verwickelt, und als wäre das nicht schon drastisch genug, stirbt sie unmittelbar darauf durch einen Laserschwert-Angriff.
Darauf wird es immer wilder: Es stellt sich heraus, dass der Sohn der Anti-Heiland ist, der „Margat”. In ihm soll alles Böse der Erde heranwachsen, und deshalb kämpfen um ihn zwei verfeindete Spezies von Außerirdischen, die die Körper von normalen Menschen bewohnen. Jony, der Fischer und Vater des „Margaten“, ist ein Dämon, der oberste Gehilfe des Bösen. Seine Antagonistin ist die schöne Jane (gespielt von Anamaria Vartolomei, bekannt für ihre Hauptrolle in der Annie Ernaux-Verfilmung „Das Ereignis“), Prinzessin und oberste Verfechterin des Guten.
Beim Anblick der Sterne klappt einem die Kinnlade runter
Das Gute und das Böse residieren in den Weiten des Weltalls. Und was für Residenzen das sind: eine riesige gotische Kathedrale sowie ein nicht minder großer barocker Palast. Beide schweben als Raumschiffe durchs All, und bei dem Anblick der Sterne, die durch die Buntglasfenster funkeln, klappt einem die Kinnlade herunter.
Bruno Dumont nimmt sich damit eines uralten Themas an: Gut gegen Böse, der Kampf um das Prinzipielle. Anfangs dümpelt „Das Imperium“ noch etwas langsam und unmotiviert dahin, doch wenn man sich einmal an das seltsame und zugleich höchst komische Setting gewöhnt hat und sich auf die Ironie des Ganzen einlässt, dann kann man sich im Kinosessel zurücklehnen und auf den unausweichlichen Mega-Showdown im All freuen.
„Das Imperium“ ist ein vollkommen absurder, surrealer Film, der sich an keiner Stelle ernst nimmt. Es ist eine einzige Satire auf den schon tausendfach erzählten Kampf zwischen Gut und Böse, voller grotesker und witziger Momente. Der B-Movie-Stil überrascht nicht, hat Bruno Dumont doch schon in Filmen wie „L’humanité“ oder „France“ gezeigt, dass das Konventionelle ganz und gar nicht sein Metier ist.
Bei genauerem Hinsehen stellt man fest: Über all dem grotesken Sci-Fi-Witz steht eine einfache und doch oft verkannte Wahrheit. Es gibt eben nicht nur Gut und Böse, Jin und Jang, Schwarz und Weiß. Vielleicht gibt es diese Pole gar nicht, sondern nur alles dazwischen, die Verflechtungen von beiden Extremen. Diese binären Extreme treibt Dumont in seinem „Imperium“ auf eine absurde Spitze, übertreibt und überzeichnet sie, auf unterhaltsam irre Weise.
Dumont bezeichnet seine Filme als „intellektuelle Irritation“, und genau das ist auch „Das Imperium“, der wohl intellektuell und irritierend genug war, um es in den Wettbewerb der letzten Berlinale zu schaffen. Allein: Die Erkenntnis, dass unsere Welt eben nicht nur aus Schwarz und Weiß, aus Gott und Teufel besteht, ist keinesfalls neu. Eine Bereicherung für das Kino-Publikum ist „Das Imperium“ aber allemal, und auf der Berlinale 2024 gab’s dafür sogar den Silbernen Bären.
- Das Imperium (L’Empire) Frankreich/Deutschland/Portugal/Italien 2024; 110 Min.; R: Bruno Dumont; D: Lyna Khoudri, Anamaria Vartolomei, Camille Cottin, Fabrice Luchini; Kinostart: 21.11.
Rückblick auf die Berlinale 2024: Alle Wettbewerbsfilme, alle Rezensionen. Paul Mescal tritt in die Fußstapfen von Russell Crowe: Unsere Kritik zu Ridley Scotts „Gladiator“. Ein Antikriegsfilm, aber aus einer anderen Perspktive: So ist Steve McQueens „Blitz“. Vor 35 fiel die Mauer: Wir empfehlen euch 12 Filme zur Wende. „Mich hat Sex immer mehr interessiert als Gewalt“: „Anora“-Regisseur Sean Baker im Interview. Für seinen neuen Film bekam Pedro Almodóvar in Venedig den Goldenen Löwen: Unsere Kritik zu „The Room Next Door“. Was läuft sonst gerade? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.