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Filmstarts der Woche: Von Jordan Peeles „Nope“ zu „Grand Jeté“ von Isabelle Stever

Diese Woche startet der wahrscheinlich ungewöhnlichste Blockbuster seit langem: Der afroamerikanische Kultregisseur Jordan Peele strapaziert mit „Nope“ alle Genregrenzen. Wir finden den Film toll! Sehr gut ist auch „Grand Jeté“, ein kontroverses Drama um eine Mutter-Sohn-Beziehung von Isabelle Stever. Dazu gibt es den diesjährigen Berlinale-Sieger „Alcarràs“ sowie einen großen Dokumentarfilm über Syrien („Republic of Silence“). Die Filmstarts der Woche vom 11. August im tipBerlin-Überblick.

Nope

„Nope“ von Jordan Peele. Foto: Universal

SCIENCE-FICTION-HORROR Seltsame Erscheinungen am Himmel bestärken ein schwarzes Geschwisterpaar, das in Hollywoodnähe eine Ranch mit Filmpferden betreibt, in der Annahme, dass sie es mit Außerirdischen zu tun haben. Mit seinem als als Sommer-Blockbuster tauglichen Film setzt Regisseur und Autor Jordan Peele („Get Out“) seine originellen Genrevariationen fort. Frank Arnold

USA 2022; 130 Min.; R: Jordan Peele; D: Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Steven Yeun, Brandon Perea; Kinostart: 11.8.

„Nope“-Regisseur Jordan Peele ist Hollywoods begehrtester Filmemacher – ein Porträt.

Grand Jeté

„Grand Jeté“ von Isabelle Stever. Foto: 24 Bilder

FILMKUNST Nadja, eine frühere Balletttänzerin, nähert sich nach vielen Jahren der Distanz ihrem nun schon fast erwachsenen Sohn an – in einem Verhältnis, das bald Tabus bricht. Isabelle Stever findet für diese kontroverse Geschichte eine großartige filmische Form, sie belässt dem Begehren seine Rätsel, und setzt auf eine Moral der Autonomie. Bert Rebhandl

D 2022; 104 Min.; R: Isabelle Stever; D: Sarah Grether, Emil von Schönfels, Susanne Bredehöft; Kinostart: 11.8.

Wir haben „Grand Jeté“-Regisseurin Isabelle Stever zum Gespräch getroffen – mehr hier

Alcarràs – Die letzte Ernte

„Alcarràs – Die letzte Ernte“ von Carla Simón. Foto: Piffl

DRAMA Die drei kleinen Kinder, die im Wrack eines alten Citroën sitzen, spielen gerade Raumfahrt. Sie fliegen durchs All geradewegs auf die Sonne zu, da ist es gut, eine Sonnenbrille zu haben, auch wenn die genauso ramponiert ist wie das Auto und nur ein Glas hat. Sie treffen auf ihrer Reise auch auf ein Alien, na klar. Das tatsächliche Alien, das ihnen in der Realität der von ausgedehnten Pfirsichplantagen geprägten, sonnendurchfluteten katalonischen Landschaft begegnet, ist allerdings ein großer gelber Bagger, dessen Führer die Kinder aus ihrem Spielgefährt vertreibt, um selbiges wegzuschleppen.

Die Erwachsenen der Familie Solés sind für diese brennende Neuigkeit jedoch gerade wenig empfänglich: Sie suchen in ihren Unterlagen verzweifelt nach einer Urkunde, einem Vertrag, der die Nutzungsrechte des Landes regelt, auf dem sie ihre Pfirsichplantage betreiben. Dessen Besitzer hat ihnen die Kündigung geschickt, er will auf dem Land einen Solarpark errichten lassen. Die anstehende Pfirsichernte könnte die letzte sein. Und einen Vertrag, so erinnert sich der Opa, gibt es sowieso nicht: Das hat man vor Generationen alles per Handschlag besiegelt, man war doch „befreundet“.  

