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Neu im Kino

Die Filmstarts vom 29. Juli: Mit „The Green Knight“, „Home“ und Xavier Dolan

Diese Woche bringt einen ersten echten Höhepunkt des Kinosommers bei den Filmstarts der Woche: David Lowerys exzentrischer Ritterfilm „The Green Knight“ ist ein echtes Kunstwerk; dazu kommt mit „Home“ die erste amerikanische Regiearbeit von Franka Potente, ein neuer Film von Xavier Dolan mit dem Titel „Matthias & Maxime“ und eine spannende Doku über den Chaos Computer Club: „Alles ist Eins. Außer der 0“. Der tipBerlin-Überblick über die Filmstarts vom 29. Juli.


„Home“ von Franka Potente

Jake McLaughlin in „Home“ von Franka Potente. Bild: Weltkino

DRAMA Franka Potente lebt seit vielen Jahren in Amerika. Mit „Home“ tritt sie als Drehbuchautorin und Regisseurin hervor: eine Geschichte über Marvin, der nach 17 Jahren im Gefängnis in seine Heimatstadt Newhall zurückkehrt. Mit guten Schauspieler:innen und einem optimistischen Menschenbild erzählt Franka Potente ein Sozialdrama. Bert Rebhandl

USA 2020; 100 Min.; R: Franka Potente; D: Jake McLaughlin, Kathy Bates, Aisling Franciosi; Kinostart: 29.7.

Hier lest ihr die tipBerlin-Filmkritik zu „Home“.


„The Green Knight“ von David Lowery

Einer der besten Filmstarts der Woche vom 29. Juli: "The Green Knight" von David Lowery. Bild: Telepool/A24
Einer der besten Filmstarts der Woche vom 29. Juli: „The Green Knight“ von David Lowery. Bild: Telepool/A24

HELDENEPOS Am Hof von König Artus erscheint ein „grüner Ritter“ und fordert einen Gegner zum Duell: Der junge Gawain stellt sich dieser Herausforderung, die zu einer langen Irrfahrt wird. Mit Dev Patel in der Hauptrolle erzählt David Lowery eine düster-komische, immer wieder surreal-fantastische, am Ende aber auch orthodoxe Rittergeschichte. Bert Rebhandl

USA 2020; R: David Lowery; D: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton; Kinostart: 29.7.

Die tip-Filmkritik zum sehr originellen Film „The Green Knight“ lest ihr hier.


Versteckte Liebe: „Matthias & Maxime“ von Xavier Dolan

„Matthias & Maxime“ von Xavier Dolan. Bild: Cinemien

Eine Party im Haus am See. Perlwein fließt und eine Gruppe guter Freund:innen klopft Sprüche, die längst nicht mehr sonderlich lustig sind – oder es vielleicht noch nie waren. Die aufgedrehte, vor Anglizismen überquellende Filmstudentin Erika („Chill down, Guys!“) will einen Film drehen, der „unheimlich impressionistisch, aber zugleich expressionistisch“ ist, oha – und den einige Kaffeeklatsch-Ladys später loben werden, weil er so schönes Tomatenrot hat und „sehr Eldomovar“ (Sic! Sorry, Pedro!) aussieht. Matthias und Maxime indes ahnen nicht, dass sie sich küssen sollen in besagtem Film (im Film).

Keine große Sache, könnte man sagen, in einer Welt, in der das ja ständig gesagt wird, dass das doch keine große Sache mehr sei – zumeist von jenen, die es am wenigsten beurteilen können, und die im nächsten Atemzug Schwulsein so „normal“ finden, dass sie am liebsten nichts mehr davon hören oder sehen wollen. In Maxime und, mehr noch, in Matthias, kocht in den Tagen darauf vielerlei Kaschiertes, Unterdrücktes hoch. Sie straucheln und verlieren ihren Kompass.

Xavier Dolan, einst frankokanadisches Regie-Wunderkind, inzwischen aber auch schon nicht mehr so kindische 32, hat einen erschütternden Film gemacht, der Dolan-Fans und Dolan-Hater in vielem überraschen wird. Lässt er doch diesmal, bei allem Drama, auch mehr Witz als Dolan-üblich zu – und verzichtet dafür weitgehend auf den narzisstisch nach Komplimenten schreienden, übertrieben perfekt komponierten Slow-Mo-Bewegtbild-Overkill, wie man ihn in der Dolan’schen Filmographie sonst zuhauf findet, am penetrantesten im freilich trotzdem guten „Laurence Anyways“ (2012).

