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Rückblick

Die 12 besten Filme 2021: Von „Martin Eden“ über „The Last Duel“ bis „Nomadland“

Es war ein komisches Kinojahr, weil die Kinos ja fast die Hälfte der Zeit geschlossen waren. Trotzdem war es spanennd, und es gab viele tolle Filme. Wir haben zwölf davon ausgesucht, die für 2021 stehen, eine Mischung aus Genres und Herkunftsländern. Eine Liste der tipBerlin-Filmredaktion, erstellt von Lars Penning, Bert Rebhandl. Alexandra Seitz und Carolin Weidner


„Martin Eden“ von Pietro Marcello

„Martin Eden“ von Pietro Marcello. Foto: Piffl

Martin Eden ist ein Seemann mit schriftstellerischem Ehrgeiz in Neapel. Er gewinnt Zugang zu den bürgerlichen Orsinis, seine Liebe zu Elena zerbricht jedoch an der Intensität, mit der er nach Erfolg und nach der Kraft des Wortes sucht. Mit seiner Verfilmung von Jack Londons Hauptwerk „Martin Eden“ schafft Pietro Marcello eine große Geschichte über die Widersprüche des 20. Jahrhunderts, und ein Meisterwerk des modernen Kinos.


„Drive My Car“ von Ryusuke Hamaguchi

„Drive My Car“ von Ryusuke Hamaguchi. Foto: Rapid Eye Movies

Der Theaterregisseur Yûsuke Kafuku und seine von einem Festival in Hiroshima bestellte Fahrerin Misaki, die beide in der Vergangenheit seelische Verletzungen erfahren und Dramatisches erlebt haben, nähern sich bei langen Autofahrten einander langsam an, und beginnen, sich auszusprechen. Der komplexe Film von Ryûsuke Hamaguchi beruht auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami und verfolgt die grundsätzliche Idee, dass man sich anderen Menschen öffnen und die eigenen Verletzungen zugeben können sollte. Immer bloß stur weitermachen und so tun, als sei nichts, führt ins Unglück. Eine ausführliche Rezension zu „Drive My Car“ findet ihr hier.


„The Last Duel“ von Ridley Scott

„The Last Duel“ von Ridley Scott. Foto: Disney

Das letzte staatlich sanktionierte Duell in Frankreich ist Ausgangspunkt von Ridley Scotts Historienfilm „The Last Duel“, der in atemberaubender Ausstattung und Starbesetzung die Welt des Mittelalters evoziert. Vor allem aber eine Welt zeigt, in der Frauen Objekte waren, Spielball der Männer, und Vergewaltigungen nicht als Verbrechen an einer Frau betrachtet wurden, sondern als Ehrverletzung ihres Ehemanns.


„Promising Young Woman“ von Emerald Fennel

„Promising Young Woman“ von Emerald Fennell. Foto: Universal

Nicht zufällig heißt die Protagonistin in Emerald Fennels Spielfilmerstling „Promising Young Woman“ Cassie, kurz für Cassandra, verweist das doch die tragische Seherin in der griechischen Mythologie. Einmal wöchentlich geht Cassie (fantastisch: Carey Mulligan) in anderer Verkleidung in einen Club, um als scheinbar Betrunkene die Doppelmoral der netten Typen zu entlarven, die erst hilfsbereit tun, dann aber Cassies vermeintlich bewusstlosen Zustand ausnutzen möchten. Doch die wöchentliche Spielerei ist nur Zeitvertreib. Als Cassie einem ehemaligen Studienkollegen begegnet, findet sie zu ihrer eigentlichen Mission zurück: Jetzt soll es endlich diejenigen treffen, die während ihrer Collegezeit an der Vergewaltigung ihrer Freundin Nina und an deren Vertuschung beteiligt waren.