Der bei der diesjährigen Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Spielfilm „Alcarràs – Die letzte Ernte“ der spanischen Regisseurin Carla Simón zeichnet das Porträt mehrerer Generationen einer bäuerlichen Familie, die unter dem Druck einer Gegenwart auseinanderdriftet, die kaum mehr Raum für eine traditionelle Lebensweise bietet. Sehr genau wird hier die Reaktion der verschiedenen Protagonist:innen auf die neue Situation beschrieben: Der Opa glaubt immer noch, er könne – mit einer gewissen Unterwürfigkeit – die Sache im zwischenmenschlichen Bereich regeln. Der Vater negiert die Realität hartnäckig und hält stur an seiner Existenz als Landwirt fest.

Die Mutter lässt nebenbei schon mal ins Gespräch einfließen, dass man als Solartechniker mehr Geld verdient und sich auch nicht den Rücken krumm schuften muss. Die jüngere Generation blickt sowieso nach vorne und nicht zurück. Da bleiben Spannungen nicht aus. Und Carla Simón vergisst auch die Jüngsten nicht, die sich in ihrem Spiel Erinnerungen an eine Welt schaffen, die es bald nicht mehr geben wird. Der Bagger vom Beginn des Films bleibt keine leere Drohung.

Natürlich besitzt der Film auch eine politische Dimension: die Abhängigkeit von den Großgrundbesitzern, das Preisdiktat des Handels, die Situation afrikanischer Erntehelfer – das alles fließt am Rande immer wieder in die Geschichte mit ein. Ein Pamphlet ist „Alcarrás“ jedoch mitnichten, sondern vielmehr ein liebevoll genauer Blick auf die Menschen einer Gegend, die Carla Simón gut kennt: Verwandte der Regisseurin betreiben tatsächlich seit den Zeiten des Großvaters eine Pfirsichplantage; die Laiendarsteller:innen castete Simón in einer aufwändigen Prozedur in der Region. Und das spürt man in diesem Film besonders deutlich: Hier sind Menschen am Werk, die wirklich wissen, was sie tun und wovon sie reden. Lars Penning

Spanien/Italien 2022; 120 Min.; R: Carla Simón; D: Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin, Xènia Roset; Kinostart: 11.8.

Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr

„Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr“ von Gilles MacKinnon. Foto: Capelight

Der Film zum 9-Euro-Ticket: Diese Reise führt vom obersten Ende der britischen Insel zu ihrem südwestlichsten Punkt, 1.300 Kilometer mit Regionalbussen, deren Benutzung für Rentner in Großbritannien kostenlos ist. Es ist allerdings keine Vergnügungsreise, sondern eine Mission. Der neunzigjährige Tom unternimmt sie nach dem Tod seiner Frau Mary – fast 70 Jahre, nachdem das junge Paar diese Reise in umgekehrter Richtung zurückgelegt hatte. Was er in dem kleinen Koffer mit sich führt, kann man sich denken, warum das junge Paar damals nach dem größtmöglichen geographischen Abstand strebte, erfährt man erst kurz vor Schluss.

Als Reise in die Vergangenheit durch die Wiederbegegnung mit den Orten von damals folgt sie einem exakten Plan, aber wie so oft in Road Movies sind die erinnerungswürdigsten Momente jene, die nicht geplant sind – wenn Tom andere überrascht (etwa durch seine Fähigkeiten als Mechaniker), oder aber von anderen überrascht wird. Was gar nicht so einfach ist, denn zunächst herrscht da Distanz: Tom, mit heruntergezogenen Mundwinkeln und unwirschem Gesichtsausdruck, ist einer, der einfach in Ruhe gelassen und nicht immer auf sein Alter angesprochen werden will.

„The Last Bus“ (so der lakonische Originaltitel) ist dabei durchaus zeitgemäß, vor allem wenn das Geschehen immer wieder mit Smartphones festgehalten wird. Schade allerdings, dass der Film neben eindrucksvollen längeren Sequenzen auch viele kurze enthält, die zu sehr auf Komik getrimmt sind. Dennoch ist „The Last Bus“ weniger ein Feelgood Movie, sondern vielmehr eine berührende Geschichte über die Liebe und das Altern, getragen von Hauptdarsteller Timothy Spall. Frank Arnold

GB 2021; 86 Min.; R: Gillies MacKinnon; D: Timothy Spall, Phyllis Logan, Natalie Mitson; Kinostart: 11.8.

