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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Triangle of Sadness“ bis „Halloween Ends“

Diese Woche startet einer der großen Arthouse-Hits dieser Saison: „Triangle of Sadness“ von dem Schweden Ruben Östlund macht sich sehr sarkastisch über die Superreichen und Schönen her. Außerdem hat sich mit David Gordon Green noch einmal ein Regisseur an den Geschichten über den Psychopathen Michael Myers versucht: „Halloween Ends“. Diese und weitere Titel in prägnanten Einschätzungen durch die tipBerlin-Filmredaktion hier wie gewohnt in unsererm Überblick über die Filmstarts der Woche

Triangle of Sadness

„Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund. Foto: Alamode

SATIRE Willkommen in der Welt der Reichen und Schönen. Carl und Yaya sind Models, sie zudem eine erfolgreiche Influencerin, was beiden die kostenlose Teilnahme an einer Kreuzfahrt einbringt, bei der die verschiedensten exzentrischen Figuren aufeinandertreffen. Als das Schiff sinkt, kann sich nur eine Handvoll Überlebender auf eine Insel retten, wo eine Reinigungskraft mit ihren Fähigkeiten zur dominanten Person aufsteigt.

Weniger gradlinig und fokussiert als seine Vorgänger „Play“, „Höhere Gewalt“ und „The Square“ ist der neue Film von Ruben Östlund erneut eine Attacke auf die Sehgewohnheiten des Zuschauers, diesmal satirisch zugespitzt, ausufernd in der Darstellung seines Figurenensembles und in der Zeit, die er sich für die vorgeführten Peinlichkeiten nimmt.

Dabei spitzt er Situationen immer wieder zu, so dass der Zuschauer herausgefordert wird in seiner Beurteilung: Hat Carl Recht, wenn er von seiner Partnerin erwartet, dass sie das gemeinsame Abendessen bezahlt (schließlich verdienen weibliche Models dreimal soviel wie männliche)? Kann die Reinigungskraft Abigail (Dolly De Leon), die als einzige Person auf der Insel weiß, wie man einen Fisch fängt und zubereitet, diese Situation ausnutzen, um sich zur Alleinherrscherin aufzuschwingen und Carl zu ihrem Toy Boy zu machen? Können wir verstehen oder sogar gutheißen, wenn sie diese Position mit allen Mitteln bewahren will? Provokantes Kino, wie man es gerne öfter sehen würde. Frank Arnold

Schweden/D/F/GB 2022; 142 Min.; R: Ruben Östlund; D: Harris Dickinson, Charlbi Dean, Dolly De Leon, Zlatko Buric, Woody Harrelson; Kinostart: 13.10.

Der Passfälscher

„Der Passfälscher“ von Maggie Peren. Foto: X-Verleih

GESCHICHTSDRAMA Ein Film, angesiedelt im Berlin des Jahres 1942, der etwas anderes zeigt, als man es aus den meisten Filmen über diese Zeit kennt. Weil er in einem Rüstungsbetrieb arbeitet, ist der junge Jude Cioma Schönhaus bisher der Deportation entgangen, anders als seine Großmutter und seine Eltern, in deren großer Wohnung er lebt. 7.000 Juden tauchten nach Beginn der Transporte im Oktober 1941 in Berlin unter, nur 1.700 davon überlebten.

Doch vom Untertauchen ist zuerst noch keine Rede, Cioma begegnet den Herausforderungen des Alltags mit dem, was der jiddische Begriff ‚Chuzpe‘ auf den Punkt bringt. Frechheit siegt, er weiß um die Nischen, in denen er seine Lebenslust ausleben kann, immer mit dem Mut zum Risiko. Während sein Freund Det, der bei ihm einzieht, die Marktfrauen, denen er – im Austausch für Lebensmittel – schöne Kleider schneidert, alle zur selben Zeit in die Wohnung bestellt, benutzt Cioma verbotenerweise die Straßenbahn und diniert in vornehmen Restaurants. Mit der Identität eines Soldaten auf Heimaturlaub versehen, schafft es der hochgewachsene blonde junge Mann, auch Frauen zu beeindrucken.