Die vielversprechende junge Frau plant ihren Rachefeldzug mit einer To-Do-Liste. Auch die Regisseurin, die auch das Oscar-prämierte Drehbuch geschrieben hat, dürfte eine solche Liste geführt haben, denn „Promising Young Woman“ rechnet systematisch mit sämtlichen Figurentypen der Filmgeschichte der vergangenen 40 Jahre ab: Der Nice Guy, das Manic Pixie Dream Girl, das Bitchy Girlfriend und der Best Buddy – sie alle bekommen als aktive und passive Stützen der Rape Culture ihr Fett weg. Inszeniert ist die Neuinterpretation des Rape-Revenge-Thrillers wendungsreich und mit viel Freude an der Ausstattung. Getragen von einem grandiosen Ensemble, das vorrangig aus populären Serien bekannt ist, und einem poppigen Soundtrack ist „Promising Young Woman“ nicht nur ein kluges, sondern auch ein mitreißendes Kinoerlebnis.


„The Trouble With Being Born“ von Sandra Wollner

„The Trouble With Being Born“ von Sandra Wollner. Foto: Panama Film

In einem einsamen Haus lebt Georg mit seiner Tochter Ellie. Sie hängen gemeinsam am Pool ab, manchmal stellt Ellie eine Frage, als wäre sie nicht ganz sicher, ob sie sich an alles richtig erinnert. Doch in Wirklichkeit erinnert sie sich überhaupt nicht. Denn Ellie ist eine Maschine, ein menschenähnlicher Roboter, ein Ersatz für ein Lebewesen, das es einmal gegeben haben mag. Und Ellie ist auch ein Sexspielzeug für Georg, der wie mit einer Puppe seinen inzestuösen Neigungen nachgeht.

Die Pointe an dieser Geschichte, wie sie der Film „The Trouble with Being Born“ erzählt, besteht darin, dass sie aus der Perspektive von Ellie erzählt wird. Sandra Wollner beschäftigt sich mit einem klassischen Topos der neueren Science-Fiction: wann wird künstliche Intelligenz so intelligent, dass sie einem menschlichen Bewusstsein zu ähneln beginnt? Wann fängt eine Maschine an, zu denken, zu fühlen, und mehr zu lernen, als es ihr Programm vorsieht?

Sandra Wollner ist gebürtige Österreicherin, sie hat in Ludwigsburg studiert, und lebt inzwischen in Berlin. Ihr erster Film „Das unmögliche Bild“ war ein spannendes Spiel mit Home Movies und trügerischen Erinnerungen. Nun bringt sie ihr eigentliches Thema, die Abgründe der Subjektivität, mit einem höchst spannenden Erzählexperiment in die Gegenwart.


„Herr Bachmann und seine Klasse“ von Maria Speth

„Herr Bachmann und seine Klasse“. Foto: Grandfilm

2017 hat Maria Speth ein halbes Jahr lang in einer Schule im hessischen Stadtallensteig den Alltag beobachtet. Daraus hat sie einen dreieinhalbstündigen Film montiert, der ein großes Zeugnis über das multikulturelle Deutschland und die Chancen einer „durchlässigen“ Pädagogik darstellt. Lief auf der Berlinale, wurde zu Recht mit einem Preis bedacht.


„Nomadland“ von Chloe Zhao

„Nomadland“ von Chloe Zhao. Foto: 20th Century Fox

„Ich bin nicht obdachlos, ich bin nur Haus-los. Das ist nicht dasselbe“, versucht Fern einem Mädchen zu erklären, dem sie früher einmal Nachhilfe gegeben hat. Damals hatte sie noch ein „normales“ Leben – ehe die Minen eines Gipsunternehmens schlossen und Empire, Nevada zu einer Geisterstadt wurde. Ehe Ferns Mann verstarb. Irgendwann hat die Frühsechzigerin dann ein paar Sachen in einen Van gepackt, der nun ihr Heim ist.
Fern fährt der Gelegenheitsarbeit nach, eine ganze Infrastruktur hat sich auf die Wanderarbeiter eingerichtet: Weihnachtsgeschäft bei Amazon, Putzen auf dem Campingplatz, Hamburgerbraten im Schnellrestaurant. Dabei trifft sie auf eine Gemeinschaft von Menschen mit völlig unterschiedlichen Motivationen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Man hilft sich gegenseitig, gibt sich praktische Tipps, passt aufeinander auf.

