Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Dune“ bis „Je Suis Karl“

Diese Woche bringt den Start eines lang erwarteten Blockbusters: Denis Villeneuve („Arrival“) hat Frank Herberts epochalen Science-Fiction-Roman „Dune – Der Wüstenplanet“ verfilmt, mit Timothée Chalamet in der Hauptrolle; außerdem kommt einer der Höhepunkte der Berlinale ins Kino: Maria Speths Dokumentarfilm „Herr Bachmann und seine Klasse“; dazu einige weitere lohnende Dokus („Mein Name sei Klitoris“, „Garagenvolk“), und für die politische Kontroverse Christian Schwochows filmische Warnlampe „Je Suis Karl“ – die Filmstarts vom 16. September im tipBerlin-Überblick.


Dune

Neu im Kino: "Dune" von Denis Villeneuve. Bild: Warner Bros.
Neu im Kino: „Dune“ von Denis Villeneuve. Bild: Warner Bros.

SCIENCE FICTION Viele Regisseure haben davon geträumt, Frank Herberts 1965 erschienenen legendären Roman „Dune – Der Wüstenplanet“ in ganzer Pracht auf die Leinwand zu bringen. Dem Kanadier Denis Villeneuve ist es nun dank eines gigantischen Budgets und Stars bis in kleinste Nebenrollen gelungen – zumindest oberflächlich.

Penibel hangelt sich der Plot an der Romanvorlage entlang, erzählt vom jungen Paul Atreides (Timothée Chalamet), dem Planeten Arrakis, der Wunderdroge Spice, Wüstenbewohnern namens Fremen und der Prophezeiung: Ein Messias wird kommen und die unterdrückten Bewohner des Wüstenplaneten befreien.

Dass Paul dieser Messias ist, daran gibt es keinen Zweifel, und auch sonst verzichtet Villeneuve fast komplett auf Handlungsbögen und Spannungsmomente, wie sie in gewöhnlichen Science-Fiction-Epen Standard sind. So wie der Roman mäandert auch die Verfilmung von hier nach da, reißt – allerdings sehr lose – vielfältige Themen an, die von kolonialer Unterdrückung, über psychedelische Visionen bis zum Konflikt der Religionen reichen. Optisch und akustisch lässt dieser „Dune“ dabei nichts zu wünschen übrig, atemberaubende Bilder werfen Villeneuve und seine Scharen Computertechniker auf die ganz breite Leinwand. Doch so wie sein „Blade Runner 2049“ ist auch „Dune“ weniger mitreißender Film als preziöses Designobjekt, makellos hergestellt, von attraktiven Schauspielern bevölkert, die mit größter Ernsthaftigkeit über Handelskriege, archaische Riten und drohende Kriege reden.

Am Ende der satten zweieinhalb Stunden stellt sich schließlich die Frage, ob „Dune“ überhaupt als Roman-Adaption bezeichnet werden sollte, oder vielmehr als sündteures Bilderbuch der zentralen Momente der Vorlage. Michael Meyns

USA 2021; 155 Min.; R: Denis Villeneuve; D: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Zendaya; Kinostart: 16.9.


Herr Bachmann und seine Klasse

Einer unserer Filmstarts der Woche: die tolle Doku "Herr Bachmann und seine Klasse". Bild: Grandfilm
Einer unserer Filmstarts der Woche: die tolle Doku „Herr Bachmann und seine Klasse“. Bild: Grandfilm

DOKUMENTARFILM 2017 hat Maria Speth ein halbes Jahr lang in einer Schule im hessischen Stadtallensteig den Alltag beobachtet. Daraus hat sie einen dreieinhalbstündigen Film montiert, der ein großes Zeugnis über das multikulturelle Deutschland und die Chancen einer „durchlässigen“ Pädagogik darstellt. Bert Rebhandl

D 2021; 217 Min.; R: Maria Speth; Kinostart: 16.9.

Unser Gespräch mit Maria Speth über „Herr Bachmann und seine Klasse“ lest ihr hier.