Dass Cioma, der eigentlich Grafiker werden wollte, einst einige Semester an einer Kunstschule studiert hat, wird ihm jetzt zur Lebensaufgabe: als Passfälscher liefert er für seinen Auftraggeber Dr. Kaufmann zunehmend perfektere Arbeiten ab. Die Grenzen zwischen Leichtigkeit und Leichtsinn verschwinden dabei allerdings so manches Mal. Aber gerade die Konzentration auf die Figur des Cioma ist es, die die Qualität des Films ausmacht. Überwiegend angesiedelt in Innenräumen, reduziert sich der Schrecken des Krieges auf einen Bombenalarm – aber die Gefahr der Verhaftung wird nicht ignoriert. Was der Film ebenfalls zeigt, ist, wie sich manche bereichern: der Polizeibeamte, der die Wertgegenstände in der Wohnung festhalten soll (und dabei einiges mitgehen lässt) und vor allem die Nachbarin, die Cioma mit ihrem Wissen erpresst.

Auch wenn die Geschichte manchmal fantastisch klingt: sie basiert auf dem gleichnamigen autobiographischen Bericht von Cioma Schönhaus, der 2017 in dem Dokudrama „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ zu denjenigen gehörte, die ihre Geschichte selber erzählten. Regisseurin und Autorin Maggie Peren, die mit ihrem Drehbuch zu Dennis Gansels „Napola“ (2004) bereits das Überleben im Dritten Reich thematisierte, ist hier jedenfalls ein ungewöhnlicher Film über einen außergewöhnlichen Menschen gelungen. Frank Arnold

D/LUX 2022; 117 Min.; R: Maggie Peren; D: Louis Hofmann, Jonathan Berlin, Luna Wedler, Nina Gummich; Kinostart: 13.10.

Halloween Ends

„Halloween Ends“ von David Gordon Green. Foto: Universal

HORROR Halloween Ends. Wirklich? An Fortsetzungen und Remakes des Klassikers von John Carpenter aus dem Jahr 1978 herrschte ja kein Mangel, manche besser, viele schlechter. Meist wurde ein Türchen für eine mögliche Fortsetzung offen gehalten, dieser Film, mit dem David Gordon Green (Regie), Jason Blum (Produzent) und Jamie Lee Curtis (Hauptrolle) ihre 2018 begonnene Trilogie abschließen, allerdings scheint seinen Titel wirklich ernst zu meinen.

Knüpfte „Halloween Kills“ unmittelbar an den Vorgänger „Halloween“ an, so liegen diesmal vier Jahre zwischen den Geschehnissen. Damals weitete sich die Geschichte von Laurie Strode (Jamie Lee Curtis), der Überlebenden der Ereignissse von 1978, zum Blick auf eine Stadt in Panik, jetzt fokussiert sich der Blick auf Laurie und ihre Enkeltochter Allyson, die zusammen unter einem Dach leben und mit dem Trauma zu kämpfen haben, dass Lauries Tochter Karen, die Mutter in Allyson, vor vier Jahren Opfer von Michael Myers wurde.

Eine neue Figur kommt ins Spiel, Corey, der drei Jahre zuvor als Babysitter den Tod seines Schützlings mitverschuldet hat und seitdem in Haddonfield nur der ‚Psycho Babysitter‘ genannt wird. Eigentlich wirkt er sanft, immer ein wenig abwesend, Laurie kommt ihm einmal zur Hilfe, so begegnet er Allyson, die sich sofort zu ihm hingezogen fühlt. Was sich zu einer verhängnisvollen Angelegenheit entwickelt, als Cory zu einem Mann unter Einfluss wird und Haddonfield erneut von einer Mordserie heimgesucht wird.

Einige der Mordszenen haben wieder etwas Surreales an sich, was ihre Brutalität allerdings nur begrenzt mindert. Die Geschichte allerdings kann mit einer gewissen Originalität punkten, wenn sie sich auf die Traumata ihrer Figuren einlässt. Frank Arnold

USA 2022; 111 Min.; R: David Gordon Green; D: Jamie Lee Curtis, Andi Matichak, James Jude Courtney,  Rohan Campbell, Will Patton, Kyle Richards; Kinostart: 13.10.

Belleville, belle et rebelle

„Belleville. Belle et rebelle“ von Daniela Abke. Foto: Real Fiction

Das Stadtviertel Belleville liegt im Osten von Paris. Heute beherbergt es vor allem Migranten und einige Künstler und ist wenig überraschend von der Gentrifizierung bedroht. Touristen finden den Weg dorthin aber immer noch eher selten, allenfalls der nahe gelegene Friedhof Père Lachaise mit seinen vielen Prominentengräbern wird von ihnen gern besucht.