Mike Marzuk will mit „Der junge Häuptling Winnetou“ bei Karl May anschließen

„Der junge Häuptling Winnetou“ von Mike Marzuk. Foto: Leonine

ABENTEUER Vom Häuptlingssohn zum Häuptling ist es ein weiter Weg, das muss der zwölfjährige Winnetou lernen, der sich häufiger mal selbst überschätzt und dadurch den Unmut seines Vaters auf sich zieht. Aber dann sieht er eine Chance sich zu beweisen: Gemeinsam mit dem Waisenjungen Tom will er herausfinden, ob die Banditen, die Tom aufgenommen haben, hinter dem Verschwinden der Büffel stecken.

„Winnetou“: Der Name weckt Kindheitserinnerungen – an frühe Filmbesuche, die Lektüre zahlreicher kleingedruckter Romane, die Bravo-Starschnitte von Pierre Brice und Lex Barker im Filmoutfit, die Langspielplatten mit der Musik von Martin Böttcher. Nun also eine Wiederbelebung als Familienunterhaltung. Gedreht in der imposanten Landschaft Andalusiens, die schon für italienische und amerikanische Western als Kulisse diente, gefällt der Film anfangs durch seinen ernsthaften Tonfall, den man von Regisseur Mike Marzuk („Verrückt nach Fixi“) nicht unbedingt erwartet hätte.

Den hält der Film allerdings nicht durch – wenn Anatole Taubman als Oberschurke auftaucht, dann kann man zwar nachvollziehen, dass die Figur eine gewisse Lächerlichkeit ausstrahlen muss, damit sie nicht zu bedrohlich für das junge Publikum wirkt – aber muss das unbedingt durch überzogenes Spiel erreicht werden?

„Der junge Häuptling Winnetou“ ist ein Kinomärchen, das das Hohelied der Freundschaft anstimmt, kulminierend in einer Blutsbrüderschaft am Ende – all das könnte aus den Karl-May-Filmen der 60er-Jahre stammen. Ob sich heutige Kinder darauf einlassen können, wenn ihre (Groß-)Eltern nicht einen entsprechenden Anstoß geben?  Frank Arnold

D 2022, 103 Min., R: Mike Marzuk, D: Mika Ullritz, Milo Haaf, Lola Linnéa Padotze, Start: 11.8.


Republic of Silence

„Republic of Silence“ von Diana El Jeiroudi. Foto: Salzgeber

DOKUMENTARFILM Seit sie sieben Jahre alt war, nimmt sie Bilder auf, lässt Regisseurin Diana El Jeiroudi den Zuschauer zu Beginn mittels einer Einblendung wissen. Immer wieder werden im Lauf der folgenden drei Stunden kurze Notizen auf der Leinwand erscheinen, teils erklärende Texte, die den oft disparat wirkenden Bildern einen Kontext geben, teils persönliche Notizen, wie man sie in einem Tagebuch finden würde.

Nicht von ungefähr, denn „Republic of Silence“ ist ein sehr persönlicher, essayistischer Dokumentarfilm, der lose Bilder, Gedanken und Beobachtungen verknüpft und vom Schicksal eines Landes, vor allem aber eines Paares erzählt. Neben der Regisseurin ist das Orwa Nyrabia, ein international bekannter Filmemacher, Kurator und Aktivist.

