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Die Filmstarts des Woche: Von Disneys „Encanto“ bis Arthouse „À la carte“

Disney diversifiziert diese Woche nach Kolumbien: „Encanto“ heißt der neue Animationsfilm aus dem Haus der Maus. Dazu gibt es klassisches Wohlfühl-Arthouse aus Frankreich „À la carte – Freiheit geht durch den Magen“, den Versuch einer deutschen Screwball-Komödie („Das schwarze Quadrat“), zwei interessante Dokus („In den Uffizien“ und „Bilder (m)einer Mutter“), und eine Wiederentdeckung: den kuriosen „Pankow 95“


Encanto

„Encanto“ von Jared Bush, Byron Howard, Charise Castro Smith. Bild: Disney

ANIMATION Egal, in welchen Gegenden dieser Welt sich die Protagonist:innen herumtreiben, am Ende propagieren die großen Disney-Animationsfilme immer wieder die klassischen Familienwerte: Wenn wir zusammenhalten, können wir gemeinsam alles erreichen. Gilt übrigens auch für Freund:innen und sonstige Wahlverwandtschaften. Nach fast 85 Jahren abendfüllender Animationsfilme erwartet niemand mehr etwas anderes von Disney, das ist fast schon ein eigenes Genre. Doch die Ausgestaltung der einzelnen Filme gestaltet sich natürlich unterschiedlich: Inwiefern Abenteueraction, Drama, Humor oder schiere Frechheit dem Familiendogma etwas entgegensetzen, ist möglicherweise nicht nur eine Frage des Kalküls, sondern auch des individuellen Temperaments der verschiedenen Autor:innen und Regisseur:innen.

Im Fall von „Encanto“ klappt das mit dem Entgegensetzen jedenfalls nicht so richtig. Denn das Problem besteht bereits darin, dass die Disney-Moral hier explizit als komplette Story ausgewalzt wird. In der Familie Madrigal aus Kolumbien ist jede:r mit außergewöhnlichen Gaben gesegnet: von Superkräften bis zum Verständnis von Tierstimmen. Nur Enkelin Mirabel scheint davon gar nichts abbekommen zu haben. Aber als der Zauber schwindet, ist sie mit ihrer Fähigkeit, die auseinanderdriftende Familie zusammenzuhalten, plötzlich die wichtigste Person. In Sentimentalitäten pro Minute möchte man das lieber nicht umrechnen, doch ein paar flotte Musicalnummern und einige hübsche Einfälle rund um das verzauberte Heim der Familie schaffen kein vollwertiges Gegengewicht. Als harmlose Unterhaltung ist das immer noch okay, aber es gab schon Besseres aus dem Haus der Maus. Lars Penning

USA 2021; 99 Min.; R: Jared Bush, Byron Howard, Charise Castro Smith; Stimmen OF: Stephanie Beatriz, María Cecilia Botero, John Leguizamo; Start: 24.11.


À la carte – Freiheit geht durch den Magen

„À la carte – Freiheit geht durch den Magen“ von Éric Besnard. Bild: Neue Visionen

KOSTÜMFILM Zwei Hände kneten einen Teig, sorgsam entsteht daraus ein kleines Kunstwerk von Pastete. Bereits die ersten Bilder von „À la carte – Freiheit geht durch den Magen“ machen deutlich, dass dieser Koch sich als Künstler versteht. Dann bricht der Ton über die Bilder herein und mit ihm die laute Hektik einer Großküche, in der Pierre Manceron (Grégory Gadebois) den Ton angibt, der Koch des Herzogs von Chamfort.

Doch wie die meisten Künstler ist auch Manceron von seinem Gönner abhängig, sowie vom „Publikum“, das sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Frankreich zu den Banketten des Adels einfindet. Mancerons neue Pastete fällt jedenfalls durch, der sture Koch wird gefeuert und findet sich gemeinsam mit seinem Sohn, der sich den neuen Theorien („Zurück zur Natur“) von Jean-Jacques Rousseau verschrieben hat, in der verfallenen elterlichen Poststation wieder. Wenig später kreuzt Louise (Isabelle Carré) auf, eine angebliche Marmeladenköchin, die beim unwilligen Manceron unbedingt das richtige Kochen lernen will. Dass sie lügt, erkennt der deprimierte Spitzenkoch sofort: Diese Frau hat noch nie in ihrem Leben mit den Händen gearbeitet. Gewiefte Kinogänger:innen wissen natürlich sofort, dass etwas dahinterstecken muss, das im Verlauf der Handlung für ein wenig Drama sorgen soll.