Das Bild, das Regisseurin Chloé Zhao mit der fantastischen Frances McDormand als Fern (und vielen authentischen „Nomaden“ in den anderen Rollen) von diesem Leben zeichnet, ist kein wütendes oder überhaupt gesteigert dramatisches von Verlierern des neoliberalen Turbokapitalismus – obwohl das durchaus auch anklingt. Vielmehr driften die Figuren mit ihren individuellen Lebensgeschichten melancholisch durch die endlosen Cinemascope-Weiten des amerikanischen Westens – allein, aber eben doch nicht wirklich allein. Über Nomaden in Berlin lest ihr übrigens hier: Hauptstadtleben zwischen Fahrersitz und Auspuff.


„Die Unbeugsamen“ von Torsten Körner

„Die Unbeugsamen“ von Torsten Körner. Foto: Majestic

Die Geschichte der tapferen Politikerinnen der Bonner Republik, die nicht zuletzt Kanzlerin Merkel den Weg bereiteten, erzählt Torsten Körner in seinem adäquat betitelten Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“. Mit seiner gekonnten Montage aus historischem Material, aktuellen Interviews und sanft ironischen Querschlägern ist „Die Unbeugsamen“ ein außerordentlich mitreißender Dokumentarfilm; er ist unterhaltsam, lehrreich, aufrüttelnd, amüsant, erschreckend, erstaunlich, ohne je überheblich, pampig oder offensichtlich didaktisch zu werden. Und er zeigt die Politik als eine ernstzunehmende und mit Ernst zu verrichtende Arbeit, also als etwas, das von Zeitläuften, die sich dem Primat des Wachstums endgültig unterworfen zu haben scheinen, mittlerweile fast schon überholt ist.

Zu Wort kommen unter anderem Herta Däubler-Gmelin, Marie-Elisabeth Klee, Ursula Männle, Christa Nickels, Ingrid Matthäus-Maier, Renate Schmidt und Rita Süssmuth. Und erzählt wird auch von Petra Kelly und Hannelore Kohl, die ihre Kraft und ihr Talent im Gravitationsraum Bundespolitik an der Seite sogenannter bedeutender Männer hergaben, und die schließlich aufgesogen wurden. Zwei Frauen mit tragischem Schicksal, das ja, aber Opfer?


„Jack’s Ride“ von Susana Nobre

„Jack’s Ride“ von Susana Nobre. Foto: Terratreme Films

Am Ende eines langen Arbeitslebens zählt meist nicht mehr, was ein Mensch getan hat. Gezählt werden einfach die Jahre, aus denen sich ein Pensionsanspruch ermisst, der dann häufig enttäuschend ist. Bei Joaquim „Jack“ Calcada, 63, fehlen noch ein paar Jahre. Er will deswegen um Arbeitslosenunterstützung ansuchen, muss dafür aber erst einmal nachweisen, dass er Arbeit sucht. Das ist in Portugal nicht anders als in Deutschland. Susana Nobres Film „Jack’s Ride“ („No táxi do Jack“) erzählt von den Fahrten, die Jack unternimmt, um die entsprechenden Stempel zusammenzubekommen. Nobre erzählt aber auch von der abenteuerlichen Biographie dieses eigenwilligen Mannes, der sich ein wenig wie ein Double von Elvis Presley inszeniert, mit Haartolle und Lederjacke. Jack war nämlich lange weg, er ging 1972 nach Amerika, und kam erst zwanzig Jahre später zurück. Er hat damit ein entscheidendes Kapitel der jüngeren portugiesischen Geschichte versäumt, die Revolution 1974 und die anschließende Demokratisierung. Was er hingegen mitbekommen hat, sind die sozialen Probleme, die in der modernen Wirtschaft einfach dazu gehören, wie es scheint.

