• Kino & Stream
  • Filme
  • Filmstarts der Woche: Von „Lamb“ bis zu den schrägen „Bad Tales“

Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Lamb“ bis zu den schrägen „Bad Tales“

Das neue Kinojahr beginnt mit Ungewissheit über die kommenden Wochen. Trotzdem riskieren ein paar interessante Filme gleich einmal einen Start: zum Beispiel der isländische Mystery-Thriller „Lamb“ mit Noomi Rapace, oder das Schweizer Pflegedrama „Wanda, mein Wunder“. Der italienische Film „Bad Tales“ lief 2020 im Wettbewerb der Berlinale, er bekommt bei uns auch das Prädikat sehenswert. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


„Lamb“ mit Noomi Rapace

Noomi Rapace spielt eine Hauptrolle im surrealen Film „Lamb“ von Valdimar Jóhannson. Foto: Koch Films

MYSTERY Fast scheut man sich, die Filmhandlung zu skizzieren – allzu schnell könnten falsche Erwartungen geweckt werden. Wichtiger ist in Valdimar Jóhannssons Film „Lamb“ die Mischung aus Bildern, Atmosphäre und Klängen. Nicht die Tatsache, dass hier auf einer einsamen Farm irgendwo in der isländischen Einöde ein nicht ganz normales Wesen geboren wird, steht hier im Fokus, sondern vielmehr, wie davon erzählt wird.

Maria und Ingvar leben auf ihrem Hof inmitten der imposanten Landschaft Islands. Zwischen Wiesen und Schafweide gehen sie ihrer Arbeit nach, es gibt auch ein kleines Grab auf einem Hügel. Dann widerfährt dem noch jungen Paar etwas, was eigentlich nicht sein kann. Sie nehmen ein hybrides Schäfchenwesen, das nur ganz allmählich als solches gezeigt wird, an Kindes statt an – als neues Glück oder als Möglichkeit, etwas gutzumachen. Die surreale Familienidylle wird auf die Probe gestellt, als Ingvars Bruder Pétur auftaucht. Und es scheint noch ein anderes Wesen zu geben, das Besitzansprüche an die kleine Ada stellt.

Jóhannsson Film ist kein üblicher Genre-Horror, sondern eher in der Folklore verwurzelt, die Geschichten von Wechselbälgern und anderen Mischwesen kennt. Ohne viele Dialoge schlägt er seinen aus vielen Andeutungen und Auslassungen bestehenden magischen Bilderbogen. Das karge Leben in der verwunschenen Natur Islands, das wiederum im Reigen der Jahreszeiten mit sehr nüchternen Bildern eingefangen ist, sowie das reduzierte Spiel der Darsteller – allen voran Noomi Rapace als Maria – saugen unwiderstehlich in das unerhörte Geschehen hinein. Da ist dann letztendlich die angebotene Auflösung fast schon zu viel. Gerald Jung

IS/S/PL 2021; 106 Min.; R: Valdimar Jóhannsson; D: Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson; Kinostart: 6.1.


Bad Tales – Es war einmal ein Traum

„Bad Tales – Es war einmal ein Traum“ von Fratelli Innocenzo. Foto: Filmperlen

FILMKUNST Spätestens wenn das Schulmädchen beim Abendessen mit einer befreundeten Familie die Noten seines Zeugnisses hersagen muss – in allen Fächern eine 1+, nur in Betragen gab es eine normale 1 – und der Vater dann sagt: „Viola muss noch ein wenig an sich arbeiten, aber der Nachhilfelehrer ist ja so ein Idiot“, dann weiß man, dass man gerade eine Satire anschaut. Und eine ziemlich böse zumal.

„Bad Tales – Es war einmal ein Traum“ spielt in der Hitze des Hochsommers in einer römischen Vorortsiedlung: gleichförmige Häuser, kleine Vorgärten, das Wichtigste ist hier, den Schein zu wahren. Doch hinter der Fassade lauern Neid, Missgunst und die Angst vor dem sozialen Abstieg. Die Männer können ihre Aggressivität kaum bändigen, die Frauen lassen sich passiv und gelangweilt dahintreiben (einmal drückt eine Mutter ihren irritierten Kindern 100 Euro in die Hand mit der Bemerkung: „Mama hat keine Lust mehr zu kochen“), die präpubertären Kinder sind verstört und depressiv. Jemand baut eine Bombe, um das ganze Viertel in die Luft zu jagen. Der Lehrer gibt den Kindern im Unterricht Tipps, wie man sich mit Insektenvertilgungsmittel umbringen kann.

Die Brüder Damiano und Fabio D’Innocenzo gewannen bei der Berlinale 2020 den Silbernen Bären für das Beste Drehbuch, aber auch ihre Inszenierung der bitteren, episodisch angelegten Gesellschaftssatire vermag zu überzeugen. Die Regisseure rücken ihren Protagonist:innen mit der Kamera buchstäblich auf die Pelle – und können dabei partout nichts Schönes entdecken. Am Ende kommen in diesem bösen „Märchen“ nur die Außenseiter davon. Ihnen wird ein Neuanfang anderswo gewährt. Lars Penning

Favolacce (OT); I/CH 2020; 98 Min.; R: Damiano und Fabio D’Innocenzo; D: Elio Germano, Tommaso Di Cola, Giulietta Rebeggiani; Kinostart: 6.1.