Aber die Gegenwart ist nicht das, was die deutsche Regisseurin Daniela Abke in ihrem Dokumentarfilm „Belleville, belle et rebelle“ primär sucht. Ihr geht es – und das sagt bereits der Filmtitel – darum, einen spezifisch französischen rebellischen Geist einzufangen, geprägt von ein wenig Anarchie, vor allem aber von großer Solidarität. Denn Belleville, das war auch ein Schauplatz des Aufstands der Pariser Kommune von 1871, die seinerzeit mit der Erschießung von Kommunarden an einer Friedhofsmauer vom Père Lachaise ihr Ende fand. 

Der Geist der Kommunarden ist Abkes Protagonist:innen, die sich im von Joseph Pantaleo geführten Café/Bistro/Restaurant „Le vieux Belleville“ ein Stelldichein geben, nämlich immer noch wichtig. Riton la Manivelle, der zur Drehorgel Lieder aus der Zeit der Kommune zum Besten gibt, Lucio Urtubia, ein anarchistischer Baske, der Schriftsteller und Fotograf Robert Bober, der in den 60er-Jahren Regieassistent von François Truffaut war, Minelle Guy, die alte Chansons zu Akkordeonklängen singt, sowie der schottische Maler Steven, der im „Vieux Belleville“ die Straßenecke vor der Tür in einem Wandgemälde verewigt – sie alle bewahren in ihren Geschichten, Fotos, Liedern und Bildern die Erinnerung an ein Leben, das einmal war, und an Werte, die man unvergänglich finden kann.

Auf den ersten Blick mag das alles rettungslos nostalgisch erscheinen, doch die Gäste, die abends im „Vieux Belleville“ die alten Lieder mitsingen, sind durchweg jung und von Heute. Denn auch sie sind auf der Suche nach ein wenig Gemeinschaft und Solidarität. Lars Penning

D/F 2021; 98 Min.; R: Daniela Abke; Kinostart: 13.10.

Nachbarn

„Nachbarn“ von Mano Khali. Foto: Barnsteiner

DRAMA Ein kleiner Junge mit Augen wie zwei große schwarze Seen, der kein Arabisch versteht, aber in der eigenen Sprache blitzgescheit ist – dieser Junge führt durch die Geschichte eines Dorfes an der syrisch-türkischen Grenze um 1980. Sero (Serhed Khalil) heißt das Kind, in dessen Leben die Nachbarskinder die perfekten Partner:innen zum Streichespielen sind und der Onkel ein Vorbild ist, mit dem er Ballons steigen lässt, die die kurdischen Farben tragen. Im Laufe des Films werden noch viele Ballons in den Himmel gehen. Sero ist ein Grenzkind, seine Familie und er leben zwischen den Kulturen: neben sich die Nachbarn, die jüdischen Glaubens und mit ihnen sowohl in tiefer Freundschaft als auch in der gemeinsamen Angst vor der kriegstreiberischen Diktatur verbunden sind.

Wim Wenders sagte einmal: „Every photo is the first frame of a movie.“ Für diesen Film gilt es auch umgekehrt, denn fast jede Kameraeinstellung ergibt gleichzeitig ein ausdrucksstarkes Standbild, das eine sanfte Stimmung transportiert. Regisseur Mano Khalil wuchs selbst als kurdischer Junge an der syrisch-türkischen Grenze auf und musste erleben, wie der Wahnsinn durch den zunehmenden Nationalismus um ihn herum wuchs.

Mit großer Sensibilität für den Moment lässt Khalil die Dramatik der Geschehnisse in der kurdischen Grenzregion immer wieder einer zarten Ironie weichen. „Nachbarn“ wurde bereits mit mehr als 30 internationalen Preisen ausgezeichnet, lief auf mehr als 170 Festivals, und eröffnet jetzt auch das Kurdische Filmfestival in Berlin (13.-19. Oktober). Ein starkes, sensibles und absolut sehenswertes Werk. Luisa-Marie Kauzmann

Syrien 2020; 124 Min.; R: Mano Khalil; D: Serhed Khalil, Jay Abdo, Sherzad Abdullah; Kinostart: 13.10.