Je Suis Karl

„Je Suis Karl“ von Christian Schwochow: Bild: Pandora Film

THRILLER Jannis Niewöhner ist der Schauspieler der Stunde. Und allzu unterschiedlich sind seine beiden aktuellen Figuren als Felix Krull in Detlev Bucks Thomas-Mann-Verfilmung und als politischer Manipulator in „Je suis Karl“ von Christian Schwochow gar nicht: Für beide Protagonisten ist Charisma, Eloquenz und die Kunst der Verführung essenziell. Und gutes Aussehen. Mit all dem kann der 29-jährige Krefelder dienen, und er weiß seine Ausstrahlung zu nutzen.

Am Anfang steht eine Explosion. In Friedrichshain ist eine Bombe hochgegangen und hat einen Altbautrakt zerstört. Nur durch einen Zufall sind Alex Baier (Milan Peschel) und seine 18-jährige Tochter Maxi (Luna Wedler aus „Das schönste Mädchen der Welt“) nicht unter den Opfern. Doch die Mutter und die beiden jüngeren Brüder Maxis sind umgekommen, was Vater und Tochter völlig aus der Bahn wirft. Während sich Alex in eine Art Fantasiewelt flüchtet, bekommt Maxi ungeahnte Hilfe: durch Karl (Jannis Niewöhner), ein junger Mann, der sich politisch engagiert und Maxi auf ein Treffen von jungen Aktivist:innen in Prag einlädt. Maxi und Karl kommen sich näher.

Relativ früh lüften Christian Schwochow („Deutschstunde“) und sein Drehbuchautor Thomas Wendrich das Hütchen der Verschwiegenheit und klären den Zuschauer darüber auf, dass es sich bei Karl um den Bombenleger handelt. Er ist führendes Mitglied einer international vernetzten Organisation, die mit modernsten Mitteln und unter der Maske eines europäischen Gedankens dem Faschismus huldigt. Wobei diese gebildeten, mehrsprachigen Agitatoren nichts mehr zu tun haben mit glattgeschorenen Prolls, die „Deutschland den Deutschen“ skandieren. „Europa den Europäern“ lautet nun eher der Slogan der Abschottung, gearbeitet wird mit allen manipulativen Mitteln der digitalen Medien, mit Musik und Party sowie entsprechenden Parteien in den europäischen Parlamenten. Und mit Terror.

Geschickt ziehen Schwochow und Wendrich die Agitationsschraube immer mehr an, sodass man als Zuschauer erst nach und nach hinter die wahren Machenschaften dieser „Bewegung“ kommt. Der bei einer solchen Thematik stets drohende pädagogische Zeigefinger wird größtenteils dadurch vermieden, dass sich die Geschichte emotional hinter Maxi und ihre Angst, Wut und Verwirrung stellt. Sie darf auch miterleben, wie herzlich und innig die Aktivisten miteinander umgehen.

Ein kraftvoller Film, der schmerzt. Und das ist ja offensichtlich auch so gedacht. Das gute alte „Wehret den Anfängen“ ist an dieser Stelle durchaus angebracht. Martin Schwarz

D/CZ 2021; 126 Min.; R: Christian Schochow; D: Jannis Niewöhner, Luna Wedler, Milan Peschel, Edin Hasanovic; Kinostart: 16.9.


Hinter den Schlagzeilen

„Hinter den Schlagzeilen“ von Daniel Sager. Bild: Real Fiction (Copyright: bauderfilm)

DOKUMENTARFILM In den Wochen vor der Enthüllung des Ibiza-Videos um die Korruptionsanbahnung Heinz-Christian Straches liegen die Nerven in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung blank. Handelt es sich wirklich um authentisches Material? Sind die Folgen des Leaks abzuschätzen? Regisseur Daniel Sager zeigt die Zuspitzung der Geschehnisse als Höhepunkt einer länger angelegten Beobachtung um eine Gruppe investigativer Journalisten. Ergebnis ist das Porträt einer Arbeitswelt von besonderer Brisanz. Carolin Weidner

D 2021; 90 Min.; R: Daniel Andreas Sager; Kinostart: 16.9.