Wanda, mein Wunder

„Wanda, mein Wunder“ von Bettina Oberli. Foto: X Verleih

DRAMA Die Industriellenfamilie Wegmeister-Gloor wohnt in prächtiger Lage am Zürichsee. Geld spielt nicht wirklich eine Rolle, allerdings heißt das nicht, dass die polnische Hilfskraft Wanda großzügig bezahlt würde. Jedenfalls nicht für ihre regulären Dienste, weswegen sie sich auf eine Zusatzleistung einlässt, für die sie von dem Patriarchen der Familie extra Geld bekommt. Bettina Oberli hat die Geschichte von Wanda und den Wegmeister-Gloors in drei Teile gegliedert. Zu Beginn steht jeweils eine Ankunft, denn Wanda kommt mit dem Fernbus, wir müssen uns dazudenken, dass sie eine von vielen Frauen ist, die in ganz Europa bei reichen Leuten nach dem Notwendigen sehen.

Die Stärken von „Wanda, mein Wunder“ liegen in dem dramaturgischen Geschick, mit dem Oberli ihre Ideen umsetzt: Sie arbeitet sowohl mit wiederkehrenden Mustern wie mit Überraschungen. Alle Rollen sind gut besetzt, und für jedes Problem gibt es eine eigene Pointe. So entsteht ein Bild des heutigen Europa: In der Mitte, in der reichen Schweiz, treffen die Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten auf dem Kontinent wie in einer Verdichtung aufeinander. „Wanda, mein Wunder“ würde auch als Komödie funktionieren, es gibt Momente von surrealer Komik, zugleich aber werden die dramatischen Aspekte nicht verleugnet. Das Ergebnis ist ein mustergültiger Autorinnenfilm zu sehr zeitgemäßen Themen. Bert Rebhandl

Schweiz 2020; 112 Min.; R: Bettina Oberli; D: Agnieszka Grochowska, Marthe Keller, André Jung; Kinostart: 6.1.


The King’s Man – The Beginning

„The King’s Man – The Beginning“ von Matthew Vaughan. Foto: Disney

ACTIONKOMÖDIE Wenn Kaiser Wilhelm II. auf Schloss Neuschwanstein residiert, dann befinden wir uns wo? In geschichtsvergessenem Unsinn? In einem Comicstrip? In jedem Fall sind wir mitten in der britischen Action-Agentenkomödie „The King’s Man – The Beginning“, einem Prequel der Filme „Kingsman: The Secret Service“ (2014) und „Kingsman: The Golden Circle“ (2017), von denen zumindest der erste tatsächlich auf einem Comic von Dave Gibbons und Mark Millar basiert. Und es geht noch viel absurder als mit dem Kaiser in Neuschwanstein: Der gesamte Erste Weltkrieg erscheint hier als Verschwörung eines durchgeknallten Schotten, zu dessen Handlangern neben dem Attentäter auf den österreichischen Thronfolger auch Rasputin und Lenin gehören.

Das wirft zweifellos weitere Fragen auf, wie etwa diese: Wer bitte soll das lustig finden? Zumal der Film keineswegs die ganze Zeit in diesem absurden Comic-Modus abläuft. Einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Zeit verbringt „The King’s Man“ damit, die ziemlich öde Geschichte des in den höchsten britischen Kreisen des Adels und des Militärs verkehrenden Duke of Oxford (Ralph Fiennes) zu erzählen, der mit allen Mitteln seinen dämlichen Sohn vor den Gefahren des Krieges beschützen will. Als dies nicht gelingt, wirft der Duke seine pazifistische Grundeinstellung über Bord und räumt mal so richtig unter den Schurken auf. 

Die Mischung aus pathetischem, nationalistischem Heldengeschwurbel, Action-Sequenzen und überkandideltem Comic-Blödsinn funktioniert nicht eine Sekunde lang. Man ist echt froh, wenn man das Kino mit allen intakten Sinnen wieder verlassen kann. Lars Penning

GB/USA 2021; 131 Min.; R: Matthew Vaughn; D: Ralph Fiennes, Gemma Arterton, Rhys Ifans; Kinostart: 6.1.


Mehr zum Thema

Für Fans des amerikanischen Indiekinos gibt es zur Zeit das Festival „Unknown Pleasures“ im Arsenal. In der Rückschau aufs vergangene Jahr haben wir die 12 besten Filme 2021 ausgewählt. Spektakulärer Ort für Filmprogramm: Das temporäre Kino THC im Ex-Flughafen Tempelhof. Was wann wo läuft, erfahrt ihr im Kinoprogramm für Berlin. Mehr Texte und Rezensionen findet ihr in unserer Rubrik für Kino und Streaming.

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad