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„Die Unbeugsamen 2“: Kampf gegen das Ost-Patriarchat

Regisseur Torsten Körner hat in seinem Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ starke Politikerinnen der Bonner Republik porträtiert und ihre Kämpfe sichtbar gemacht. Jetzt legt er mit der Fortsetzung „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen!“ nach und richtet den Blick folgerichtig auch auf die Frauen der DDR. tipBerlin-Kritikerin Paula Schöber findet: „Die Unbeugsamen 2“ ist ein wichtiger und herausragender Film, der unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält.

Stark und selbstbewusst – aber auch gleichberechtigt? Renate Strothmann in der DEFA-Dokureihe „Wittstock“. Foto: Majestic/Deutsche Fotothek/Gerhard Weber

„Die Unbeugsamen 2“ fragt, wie gleichberechtigt die Frauen in der DDR waren

Die Frauen der DDR hatten den Frauen der BRD auf dem Papier viel voraus: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau war in der DDR-Verfassung von 1949 festgeschrieben, Frauen durften von der Staatsgründung an arbeiten gehen, während ihre Geschlechtsgenossinnen im Westen in dieser Hinsicht noch bis 1977 von der Gnade ihres Ehemannes abhängig waren, und bereits 1972 erlaubte die DDR-Führung Schwangerschaftsabbrüche. Die staatlich verordnete Emanzipation der Frau war allerdings nur die halbe Wahrheit. Die weibliche Hälfte der DDR-Bevölkerung durfte weniger arbeiten, als dass sie es aus staatsökonomischen Gründen schlicht musste. Zudem verdienten Frauen weniger als ihre männlichen Kollegen und mussten sich zusätzlich zu ihren Vollzeit-Jobs auch noch um Haushalt und Kinder kümmern. Und in hohen Führungspositionen waren Frauen in der DDR, erst recht in der Politik, kaum anzutreffen.

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Diese beiden Wahrheiten bringt der Dokumentarfilmer Torsten Körner in „Die Unbeugsamen 2“ zusammen, der Untertitel „Guten Morgen, Ihr Schönen!“ ist dem Werk von Maxie Wander entlehnt. Dabei geht Körner nach demselben Konzept vor wie bei seinem 2021 erschienenen Publikumshit „Die Unbeugsamen“ über die starken Frauen der Bonner Republik: 15 ostdeutsche Frauen holt er vor die Kamera, lässt sie von ihren Erfahrungen als Frau, Mutter, Tochter in der DDR erzählen. Daneben stellt er ihnen zahlreiche Archivaufnahmen aus dem DDR-Alltag, DEFA-Dokumentationen aus dem Betrieb ebenso wie Szenen aus Spielfilmen wie „Solo Sunny“ und „Die Legende von Paul und Paula“ an die Seite.

Monumentale Wandbilder wie das Mosaik „Frieden“ von Walter Womacka in Berlin Marzahn künden von einer idealen sozialistischen Welt – und machen sich in „Die Unbeugsamen 2“ auf der großen Leinwand besonders gut. Foto: Majestic/Anne Misselwitz

Der Titel macht es schon klar: „Die Unbeugsamen 2“ ist zweifelsohne eine Fortsetzung, war doch nach dem Erfolg des ersten Films klar, dass nach den starken Frauen in der westdeutschen Politik auch die Frauen in der DDR zu Wort kommen mussten. Doch einfach denselben Film drehen, nur diesmal hinter dem Eisernen Vorhang, wäre nicht sonderlich ergiebig geworden. Während in der BRD mit der Zeit immer mehr Frauen in die Politik drängten und schließlich auch immer höhere politische Ämter bekleideten, sah es in der DDR mau aus: In 40 Jahren DDR gab es gerade einmal drei Ministerinnen und zwei weibliche Mitglieder des Politbüros, die allerdings nicht einmal das Stimmrecht besaßen. An der Arbeitsfront waren Frauen ganz vorne dabei, in der Politik mitmischen sollten sie aber nicht. 

Der Untertitel „Guten Morgen, Ihr Schönen“ ist dem Kultbuch von Maxie Wander entlehnt

So musste Torsten Körner, der neben den „Unbeugsamen“ bereits Angela Merkel und Gerhard Schröder filmisch porträtierte, andere Protagonistinnen finden, einen neuen Zugang suchen. Im Pressestatement zum Film erklärt Körner, nach Überlegungen, den Film über Schauspielerinnen, Arbeiterinnen oder Schriftstellerinnen zu erzählen, entstand schließlich die Idee, sich ein Erzählkonzept von Maxie Wander abzugucken. In ihrem Kultbuch „Guten Morgen, du Schöne“ hatte die österreichisch-deutsche Schriftstellerin unterschiedlichste Frauen porträtiert, sie aus ihrem Leben als Frau erzählen lassen. So wie Maxie Wander diesen Frauen zuhörte, ihre Biografien mit dem Kassettenrekorder aufnahm, die Protokolle verschriftlichte und verdichtete und zu einer Sammlung abrundete, wollte auch Regisseur Körner seinen Protagonistinnen zuhören, ihre Geschichten nebeneinander stellen und ihnen eine Dramaturgie geben. Die „Methode Wander“ nennt Körner das. Und das ist ihm gelungen.