„À la carte“ ist jene Art von Wohlfühlkino, auf das sich die Franzosen in Europa am besten verstehen: Man sieht gute Schauspieler:innen in sympathischen Rollen, und jede Einstellung – selbst in der verfallenen Poststation – leuchtet, als hätte Rembrandt persönlich das Licht gesetzt. Sieht gut aus, ist angenehm zu schauen und hat einen dramatischen Gehalt wie das Sandmännchen – das bringt die Gattung halt so mit sich. 

Aber dass Manceron und Louise nach einigem Hin und Her die Abhängigkeit von launenhaften Gönnern aufgeben und ganz einfach ein Restaurant eröffnen, in dem jeder zahlende Gast etwas Ordentliches zu essen bekommt, ist im Sinne der Demokratisierung des guten Geschmacks ja eine wirklich sympathische Sache. Lars Penning

F/B 2021; 112 Min.; R: Éric Besnard; D: Grégory Gadebois, Isabelle Carré, Guillaume de Tonquédec; Kinostart: 25.11.


Bilder (m)einer Mutter

„Bilder (m)einer Mutter“ von Melanie Lischker. Bild: Koberstein Film

DOKU „Die Fäden haben sich verknotet und ich bin nur noch eine Marionette“, lautet das Resümee von Gabi, Mutter der Regisseurin Melanie Lischker. Der Satz findet sich in ihrem Tagebuch, das Teil eines besonderen Nachlasses ist: Denn auf dem Dachboden ihres Vaters hat Lischker außerdem ein kleines Filmarchiv entdeckt, dessen Beginn sich auf die frühen Siebzigerjahre datiert. Einem Zeitpunkt also, als das Paar sich gerade kennenlernte, zwei Abiturienten in einer piefigen bayerischen Kleinstadt, die eine Liebe wagten, welche noch geprägt war von Restriktion und Konvention. Viele Kilometer entfernt sucht die erwachsene Tochter nun zwischen Super8-Rollen und Papierseiten nach ihrer toten Mutter, deren Bekanntschaft sie nur als Kind machen konnte. In den Neunzigern verstirbt Gabi Lischker an Krebs; Tagebuch wie Filmaufnahmen dokumentieren ein Leben, das sich zunächst und aus tiefer Überzeugung einer Idee von Freiheit und Aufbruch hingab, bevor es nach und nach in den häuslichen Pflichten einer westdeutschen Ehefrau und Mutter versickerte. 

Melanie Lischker verbindet dabei Gabis oftmals nur schriftlich formulierten, nie offen artikulierten Gedanken mit den immer trostloser werdenden Bildern ihres Vaters. Innerer und äußerer Hilferuf entwickeln sich deckungsgleich, auch wenn sich der äußere vor allem hinter einer zusehends starrer werdenden Mine verbirgt, zu Strenge und Bitterkeit wird. Wieder sind Fäden Metapher für die alltäglichen Zwänge: „Gebunden von unsichtbaren Fäden, die immer ein bisschen ziehen, damit es weitergeht.“ Der Wunsch nach einer professionellen künstlerischen Tätigkeit, einem Beruf – all das bleibt so ungehört wie undurchgesetzt. Während sich nicht weit von ihr Frauengruppen formieren, das gesellschaftspolitische Klima sich langsam aber immerhin für Gleichberechtigung öffnet, verödet eine Feinsinnige im Eigenheim.

Auf richtende Urteile verzichtet die Regisseurin derweil. Vielmehr schenkt sie der Toten das Wort, versucht, in Gesprächen mit Vater und Bruder der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Insbesondere mit letzterem erörtert sie auch die Konsequenzen der kühlen Familienatmosphäre. Das Resultat beklemmt wie berührt. Möglicherweise, weil bereits der Titel „Bilder (m)einer Mutter“ andeutet, dass die Geschichte der Gabi Lischker auch stellvertretend zu verstehen ist: Ihr Schicksal teilten und – im Gewand eines anderen Zeitgeistes – teilen unzählige Frauen.  Carolin Weidner

D 2021; 78 Min.; R: Melanie Lischker; Kinostart: 25.11.


In den Uffizien

„In den Uffizien“ von Corinna Belz & Enrique Sánchez Lansch. Bild: Piffl

DOKU Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch streifen durch die Uffizien, das berühmte Museum in Florenz mit seiner einmaligen, auf die Medici zurückgehenden Sammlung von Renaissance-Kunst. Sie schauen hinter die Kulissen, Schlendern durch die Sammlungen und beobachten die Besucher:innen, die angesichts der großen Kunst entweder ehrfürchtig staunen oder sich in einen Smartphone-Knipsrausch hineinsteigern. Und vor allem findet die Kamera immer wieder den verbindenden Ausblick durch die Fenster: hinaus auf eine Stadt, die diese Sammlungen ermöglicht hat. Lars Penning

D 2021; 96 Min.; R: Corinna Belz, Enrique Sánchez Lansch; Kinostart: 25.11.