„Jack’s Ride“ ist ein merkwürdiges Mischwesen. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Dokumentarfilm, erweist sich zunehmend als komplexes Spiel mit Erinnerungen und Einbildungen. Vor allem die Zeit von Jack in Amerika sieht zum Teil aus wie ein Gangsterfilm aus dieser Zeit, und tatsächlich häufen sich Andeutungen über seine Kontakte zum organisierten Verbrechen, aber auch zu großen Stars der Epoche, namenlich wird zum Beispiel Muhammad Ali genannt.

Ob Jack einfach ein Aufschneider ist, oder ob ihm zu viele Kinobesuche in seinem Gedächtnis herumspuken, muss nicht entschieden werden, denn „im Taxi von Jack“ haben sowohl Realismus wie auch Mythologie Platz. Und Susanna Nobre bringt uns einen Menschen näher, vom dem sie zugleich dezidiert offen lässt, ob er vielleicht aus dem frühen Scorsese-Film in eine schnöde Wirklichkeit gefallen ist, oder ob er einfach die Strahlkraft des Kinos in seinen Lebensabend hinein verlängern möchte.


„Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ von Sabine Herpich

„Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ von Sabine Herpich. Foto: Peripher

Das Bodemuseum mag Suzy van Zehlendorf nicht. Drin war sie allerdings noch nie, erzählt sie, denn: Sie mag das Gebäude nun mal einfach nicht. Ein „Skulpturenknast“ sei das. Deshalb sind bei ihrem Modellnachbau des Museums auch vergitterte Fenster zu sehen. Später soll das Modell aus Styropor und Holz dann noch mit Dartpfeilen beworfen und die Skulpturen befreit werden. Ein sehr entschiedener Beitrag zum Thema Freiheit der Kunst. Der heute 85-jährige Adolf Beutler malt an seinen Bildern voller feiner Linien oft monatelang. Als Künstler ist er mittlerweile weltweit anerkannt: Seine Bilder verkaufen sich gut, Ausstellungen hatte Beutler schon in Spanien, den USA und der documenta-Halle in Kassel. Die überwiegend getuschten Bilder von Till Kalischer handeln hingegen oft von städtischer Infrastruktur, die er sodann mit Figuren und geschriebenen Worten verknüpft: kleine Geschichten aus großen Städten.

Alle drei Künstler:innen arbeiten in der Kunstwerkstatt der Spandauer Zweigstelle der Mosaik-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Regisseurin Sabine Herpich schaut ihnen in ihrem Dokumentarfilm „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ (ein Suzy-van-Zehlendorf-Zitat) meist einfach bei der Arbeit zu: ruhig, geduldig und voller Respekt für die Künstler:innen und ihr Werk. Die wenigen informativen Passagen stehen hier im Zusammenhang mit der Planung von Ausstellungen oder mit PR-Terminen, bei denen die Arbeit der Kunstwerkstätten ein wenig erläutert wird.

Insbesondere Adolf Beutler ist seit einem Jahrzehnt geradezu ein Star der sogenannten Außenseiterkunst. Für Sabine Herpich schließt sich dabei aber vor allem die Frage an, warum die Kunst von behinderten Menschen immer noch anders wahrgenommen wird als jene von Nichtbehinderten. Wer kann sich schon anmaßen, zu entscheiden, welche bewussten oder unbewussten Prozesse kreativer Arbeit zugrunde liegen? Kunst ist die Erforschung und Aneignung der Welt mit künstlerischen Mitteln. Und das können Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen genauso gut wie jede:r andere auch.


