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„Der phönizische Meisterstreich“ ist einer der besten Wes-Anderson-Filme

In seinem neuen Film „Der phönizische Meisterstreich“ hat Wes Anderson wieder einmal ein beachtliches Star-Ensemble versammelt: Bill Murray, Benicio del Toro, Michael Cera, Scarlett Johansson und Co. bevölkern in Pastellfarben und höchst symmetrisch die Leinwand. tipBerlin-Filmkritiker Bert Rebhandl findet, Wes Anderson ist mit „Der phönizische Meisterstreich“ einer seiner schrägsten, aber auch einer seiner besten Filme gelungen.

Wie immer gibt es in Wes Andersons Filmen familiäre Probleme: Liesl (Mia Threapleton) kennt ihren Vater Zsa Zsa Korda (Benicio del Toro) gar nicht richtig. Foto: TPS Productions/Focus Features

In „Der phönizische Meisterstreich“ ruft Wes Anderson das Zeitalter des Gapitalismus aus

Viele Menschen denken derzeit darüber nach, wie man den Kapitalismus überwinden könnte. Der Sozialismus hat als Alternative vielleicht noch Potential, sollte aber nicht so aussehen wie in der DDR oder derzeit in Venezuela. Der amerikanische Filmemacher Wes Anderson hat nun einen Vorschlag für ein ganz neues System gemacht: Mit „Der phönizische Meisterstreich“ ruft er das Zeitalter des Gapitalismus aus. Gemeint ist damit nicht die Modekette, sondern der tiefere Sinn des englischen Wortes „the gap“: Spalte, Lücke, Abstand. Eine Lücke entsteht zum Beispiel, wenn in einem neuen Tunnel von beiden Eingängen her Schienen verlegt werde, am Ende aber ein paar Meter fehlen. Im Film ist das eine Schlüsselszene.

Der Mann, der den Tunnel bauen ließ, heißt Zsa Zsa Korda, er ist die zentrale Figur. Ein Unternehmer alten Formats, eine Figur eher aus dem frühen 20. als aus dem 21. Jahrhundert. Von Wes Anderson wissen wir, dass er für diese Epoche etwas übrig hat, zu denken wäre vor allem an „The Grand Budapest Hotel“. Korda (Benicio del Toro spielt ihn mit Zügen ins Opernhafte) fliegt mit einer Maschine seiner eigenen Airline rund um die Welt und schiebt überall Projekte an, bei denen aber oft etwas fehlt, um sie vollständig umzusetzen. Sie scheitern an einer Lücke in der Kapitalausstattung oder der diplomatischen Beziehungen.

„Der phönizische Meisterstreich“ soll Schwerunternehmer Zsa Zsa Korda (Benicio del Toro, links) dabei helfen, die letzten Eisenbahnmeter zu finanzieren. Foto: TPS Productions/Focus Features

Weil Korda sich schon viele Feinde gemacht hat, gibt es regelmäßig Anschläge auf sein Leben, regelmäßige Bruchlandungen mit dem Flugzeug, und eine ganze Armada an Figuren mit zweideutiger Agenda – entsprechend reich ist das Ensemble wieder besetzt: Scarlett Johannson, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Bill Murray (mit einem kurzen Karrierehöhepunkt!), Benedict Cumberbatch, Michael Cera, Riz Ahmed.

Erzählt wird das alles im typische Anderson-Bastelstubenstil, mit vielen Reißschwenks, weil es einem dauernd den Kopf verdreht vor lauter absurden Wendungen. Wie immer in seinem Werk beschwört Anderson dabei eine Epoche herauf, die einerseits historisch erkennbar ist, andererseits natürlich komplett seine eigenwillige Erfindung ist. Zsa Zsa Korda können wir als eine Hommage an Alexander Korda nehmen, einen legendären Filmproduzenten, geboren 1893 in Pusztatúrpásztó (der Name ist zu großartig, um ihn nicht zu nennen). Er war an Klassikern wie „Der dritte Mann“ beteiligt, steht aber vor allem für ein farbenfrohes Abenteuerkino mit Titeln wie „Vier Federn“ oder „Der Dieb von Bagdad“.

Meta-orientalistischer Geniestreich

Heute würde man diese Filme als unverhohlen orientalistisch sehen, und damit hat man auch einen Schlüssel zu „Der phönizische Meisterstreich“. Denn Anderson macht in einem meta-orientalistischen Geniestreich das alte Seefahrervolk der Phönizier zu seiner oder genauer zu Zsa Zsa Kordas Republik – ein neues Imperium, das vor allem auf „unvollendete Projekte“ gebaut ist.

Dieser Gapitalismus ist deutlich auch eine Allegorie auf die Republik des Kinos, wo ja viele Filme wegen einer Lücke in der Finanzierung nicht zustande kommen. Wes Anderson ist glücklicherweise als Marke so etabliert und hat mit dem Studio Babelsberg eine gute Arbeitsbeziehung, sodass er inzwischen jedes noch so schräge Ding nach exakt eigenen Vorstellungen verwirklichen kann. „Der phönizische Meisterstreich“ ist einer seiner schrägsten, aber auch einer seiner besten Filme.

  • Der phönizische Meisterstreich (The Phoenician Scheme) USA 2025; 101 Min.; R: Wes Anderson; D: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera; Kinostart: 29.5.

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