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„Der Meister und Margarita“ karikiert das System Putin

Der russischstämmige Regisseur Michael Lockshin hat den Klassiker „Der Meister und Margarita“ verfilmt. Hierfür drehte er in Moskau, das Budget kam aus der staatlichen Kulturförderung. Das überrascht nicht nur tip-Kritiker Michael Meyns, schließlich stellt die Neuinterpretation eine offensichtliche Kritik an Putin dar.

Die Klassikerverfilmung „Der Meister und Margarita“ ist als klare Zensurkritik zu verstehen. Foto: Capelight Pictures

Dass diese Neuverfilmung des legendären Romans von Michail Bulgakow in Putins Russland entstand, hat den betreffenden Kulturfunktionär hoffentlich nur den Job gekostet. Zu übersehen, welche Sprengkraft in dem Ende der 30er Jahre geschriebenen, Jahrzehnte verbotenen und erst in den 60er Jahren veröffentlichten Roman steckt, das muss man erst einmal hinbekommen. So bekam der in den USA geborene, russischstämmige Regisseur Michael Lockshin sehr viel Geld von der staatlichen Kulturförderung – 17 Millionen Euro soll das Budget betragen haben – und konnte in Moskau seine Version von „Der Meister und Margarita“ drehen. Jenen Roman also, den Bulgakow als Reaktion auf die stalinistischen Säuberungsaktionen der späten 30er Jahre schrieb, der unverhohlen autobiographisch vom Schicksal eines Künstlers erzählt, der mit seiner Zeit und der Zensur hadert.

Staatliche Förderung für einen Skandalfilm

Namenlos bleibt dieser Autor (Jewgeni Zyganow), der gerade an einem Theaterstück schreibt: Die Geschichte von Pontius Pilatus soll erzählt werden, dem römischen Statthalter, der Jesus zum Tod am Kreuz verurteilte. Doch die Zensur verbietet das Stück, der Autor wird zur Selbstkritik gezwungen, bleibt immerhin auf freiem Fuß – und begegnet kurz darauf einem dunkel gekleideten Fremden Namens Woland. Gespielt wird er von August Diehl, der die Verbindungen nach Deutschland, zur deutschen Kultur, zu Goethe noch deutlicher werden lässt: Denn Woland erweist sich als leibhaftiger Teufel, der den Autor dazu verführt, seinen Stoff in einem satirischen Roman zu verarbeiten und ihm auch noch eine schöne Frau, kein Gretchen, aber eine Margarita (Julija Snigir) zur Seite stellt.

Lose hält sich Lockshin an die Vorlage, die als notorisch unverfilmbar galt, fürs russische Fernsehen dennoch schon des Öfteren adaptiert wurde. Nie jedoch mit so großem Aufwand, mit so viel Geld, was der bislang nur für den Netflix-Film „Silver Skates“ bekannte Regisseur zu oft überbordenden Bildern nutzt, die mal kitschig wirken, dann wieder auf eindrucksvolle Weise die phantastischen Elemente des Romans in Szene setzen.

„Der Meister und Margarita“ erinnert an ein anderes Russland

Dem russischen Publikum hat es gefallen, obwohl oder vielleicht auch gerade, weil Lockshins Neuverfilmung so offensichtlich auch als Reaktion auf das putinsche Russland und die damit einhergehende Zensur zu verstehen ist. „Der Meister und Margarita“ entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten russischen Filme in jüngerer Vergangenheit. Lockshin selbst musste Russland längst verlassen und lebt im amerikanischen Exil. Sein Film erinnert daran, dass es trotz allem auch ein anderes Russland gibt, das vielleicht nach der Putin-Ära wieder stärker sichtbar werden wird.

  • Der Meister und Margarita (Master i Margarita) Russland 2024; 157 Min.; R: Michael Lockshin; D: Jewgeno Zyganow, August Diehl, Julija Snigir; Kinostart: 1.5.

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