2012 war er für einige Woche verschwunden, nach seiner Einreise in Syrien verhaftet und nicht aufzufinden. Filmemacher und Freunde aus aller Welt forderten damals seine Freilassung, die auch bald erfolgte. Was man in „Republic of Silence“ allerdings nur ahnen kann, wie ohnehin vieles im Unbestimmten bleibt. Einen Film, der die Geschichte des Syrien-Konflikts nachzeichnet, darf man nicht erwarten. Zwar verwendet El Jeiroudi auch historische Aufnahme, zeigt etwa Baschar al-Assad, wie er 2000 vor dem Parlament vereidigt wird und die Macht von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater übernimmt, doch den Kontext muss man selbst mitbringen. Etwa, dass mit seinem Machtantritt die Hoffnung verbunden war, dass sich Syrien öffnet, vielleicht sogar demokratischer wird, eine Hoffnung, die sich bald zerschlug und inzwischen, angesichts eines mit brutalsten Methoden geführten Bürgerkriegs geradezu phantastisch erscheint. Michael Meyns

D/Syrien 2021; 183 Min.; R: Diana El Jeiroudi; Kinostart: 11.8.

Sweet Disaster

„Sweet Disaster“ von Laura Lehmus. Foto: MFA+

KOMÖDIE Romantische Komödien enden gemeinhin mit dem großen Glück, sie beginnen nicht damit. Wenn also die Hauptfigur von Laura Lehmus’ „Sweet Disaster“ schon nach fünf Minuten auf Wolke Sieben schwebt, ahnt man, dass hier manches anders ablaufen soll, als man es gewohnt ist. Allerdings muss man auch sehr schnell feststellen, dass anders erzählen keineswegs besser erzählen bedeutet.

Auf eigenen Erfahrungen basiert der Debütfilm von Laura Lehmus, die bislang einige Kurzfilme gedreht und als Artdirektorin gearbeitet hat, was man ihrem Film auch anmerkt: Einen Hang zur Stilisierung und Überzeichnung zeichnet „Sweet Disaster“ aus, was schon bei der Hauptfigur anfängt. Frida (Friederike Kempter) ist 40, arbeitet als Erzieherin im Kindergarten und hat ein überaus kindliches Gemüt. Am Flughafen lernt sie den Piloten Felix (Florian Lukas) kennen, einen Moment später liegt das Paar glückstrahlend im Gras, einen weiteren Moment später ist Frida schwanger. Dummerweise ist das Ganze für Felix nur eine Affäre, er kehrt bald zu seiner Frau zurück, und Frida ist wieder allein.

Das könnte nun eine Geschichte über eine emanzipierte Frau werden, die allein das späte Mutterglück meistert, vielleicht auch ein Film über die Hürden, die die deutsche Gesellschaft einer alleinerziehenden Frau in den Weg stellt. Was sie erzählen will, scheint Laura Lehmus allerdings nicht genau zu wissen. Das Drehbuch ließ sie die erfahrene Autorin Ruth Toma schreiben, die immerhin schon Bücher zu soliden Filmen wie „Solino“ oder „Der Junge muss an die frische Luft“ verantwortet hat, hier allerdings alle paar Minuten Genre und Tonfall wechselt.

Mit fast schon bemerkenswerter Konsequenz setzt sich „Sweet Disaster“ zwischen alle Stühle, scheint mal Drama, mal romantische Komödie sein zu wollen, und versucht dann immer wieder, als deutsche Variante der „Zauberhaften Welt der Amélie“ zu funktionieren. Doch Fridas Fantasiewelten bestehen aus kaum mehr als extremen Zeitlupen und sehr bunten Kostümen. Ob den Macher:innen hier Fantasie oder Geld fehlten, lässt sich schwer sagen. Sehr gewollt mutet das an, weniger von ausgearbeiteten, runden Figuren ausgehend, als vom Wunsch getragen, alles anders zu machen. Wie oft, zu oft im deutschen Kino, sind es am Ende vor allem die Darsteller, die aus einem Film mit einem unterentwickelten, unentschlossenen Drehbuch herausstechen, die das Beste aus einer zwar im Ansatz ambitionierten, aber in der Ausführung reichlich missglückten Sache machen. Michael Meyns

D 2021; 93 Min.; R: Laura Lehmus; D: Friederike Kempter, Florian Lukas, Lena Urzendowsky; Kinostart: 11.8.

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