Walchensee forever

„Walchensee forever“ von Janna Ji Wonders. Foto: Farbfilm

Das Haus, in dem Anna Werner aufwuchs, könnte kaum idyllischer gelegen sein. Der Walchensee liegt direkt vor der Tür, dahinter eine Gebirgslandschaft. Aus der Kindheit gibt es Filme, in denen das Leben am Wasser wie ein langes Fest der Lebendigkeit wirkt. Und viele von den Bildern, auf denen die Erinnerungen an damals verewigt sind, stammen von Anna selbst, denn sie wählte das Fotografieren als Beruf. Zum Glück wurde auch sonst fast alles aufgehoben in dem Haus am Walchensee, sodass Janna Ji Wonders für ihren Dokumentarfilm „Walchensee forever“ aus dem Vollen schöpfen konnte. Sie ist die Tochter von Anna Werner, und sie erzählt nun die Geschichte ihrer Familie. Und zwar auf eine sehr intime Weise, die zugleich aber auch viel von der größeren Geschichte in sich enthält. Im Zentrum steht Anna, die wichtigste Zeugin. Sie muss auch für ihre Schwester Frauke sprechen, die jung bei einem Verkehrsunfall starb. Es gibt Gründe für die Vermutung, sie wäre absichtlich gegen einen Baum gefahren.

Frauke war immer diejenige, die „extreme Erfahrungen“ suchte, und so ist „Walchensee forever“ auch ein Stück Trauerarbeit über die „Schatten“, die in fast allen Biografien irgendwo auftauchen. Janna Ji Wonders hatte das Glück, auch noch ausführlich mit ihrer Großmutter drehen zu können, die über hundert Jahre alt wurde. Und sie konnte für „Walchensee forever“ nicht nur auf die Zeugnisse vor allem von Anna setzen, sondern eben auf einen regelrechten Schatz an Bildern, Home Movies und anderen Dokumenten aus vielen Jahrzehnten. So wurde auch unter Protest mancher Familienstreit verewigt. In Rückblick ist jedes Dokument wertvoll und von Interesse. Und in „Walchensee forever“ wird alles zu einer sehr sehenswerten Familiengeschichte zusammengefügt.


„Candyman“ von Nia DaCosta

„Candyman“ von Nia DaCosta. Foto: Universal

Der Stadtteil Cabrini-Green im nördlichen Teil von Chicago ist vor allem bekannt, weil 1992 in dem Horrorfilm „Candyman“ von Bernard Rose die gleichnamige Slasher-Figur dort umging. Es war ein Meilenstein des afroamerikanischen Kinos, und so leuchtet es unmittelbar ein, dass nun ein neuer „Candyman“ herauskommt, der mit seinem Titel offensichtlich bewusst im Unklaren lässt, ob es sich nun um eine Fortsetzung oder um ein Remake handelt. Die Produzenten sprechen von einem Reboot, also soviel wie einem Neustart oder einer Neuaufsetzung. In vielerlei Hinsicht ist dieser „Candyman“ unter der Federführung der hochinteressanten Regisseurin Nia DaCosta und mit Autorenbeteiligung von Jordan Peele („Get Out!“) ein Versuch, Mythologien des Schwarzen Amerika zusammenzuführen und sie mit den Aufstiegshoffnungen einer neuen Mittelklasse in Beziehung zu setzen.

Das wird an dem Paar deutlich, das im Mittelpunkt der Erzählung steht: der Maler Anthony und seine Partnerin Brianna, eine Galeristin und Kuratorin, leben in dem neuen Cabrini-Green. Anthony beginnt sich obsessiv mit der Geschichte vom Candyman zu beschäftigen, einer Horrorfigur, die bevorzugt in Spiegeln erscheint. Ein Schwarzer Mann, dem eine Hand fehlt, ein Wiedergänger und Abkömmling von Opfern des grausamen amerikanischen Rassismus. Der Schrecken der urbanen Legende vom Candyman liegt für Anthony darin, dass ihm gerade deswegen, weil er ein Schwarzer Künstler ist, der Weg aus den Mythologien seiner Community versperrt sein könnte. Nia Da Costa konfrontiert die alte Sage mit den zwei Systemen der neueren Stadtentwicklung und eines Kunstfelds, das ganz im Zeichen derselben ökonomischen Logiken steht, die sich auch in den entsprechenden Wohnungen zeigen. „Candyman“ ist einer der klügsten (und stellenweise auch unheimlichsten) Horrorfilme der letzten Jahre.


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