Und Dolan hat gute Gründe, die Hyperpräsenz der Form diesmal zurückzufahren: Es tut der Stärke seiner Story keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Dramatisch wird es trotzdem, nicht nur wenn Maxime im Bus mit einem Anderen blickflirtet und sich dann großzügig Blut ergießt über das als Makel empfundene Geburtsmal seines Gesichts; schuld war die alkoholabhängige Mutter, die ihm eine Fernbedienung an den Kopf geknallt hatte. Dramaturgischer Kniff: Maxime wird alsbald nach Melbourne ziehen – ein Abschied, der die beiden auf Weisen überfordert, von denen sie wohl nicht zu albträumen gewagt hätten. Vorher wird jemand an der falschen Seeseite stranden; es wird ein Sturm aufziehen, der die Wäsche nässt. Es wird geredet – und ausgespart. „Matthias & Maxime“ bringt wohl jeden zum Weinen, der je eine Liebe versteckt hat. Es ist Dolans bester Film. Und zugleich sein lustvollster und lässigster. Stefan Hochgesand

CAN 2019, 119 Min., R: Xavier Dolan, D: Gabriel D’Almeida Freitas,  Xavier Dolan; Kinostart: 29.7.


„Alles ist Eins. Außer der 0“ von Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf

Wau Holland in „Alles ist Eins. Außer der Null“. Bild: Neue Visionen

DOKU „Wem gehören meine Daten?“ Diese Frage ist heute sehr geläufig, denn Facebook, Amazon und Google haben unsere Leben mit einer solchen Macht übernommen, dass man sich eigentlich sehr genau überlegen sollte, wo man Urlaubsbilder und politische Meinungen postet und welche digitalen „Befehlsempfänger“ man sich ins Wohnzimmer stellt. Es gab aber auch in Deutschland Pioniere, die schon vor vierzig Jahren diese neuralgische Frage stellten. Sie waren unter anderem von der ersten großen Datenschutzdiskussion in Deutschland inspiriert (um die Volkszählung 1983). In Hamburg vor allem gab es damals Auskenner, die sich zu einem Chaos Computer Club zusammentaten, und die eine politische Vision verfochten, von der leider das Gegenteil eingetreten ist: „offener Umgang mit Daten und Systemen“.

Das Wort, mit dem sie bezeichnet wurden, hatte damals noch einen weniger einschlägigen Klang: sie waren Hacker. Heute denkt man dabei wahrscheinlich sofort an Russland oder China, und an gefährliche Mail-Anhänge. Die Leute vom CCC aber hackten sich in Systeme ein, um sie zu verstehen. Sie zweigten aus der Hamburger Sparkasse Geld ab und meldeten die Schwachstelle dann den Betroffenen. In dem Dokumentarfilm „Alles ist Eins. Außer der 0“ von Klaus Maeck und Tanja Schwaerdorf wird die Geschichte des Chaos Computer Clubs als ein bedeutendes Stück deutscher Zeitgeschichte erkennbar.

Im Mittelpunkt steht ein höchst origineller Mann: Herwart Holland-Moritz, genannt Wau Holland, trug gern Latzhose und eigenwillige Pullover, hatte es aber in jeder Hinsicht drauf: „nicht erpressbar sein als Haltung“ war wichtig in einem Feld, in dem man es schnell mit Geheimdiensten zu tun bekam. Zahlreiche tolle Archivaufnahmen von Wau Holland (der 2001 relativ jung starb) und anderen wichtigen Figuren führen allmählich bis in die Gegenwart: Die Anliegen des Chaos Computer Club sind heute wichtiger denn je, ob man nun an die Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz oder an Erfahrungen mit dem Datenschutz in Zeiten einer Pandemie denkt. Von Corona wusste „Alles ist Eins. Außer der 0“ noch nichts. Sehenswert ist der Film allemal.

D 2020; 96 Min.; R: Klaus Maeck, Tanja Schwerdorf; Kinostart: 29.7.


„Censor“

„Censor“ von Prano Bailey-Bond. Bild: Kinostar

HORROR Enid heißt eine junge Frau in England, die als Zensorin arbeitet. Es ist die Zeit, in der Horrorfilme auf Videocassetten vertrieben wurden, schlimmes Zeug, das nicht unkontrolliert auf die Gesellschaft losgelassen werden darf. Es ist auch die Zeit, in der Margaret Thatcher in England herrscht, allerdings übertreibt Prano Bailey-Bond in ihrem Film „Censor“ ein bisschen ins Dystopische.

Die Schundfilme mit ihren Gewaltdarstellungen haben nämlich überhand genommen, nach zahlreichen „video nasties“ steigt die Verbrechensrate. Nachahmungstäter berufen sich auf Filmszenen, wenn sie jemand abschlachten. Auf Enid, die in einem Kellerbüro ohne Tageslicht arbeitet, lastet also einige Verantwortung. Sie ist zwar eindeutig die beste Zensorin in ihrer Abteilung. Sie ist aber auch nicht grenzenlos belastbar, denn sie lebt mit einem Trauma: dem Verschwinden ihrer Schwestern in einem Wald, als sie beide noch Kinder waren.

