Das Coming-of-Age-Drama „Ellbogen“ von Aslı Özarslan erzählt die Geschichte der 17-jährigen Hazal, die im Wedding aufwächst und versucht, sich von den Projektionen zu befreien, die ihr von der Gesellschaft auferlegt werden. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Fatma Aydemir feierte in der Berlinale-Sektion Generation 14plus Weltpremiere. Nun läuft das grandiose Werk regulär im Kino. tipBerlin-Kritikerin Marit Blossey hat den Film gesehen.
„Ellbogen“: Eine Nacht ändert alles
Für Hazal (Melia Kara), die Protagonistin in Aslı Özarslans Coming-of-Age-Drama „Ellbogen“, bleiben viele Türen verschlossen. Morgens steckt sie ohne Perspektive in einem Kurs zur Berufsvorbereitung, mittags jobbt sie lustlos in der Bäckerei ihres Onkels im Wedding, abends wird sie mit ihren Freundinnen an der Clubtür abgewiesen. Dabei sollte dieser Abend alles ändern, denn Hazal wird endlich 18. Der Wodka schmeckt nach Freiheit, ausgelassen tanzt sie mit ihren Freundinnen, während sie sich für den Abend fertig machen, im Hintergrund läuft „Von Party zu Party“ von SXTN.
Tatsächlich wird nach dieser Nacht nichts in Hazals Leben mehr so sein wie davor: Nach ihrem gescheiterten Versuch, in den Club zu kommen, ziehen die Mädchen frustriert weiter. Ein betrunkener Typ, der sie in einer U-Bahnstation aufdringlich anlabert, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: In diesem Augenblick entlädt sich Hazals ganze aufgestaute Wut. Kurz darauf findet sie sich in Istanbul wieder. Flucht – oder ein Befreiungsschlag?
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Fortan ist Hazal verloren zwischen den Welten: zurück in die Enge ihres alten Lebens in Berlin kann und will sie nicht. Doch Istanbul stellt sich als weniger frei und grenzenlos heraus, als sie es sich zuvor ausgemalt hat, und langsam realisiert sie, dass auch die Begegnung mit ihrer Skype-Romanze Mehmet (Doğa Gürer) ihr nicht geben kann, wonach sie sucht.
Man läuft durch Berlin, castet die Idealbesetzung direkt auf der Straße und entdeckt dabei ganz nebenbei die Zukunft des deutschen Kinos
Wie schafft man es, Geschichten über migrantische Lebensrealitäten in Deutschland zu erzählen, ohne die Figuren zu exotisieren? Für Regisseurin Aslı Özarslan, die vom Dokumentarfilm kommt (Dil Leyla, 2016), lautet die Antwort: Man läuft durch Berlin, castet die Idealbesetzung direkt auf der Straße und entdeckt dabei ganz nebenbei die Zukunft des deutschen Kinos. Hazal ist in jeder einzelnen Szene zu sehen, man erlebt jeden Augenblick aus ihrer Perspektive.
Eine herausfordernde Rolle, der Kara mehr als gerecht wird: Sie verleiht Hazal genau die eindringliche, wütende Authentizität, die der Romanvorlage entspricht. Ein beeindruckendes Schauspieldebüt, das zeigt, was möglich ist, wenn eine Regisseurin mit ihren Darsteller:innen auf Augenhöhe arbeitet.
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