Mein Name ist Klitoris

„Mein Name ist Klitoris“ von Lisa Billuart Monet und Daphné Leblond. Bild: Der Filmverleih

DOKUMENTARFILM Um die zwölf jungen Frauen zu interviewen, haben sich Lisa Billuart und Daphné Leblond in deren intimste Räume vorgewagt. Auf Betten wird da gesessen, gelegentlich neben einer Freundin, manchmal auch nur einem vollen Aschenbecher. Was die beiden Belgierinnen erfahren, ist so selbstverständlich wie in seiner vorgetragenen Offenherzigkeit rar. Es gilt, Erinnerungen zu lauschen, die vom frühesten Erwachen sexueller Empfindungen berichten, der Frage nachzuspüren, was zuerst da war – die Masturbation oder der erste Sex mit einer anderen Person –, und schließlich Erfahrungen über das subjektive Erleben des Höhepunkts zu teilen.

Das Format ist dabei kein neues. Vor einigen Jahren etwa erschien der Dokumentarfilm „Sprache: Sex“ von Saskia Walker und Ralf Hechelmann, der sehr freimütig und abwechslungsreich und im Dialog mit mehreren Generationen ins Themenfeld vordrang. In „Mein Name ist Klitoris“ lösen sich Billuart und Leblond hingegen vom bloßen Gespräch, weil ihnen auch daran gelegen ist, über ein Organ aufzuklären, das ein seltsames Schattendasein fristet: die Klitoris. Als einzige im Film darf sie sich namentlich vorstellen, während die Interviewten vor allem als Vertreterinnen ihrer Alterskohorte in Erscheinung treten. Darin sind sie ausgesprochen sympathisch und selbstbewusst, reflektiert, queer, hetero, promisk, teilweise traumatisiert.

Alle gemeinsam befreien sie die Klitoris von ihrer Kleinheit, wie sie sich auch anhand von Synonymen ausdrückt: Lusterbse, Lustperle. Dass die Wahrheit „elf Zentimeter“ lautet, wird hier als Schock und Triumph gleichermaßen zelebriert. Es ist eine Feier, der man in ihrer Unmittelbarkeit gerne beiwohnt. Carolin Weidner

Mon nom est clitoris (OT); Belgien 2019; 80 Min.; R: Lisa Billuart-Monet, Daphné Leblond; Kinostart: 16.9.


Atomkraft Forever

„Atomkraft Forever“ von Carsten Rau. Bild: Camino

DOKUMENTARFILM Regisseur Carsten Rau wirft mit seinem Dokumentarfilm „Atomkraft Forever“ einen erfrischend ideologiefreien Blick auf das Thema. Hier werden die Kosten und Zeitdauer eines Kraftwerk-Rückbaus ebenso erörtert wie Frage, ob Sonnen- und Windenergie in einer Industriegesellschaft allein ausreichen werden. Klar, Sinn macht die Atomkraft angesichts der Gefahren, der Kosten und des Mülls schon lange nicht mehr. Aber alle Andersdenkenden dürfen ihre Meinung auch kundtun. Lars Penning

D 2020; 94 Min.; R: Carsten Rau; Kinostart: 16.9.


Garagenvolk

Neu im Kino: „Garagenvolk“ von Natalika Yefimkina: Bild: missingFILMs

DOKUMENTARFILM Die Gegend in Russlands Norden jenseits des Polarkreises irgendwo bei Murmansk ist landschaftlich, klimatisch und freizeittechnisch nicht unbedingt verwöhnt: Entweder der Schnee liegt meterhoch oder man steht in den ästhetisch nur bedingt begeisternden Plattenbausiedlungen in Matsch und Geröll. Der einzige größere Arbeitgeber ist ein Bergwerk, unaufhörlich rollen in der Ferne die Güterzüge vorbei. Dass die Menschen sich hier private Freiräume schaffen, in denen sie ihren Hobbys oder kleinen Betätigungen nachgehen, scheint wenig verwunderlich. Überraschend ist nur, wo sie es tun.