Meine Chaosfee & ich

„Meine Chaosfee & ich“ von Caroline Origer. Foto: Telepool

ANIMATION Violetta ist schon mehrfach durch die Zahnfee-Prüfung gefallen, und auch in diesem Jahr sieht es für sie nicht gerade gut aus. Dabei ist es eigentlich nicht besonders kompliziert: hinein ins Zimmer eines Kindes, den Milchzahn unter dem Kopfkissen herausholen, ein Geschenk herbeizaubern und das Zimmer wieder verlassen. Doch die stets ein wenig großspurige Violetta kann sich einfach nicht konzentrieren – sie rasselt schon wieder durch. Weil sie aber unbedingt einmal in die Welt der Menschen möchte, mogelt sie sich mit ordentlicher Dreistigkeit dort hinein – und kann nun nur wieder zurück in ihre eigene Welt, wenn sie ein geheimnisvolles Portal findet.

Mit Violetta, der leichtsinnigen, ziemlich verfressenen und irgendwie auch nicht so ganz hellen Fee ist dem Team um die luxemburgische Animationsregisseurin Caroline Origer eine ebenso ungewöhnliche wie liebenswerte Hauptfigur gelungen. Gemeinsam mit der zwölfjährigen Maxie, die nach einem Umzug in die Stadt die Natur ihrer alten Heimat vermisst und sich ziemlich unverstanden fühlt, erlebt Violetta nun ein Abenteuer um die Rettung eines uralten Baumes, in dessen Verlauf sich herausstellt, dass in ihr ganz andere Fähigkeiten schlummern, als sich mit diesem albernen Zahn-Kram abzugeben. 

Mit charmanten Figuren, einem gewitzten Plot und der soliden animationstechnischen Umsetzung muss „Meine Chaosfee & ich“ dabei keinen Vergleich mit internationalen Standards im Bereich von Trickfilmen für das Familienpublikum scheuen. Macht Spaß. Lars Penning

LUX/D 2022; 85 Min.; R: Caroline Origer; Stimmen DF: Jella Haase, Lisa-Marie Koroll; Kinostart: 13.10.

Delia’s Gone

„Delia’s Gone“ von Robert Budreau. Foto: Kinostar

DRAMA Delia ist tot. Sie liegt in dem Haus, in dem sie mit ihrem Bruder Louis wohnte, auf dem Fußboden, im Blut, das von einer Kopfwunde herrührt. Louis kann sich an nichts erinnern. Geistig zurückgeblieben, seit er als Kind beim Schwimmen beinahe ertrunken wäre, hat sich seine Schwester nach dem Tod der Eltern um ihn gekümmert, stets am Rande des Existenzminimums lebend.

Er nimmt die Schuld auf sich und verbüßt dafür eine fünfjährige Gefängnisstrafe. Sieben Jahre nach Delias Tod lebt er freiwillig in einer Nervenheilanstalt. Als dort eines Tages ein Mann auftaucht, der in den Stunden vor Delias Tod mit ihr zusammen in einer Kneipe war, geht Louis auf ihn los. Danach verlässt er die Einrichtung, um herauszufinden, was an jenem Abend passierte. Dafür sucht er die drei Männer auf, die damals mit Delia in einer Kneipe getrunken haben. Werden sie reden, wenn Louis sie mit einer Waffe bedroht?

Regisseur Robert Budreau („Born to be Blue – Die Chet Baker Story“) konzentriert sich wie in seinem vorangegangenen Film „Die Stockholm Story“ auf einige wenige Figuren und ihr Verhalten. Neben Louis und den drei Männern gehören dazu auch deren Angehörige. Die Schwester von Slacker Cole, der ihn in der Anstalt besuchte, ist Franny, damals Sheriff im Ort und jetzt bei der Bundespolizei, gewohnt ihrer damaligen Nr. 2, Bo, immer noch Anweisungen zu geben – ein dichtes Beziehungsgeflecht, aus dem der Film aber zu wenig Funken schlägt, weil seine betuliche und vorhersehbare Erzählweise dagegen arbeitet. Ein Film, in dem ein besserer Film versteckt ist. Frank Arnold

Kanada 2021; 91 Min.; R: Robert Budreau; D: Stephan James, Marisa Tomei, Paul Walter Hauser, Travis Fimmel; Kinostart: 13.10.

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