Die Künstlerin Gabriele Stötzer ist eine von den 15 Frauen, die Regisseur Torsten Körner in „Die Unbeugsamen 2“ zu Wort kommen lässt. Foto: Majestic/Anne Misselwitz

Ist die Emanzipation der Frau das größte Erbe der DDR?

Torsten Körner hört ganz verschiedenen Frauen zu, Frauen mit unterschiedlichen Ansichten, aber auch mit unterschiedlichen Biografien: Arbeiterinnen und Künstlerinnen, Integrierte und Widerständige. Er lässt unter anderem die langjährige Oberbürgermeisterin von Potsdam, Brunhilde Hanke, genauso zu Wort kommen wie die Metallurgin Katrin Seyfarth, die erste weibliche Schlagzeugerin der DDR, Tina Powileit, und die erste und einzige Gleichstellungsbeauftragte der DDR, Marina Grasse.

Und natürlich haben diese unterschiedlichen Frauen auch unterschiedliche Sichtweisen auf ihre Situation als Frau in der DDR: Während sich zum Beispiel die DEFA-Regisseurin Barbara Mädler und die Künstlerin Gabriele Stötzer einig darin sind, dass die Frauen in der DDR schlicht als dringend benötigte Arbeitskräfte ausgebeutet wurden, findet die Historikerin Annette Leo, „dass die Emanzipation der Frau das größte Erbe der DDR ist“.

Ebenso wie im ersten Teil verzichtet Körner auf jegliche Kommentierung, lässt die Archivaufnahmen und Erzählungen seiner Protagonistinnen für sich stehen. Und ebenso wie im ersten Teil liegt genau darin die Stärke des Films: Wenn etwa die damals jüngste LPG-Vorsitzende Solveig Leo erzählt, wie sie das Busengrapschen eines Kollegen direkt mit einer Ohrfeige quittierte, oder zusammen mit der einzigen anderen weiblichen Auszubildenden den Traktorführerschein bestand, aber trotzdem von den Männern, die allesamt durch die Prüfung gefallen waren, belehrt wurde. Oder wenn die Malerin Doris Ziegler sich an ihr Aufnahmegespräch an der Kunsthochschule erinnert, bei dem der renommierte Maler und Professor Werner Tübke ihr das Studium ausreden wollte, weil das ja nichts für eine junge Frau wie sie sei.

„Die Unbeugsamen 2“ lebt auch von den vielen Archivaufnahmen, wie hier die Schlagzeugerin Tina Powileit, die zu den den portätierten Frauen gehört und in den 1980ern in der ersten Frauen-Band der DDR spielte. Foto: Majestic/Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf

Der Kampf der Ost-Frauen für echte Gleichberechtigung war im Vergleich zu dem ihrer West-Genossinnen etwas leiser, weniger sichtbar, nicht zuletzt, weil ihnen eine politische Plattform, ein Aufbegehren im Unrechtsstaat DDR größtenteils verwehrt blieb. Und so ist auch Körners zweiter „Unbeugsamen“-Film etwas ruhiger, etwas weniger aufbrausend, aber trotzdem nicht weniger empörend.

Regisseur Torsten Körner macht in seinen „Die Unbeugsamen“-Filmen die Kämpfe der Frauen in Ost und West sichtbar

Durch seinen etwas anders gewählten Ansatz kann Körner auch ein größeres Bild zeichnen. Konzentrierte er sich im ersten Film größtenteils auf die Situation der Frauen in der Politik und die Ungleichberechtigung, die sie im Bundestag erlebten, zoomt er nun in viele verschiedenen Lebensbereiche hinein: „Die Unbeugsamen 2“ kann so von der Ermächtigung, aber auch der Diskriminierung von arbeitenden Frauen in der DDR erzählen, von der Doppelbelastung im Haushalt, von sexueller Selbstbestimmung, aber auch von häuslicher Gewalt, von widerständigen Frauen im Gefängnis und von Frauen wie Ulrike Poppe und Bärbel Bohley, die sich als zwei der ersten DDR-Bürger in der Friedensbewegung engagierten.

In seinen beiden „Unbeugsamen“-Filmen macht Torsten Körner die Kämpfe der Frauen in Ost und West sichtbar und hält der gesamtdeutschen Gesellschaft den Spiegel vor. Einerseits zeigen beide Filme, wie viel die Frauen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten bereits erkämpft haben. Andererseits offenbaren die Dokumentationen aber auch, wie viele Kämpfe noch weiter geführt werden müssen. In diesem Sinne verbindet Körner beide Filme mit einem Zitat der DDR-Künstlerin Annemirl Bauer (der übrigens im zweiten Film ein eigenes Kapitel gewidmet ist); es ist dem ersten Teil als Epilog nach-, dem zweiten als Präambel vorangestellt, und wird wohl leider noch eine ganze Weile wahr sein: „Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern“.

  • Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, Ihr Schönen! 2024; 104 Min.; R: Torsten Körner; Kinostart 29.8.

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