Denn jenseits der Plattenbauten erstrecken sich schier endlose Garagensiedlungen, in denen überwiegend Männer ihr kleines Reich gefunden haben, in das ihnen niemand hineinredet. Nur Lena steht gelegentlich inmitten all der Männer, die Sängerin einer Alternative-Metal-Band, die dort probt. Aber eigentlich möchte Lena wie die meisten jungen Leute weg, am liebsten nach Schweden, und eine Metal-Bar eröffnen. Ansonsten dominiert bei den Garagenmietern das XY-Chromosom: Da gibt es Militaria-Sammler, die im Weltkrieg-2-Outfit durch die unwirtliche Gegend stapfen, den romantisch veranlagten Wachtelzüchter Roman, sowie Pavel, den nicht so richtig gläubigen Ikonenschnitzer, der für seine Inspiration immer mal einen Schluck aus der Pulle benötigt – was seine Frau keineswegs gutheißt. Aber was soll’s, er ist Künstler – schließlich waren die Impressionisten auch alle abhängig vom Absinth. Nur Autobesitzer findet man hier nicht.

In Natalija Yefimkinas Debütfilm „Garagenvolk“ steht das Banale dicht neben dem Tiefgründigen und das Tragische neben dem Komischen und dem Bizarren: Manchmal mit trockenem Humor schlaglichtartig hingeworfen, oft sich auch tiefer einlassend auf diese großartigen Leute, entsteht so ein wunderbares Porträt über individuelle Freiheit in einem Landstrich, der sonst nicht viel Abwechslung bietet. Gelegentlich kommt auch alles zusammen, wie bei Viktor, der sich seit dem 27. Lebensjahr in seiner Garage beharrlich und sinnfrei vier Stockwerke in die Tiefe gegraben hat.

Heute ist Viktor 73 Jahre alt und übergibt seine Baustelle dem Enkel. Warum er gegraben habe, wisse er nicht zu sagen, er sei nur seinem Herzen gefolgt. Vermutlich sei es eine Art Beschäftigungstherapie gewesen, so hätte er wenigstens etwas zu tun gehabt, im Gegensatz zu seinen Freunden. Die hätten immer bloß Wodka getrunken und lägen längst unter der Erde. Doch mit dem Ende seiner jahrzehntelangen Beschäftigung schwinden nun auch Viktors Lebenskräfte dahin. Lars Penning

D 2020; 95 Min.; R. Natalija Yefimkina; Kinostart 16.9.


Small World

„Small World“ von Patryk Vega. Bild: Kinostar

THRILLER Auf boulevardeske, plakative Weise nimmt sich der polnische Regisseur Patryk Vega des Themas sexueller Missbrauch von Kindern an. Von Ola erzählt er, die als vierjährige in Polen entführt und über Jahre missbraucht wird. Ihr auf der Spur: Ein Polizist, der zunehmend selbst pädophile Neigungen entwickelt. Was in „Small World“ gezeigt wird, dürfte größtenteils schreckliche Realität sein, doch hilft es den Opfern, diese Realität auf derart reißerische Weise in einem Film zu verarbeiten? Ein im Ansatz wichtiger Film, der ratlos zurücklässt. Michal Meyns

Polen 2021; 117 Min.; R: Patryk Vega; D: Piotr Adamczyk, Julia Wieniawa-Narkiewicz, Enrique Arce, Sally Day; Kinostart: 16.9.


Mehr Kino in Berlin

Was lief vergangene Woche an? Die Filmstarts vom 9. September im Überblick. Auch noch aktuell: Die Filmstarts vom 2. September.  Er ist Fotograf, nun hat er seinen ersten Film gemacht: Wir sprachen mit Jim Rakete über seine Doku „Now“. Lichtspielhäuser mit Stil findet man überall in der Stadt. Das sind die schönsten Kinos in Berlin. Ihr seht Filme lieber draußen? Das aktuelle Programm von Berlins Freiluftkinos haben wir hier für euch. Was sonst so läuft im Streaming-Bereich und den Kinos, erfahrt ihr hier.

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