Über die Frage, ob Gewaltdarstellungen in den Medien die reale Gewalt in der Welt verstärken, wird schon lange intensiv diskutiert. „Censor“ macht sich über die Mimesis-Theorien lustig, also über die Einszueins-Ableitungen von Medienwirklichkeit auf Tatsachen. Zugleich verstrickt Prano Bailey-Bond  aber Enid in eine bedrohliche Schleife: Sie meint ausgerechnet in einem Schocker eine Spur ihrer Schwester zu erkennen.

„Censor“ ist zugleich Hommage an eine Ära (die Zeit der Videogeräte, als man Filme noch physisch zurück- oder vorspulen konnte) und ein Genre (die „verbotenen“ Regale in den Videotheken): ein kleiner, kluger, stimmiger Film. Bert Rebhandl

GB 2021; 84 Min.; R: Prano Bailey-Bond; D: Niamh Algar, Michael Smiley, Nicholas Burns; Kinostart: 29.7.


„Der Atem des Meeres“ von Pieter-Rim de Kroon

„Der Atem des Meeres“ von Pieter-Rim de Kroon. Bild: Real Fiction

DOKU Dokumentarfilm, der in der Region des Wattenmeeres die Schnittstelle zwischen Natur und Kultur erkundet. Der Wind heult, die Wellen rauschen, die Seevögel kreischen, die Kegelrobbe faucht. Eine Forscherin besendert Zugvögel, Kinder spielen mit Quallen im Sand, ein eine Organistin spielt auf der Arp-Schnitger-Orgel von Pellworm. Unkommentiert, Bilder und Töne stehen für sich selbst. Lars Penning

NL 2020, 102 Min., R: Pieter-Rim de Kroon, Start: 29.7.


„Die Dohnal“ von Sabine Derflinger

„Die Dohnal“ von Sabine Derflinger. Bild: eksystent

PORTRÄT Einmal fällt der Satz: „Frauenpolitik ist das Bohren von extrem harten Brettern.“ Johanna Dohnal, die erste Frauenministerin Österreichs und eine der ersten Feministinnen überhaupt in einer europäischen Regierung, schreckte vor keinem Brett zurück, und es sei noch so hart. Sabine Derflinger widmet ihr ein facettenreiches Porträt, so unterhaltsam wie aufrüttelnd. Alexandra Seitz

Ö 2019; 104 Min.; R: Sabine Derflinger; Kinostart: 29.7.


„Die Adern der Welt“

„Die Adern der Welt“ von Byambasuren Davaa. Bild: Pandora

DRAMA Das traditionelle Leben einer mongolischen Nomadenfamilie ist durch das Vorrücken internationaler Minengesellschaften bedroht. Der 12-jährige Amra möchte das Vermächtnis seines Vaters erfüllen und dagegen Widerstand leisten. Sanftes Familiendrama mit einer sensiblen Darstellung von kindlichen Befindlichkeiten. Lars Penning

D/Mongolei 2020, 96 Min., R: Byambasuren Davaa, D: Bat-Ireedui Batmunkh, Enerel Tumen, Yalalt Namsrai, Algirchamin Baatarsuren, Start: 29.7.


„Wer wir sind und wer wir waren“ von William Nicholson

„Wer wir sind und wer wir waren“ von William Nicholson. Bild: Tobis

EHEDRAMA Der zurückhaltende Edward (Bill Nighy) will seine fordernde Frau Grace (Annette Bening) nach 29 Ehejahren für eine andere Frau verlassen. Im Wesentlichen ein mit attraktiven Ansichten eines britischen Küstenortes aufgepepptes Drei-Personen-Theaterstück. Vor allem der wunderbare Charakterschauspieler Nighy überzeugt in diesem Drama des britischen Autors und Regisseurs William Nicholson, das nach einer guten Exposition der Konflikte allerdings irgendwann ein bisschen auf der Stelle tritt. Lars Penning

Hope Gap (OT); GB 2019; 100 Min.; R: William Nicholson, D: Annette Bening, Bill Nighy, Josh O‘Connor, Start: 29.7.


Mehr Kino in Berlin

Hier haben wir das aktuelle Programm der Freiluftkinos; außerdem unser Interview mit dem Schauspieler Daniel Brühl über seinen Film „Nebenan“, der weiterhin im Kino läuft. Die Filmstarts der Woche vom 22. Juli findet ihr hier. Immer neue Texte lest ihr in unserer „Kino“-Rubrik.

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