Hier geht es zur ausführlicheren tip-Berlin-Filmkritik zu „In den Uffizien“


Das schwarze Quadrat

„Das schwarze Quadrat“ von Peter Meister. Bild: Port-au-Prince

KOMÖDIE Das titelgebende Gemälde existiert tatsächlich und stammt von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1915. Der frustrierte Maler Vincent (Bernhard Schütz) und sein Sidekick Nils (Jacob Matschenz) haben das Bild geklaut, es soll 60 Millionen Euro wert sein. Die Übergabe an einen Käufer soll auf einem Kreuzfahrtschiff vonstatten gehen, doch leider taucht der Typ mit den Schiffstickets nicht auf. Also „besorgen“ sich Vincent und Nils welche von zwei Männern. Was sie nicht ahnen: Die Überfallenen wurden als Elvis- und Bowie-Imitatoren für das abendliche Programm an Bord gebucht. Also müssen die Diebe sich entsprechend ausstaffiert auf die Bühne stellen – man will ja nicht auffallen, gell.

Diverse Personen an Bord haben Interesse an dem Kunstwerk: die „Cruise Managerin“ Helen (Victoria Trauttmansdorff) ebenso wie der Security-Mann Bernhard (Wolfram Packhäuser), die Bordpianistin Mia (Pheline Roggan) genauso wie der „First Gentleman Host“ Levi (Christopher Schärf). Nicht zu vergessen Martha (Sandra Hüller), die kennt nun überhaupt keine Skrupel.

Autor und Regisseur Peter Meister hat Chuzpe, sich für sein Langfilmdebüt ausgerechnet das schwierige Genre der Screwballcomedy ausgesucht zu haben. Und auch wenn es hier und da von der Story her ordentlich knirscht, macht es doch zusehends Freude, bei all dem Durcheinander an Bord zuzusehen. Das liegt auch an den guten Schauspielern, allen voran Bernhard Schütz („Das System“). Wie er sich auf der Bühne als David Bowie zum Vollhorst macht, das hat Stil. Martin Schwarz

D 2021; 105 Min.; R: Peter Meister; D: Bernhard Schütz, Sandra Hüller, Jacob Matschenz, Pheline Roggan; Kinostart: 25.11.


Pankow 95

„Pankow 95“ von Gabor Altorjay. Bild: Rapid Eye Movies

RESTAURIERUNG Wenn jemand Johann Wolfgang Amadeus Zart heißt, kommt als Berufsfeld wohl nur die Musik in Frage. In Gábor Altorjays „Pankow 95“ spielt Udo Kier dementsprechend einen Musiktheoretiker, dessen Wirken aber stark eingeschränkt ist, weil er Patient der Nervenklinik im besagten Berliner Bezirk ist. Zart arbeitet an einer Verschwörungstheorie der Popkultur, in die er den Film, in dem er vorkommt, gleich aufnehmen könnte. Denn „Pankow 95“, entstanden 1983 in verwegenem Achtziger-Look, ist ein so krudes Ding, dass man „außerirdische Gründe“ durchaus in Betracht ziehen könnte. Der gebürtige Ungar Gábor Altorjay begann 1982 mit „Tscherwonez“, einem New-Wave-Film, und ließ kurz darauf „Pankow 95“ folgen: eine schräge Geschichte über einen Aufstand in der Psychiatrie in einer DDR, die 1995 noch immer besteht. „30 Jahre Mauer – wir werden langsam sauer“, steht zwischendurch einmal an einer Wand. Die Zukunft, die Gábor Altorjay  vorwegnahm, kannte also keine Wende, sondern nur deutsch-deutsche Depression. „Pankow 95“ ist ein Kuriosum der Filmgeschichte, nach digitaler Restaurierung nun zum Bestaunen freigegeben. Bert Rebhandl

BRD 1983; 83 Min.; R: Gábor Altorjay; D: Udo Kier, Dieter Thomas Heck, Christine Kaufmann; Kinostart: 25.11.


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Weitere spannende Filmthemen: wir haben mit Sebastian über sein bewegendes Schwulendrama „Große Freiheit“ gesprochen; wir weisen auf das THF-Kino hin, ein temporäres Kino im ehemaligen Flughafen Tempelhof; und hier haben wir auch noch die Filmstarts aus der Vorwoche

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