• Kino & Stream
  • Filme
  • Die Filmstarts der Woche: Von „Drei Etagen“ von Nanni Moretti bis Céline Sciammas „Petite Maman“

Neu im Kino

Die Filmstarts der Woche: Von „Drei Etagen“ von Nanni Moretti bis Céline Sciammas „Petite Maman“

Diese Woche gehört vor allem dem gehobenen Autorinnenfilm. Nadav Lapid, der schon einmal die „Berlinale“ gewonnen hat (mit „Synomymes“), führt mit „Aheds Knie“ in die Wüste im südlichen Israel – und tief in die Probleme eines Landes, das seinen Künstlern misstraut. Nanni Moretti erzählt mit „Drei Etagen“ ein Familiendrama, in dem er selbst eine Hauptrolle hat. Und von Céline Sciamma kommt „Petite Maman“ ins Kino, der auf der Berlinale Premiere hatte. Dazu zwei Kinderfilme. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick

Aheds Knie

„Aheds Knie“ von Nadav Lapid. Foto: Grandfilm

DRAMA Ein Filmemacher kommt in ein Kaff in der Wüste im südlichen Teil Israels. Er soll dort eine seiner Arbeiten vorstellen und gerät dabei in eine Auseinandersetzung mit der jungen Biblithekarin Yahalom. Nadav Lapid versucht, mit einem experimentellen, intensiven Film kritisch zur Politik des Staates Israel Stellung zu beziehen. Bert Rebhandl

Ha’berech (OT); Israel/F/D 2021; 101 Min.; R: Nadav Lapid; D: Avshalom Pollak, Nur Fibak, Yoram Honig; Kinostart: 17.3.

Drei Etagen

„Drei Etagen“ von Nanni Moretti. Foto: Happy Entertainment

Ein Wohnhaus in einem eher wohlhabenden Viertel Roms, vier Parteien in verschiedenen Lebensabschnitten über die titelgebenden drei Stockwerke verteilt. Wer Nanni Morettis Filme kennt und mag, weiß, dass der mit „Liebes Tagebuch“ bekannt gewordene Römer gerne mit wie beiläufig Inszeniertem tief im Allzumenschlichen schürft. So auch hier. Wobei Moretti mit „Drei Etagen“ zum ersten Mal auf eine nicht selbstverfasste Vorlage zurückgreift, sondern auf den Roman „Über uns“ von Eshkol Nevo, dessen Geschehnisse er von Tel Aviv nach Rom verlegt.

Ein Autounfall mit Todesfolge direkt vor dem Haus ist der Auslöser dramatischer Entwicklungen innerhalb mehrerer Familien im Haus. Der betrunkene Fahrer ist der Sohn des Richterehepaars von ganz oben, sein Wagen schleudert ins Erdgeschossbüro von Familienvater Lucio, der seine kleine Tochter öfter zum Babysitten in die Obhut des alten Nachbarehepaars abgibt. Im Laufe der Ereignisse verdächtigt Lucio den leicht senilen Renato, sich dem Kind unsittlich genähert zu haben, derweil leidet eine alleinerziehende Mutter in der Wohnung darüber an der beruflichen Abwesenheit ihres Mannes. Richter Vittorio (mit alttestamentarischer Strenge von Moretti selbst gespielt) bricht mit dem Sohn und darüber fast auch mit seiner Frau, und Lucio steigert sich in seine Verdächtigungen hinein, die sogar einen Übergriff seinerseits auf die verführerische Enkelin des alten Mannes samt anschließender Anklage zur Folge haben. Familien zerbrechen, vom nachbarschaftlichen Miteinander ganz zu schweigen.

Das Treiben des vielköpfigen Ensembles, das Moretti souverän miteinander verwebt, wird durch zwei Zeitsprünge von jeweils fünf Jahren komprimiert, die zeigen, wohin das Verhalten der Figuren sie in ihren jeweiligen Situationen gebracht hat. Nanni Moretti beherrscht die Kunst des Kinos, den Menschen auf verdichtete Weise beim Leben zuschauen, seit Jahren. Obwohl er nicht mehr beschwingt auf seiner Vespa durch Rom gondelt und sein politischer Furor einer bürgerlichen Milde, einer vielleicht zu rigorosen Sehnsucht nach Aussöhnung gewichen ist, und auch wenn „Drei Etagen“ nicht an die schmerzende Wahrhaftigkeit von „Das Zimmer meines Sohnes“ heranreicht, sehen wir doch gerührt zu und erkennen: Frauen müssen noch immer das wieder in Ordnung bringen, was Männer unbedacht anrichten. Gerald Jung

Tre Piani (OT); I/F 2021; 117 Min.; R: Nanni Moretti; D: Margherita Buy, Riccardo Scamarcio, Alba Rohrwacher; Kinostart: 17. 3.

Petite Maman

„Petite Maman – Als wir Kinder waren“ von Celine Sciamma. Foto: Alamode Film

Zwei Mädchen begegnen sich im Wald. Beide sind mit acht Jahren gleich alt und besitzen eine frappierende Ähnlichkeit miteinander. Sie haben sich zuvor noch nie gesehen, und doch sind sie auf profunde Weise verbunden. Céline Sciamma („Porträt einer jungen Frau in Flammen“), die auch bei ihrem fünften Spielfilm für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, kreiert in „Petite maman“ eine der Zeit enthobene Welt. In ihr spielt ein Haus, beinahe verschluckt von einer herbstlichen Szenerie, eine tragende Rolle. Unmoderne Tapeten an den Wänden, ein alter, summender Kühlschrank in der Küche, einige Möbelstücke bedeckt von weißen Laken. Es ist das Heim von Nellys (Joséphine Sanz) Großmutter, die gerade verstorben ist. Gemeinsam mit ihren Eltern verbringt das überaus autonom agierende Kind einige Tage hier.

Kosmos der Vergangenheit: Céline Sciamma erforscht in „Petite Maman“ ein Haus

Es ist ein fragiler Moment im Leben der Familie, einer, der es vermag, die feste Verortung in der Gegenwart aufzuweichen. So versinkt Nellys Mutter in ihren alten Schulheften, während ihre Tochter sich an altertümlichem Spielzeug versucht. Und dann ist da plötzlich Marion (Gabrielle Sanz), die im Wald ein Tipi aus Ästen errichtet, und mit ihrer Mutter ganz in der Nähe ein nahezu identisches Quartier bewohnt. Ein behaglicher und trotzdem bedrückender Ort, der zum Zentrum der neuen Freundschaft wird. Céline Sciamma geleitet subtil durch jenen magischen, von Gerüchen der Vergangenheit durchzogenen Kosmos, in denen uralte Ängste, Trauer und Spiel beheimatet sind, in dem goldenes Licht durch die Fenster schimmert und ein schwarzer Panther des Nachts vor dem Bett lauert. Eine Ode an die Kindheit, in der nichts unmöglich scheint. Carolin Weidner

F 2021; 72. Min.; R: Céline Sciamma; D: Joséphine Sanz, Gabrielle Sanz, Nina Meurisse; Kinostart: 17.3.

Der Wolf und der Löwe

„Der Wolf und der Löwe“ von Gilles de Maistre. Foto: Studiocanal

KUSCHELFILM Tierkinder gehen immer. Automatisch lösen knuddelige Fellknäuel mit großen Augen bei uns Menschen den Ach-wie-süss-Effekt aus. Das müssen sich auch die Macher des französisch-kanadischen Films „Der Wolf und der Löwe“ gedacht haben, die darin von einer doch recht ungewöhnlichen Freundschaft der beiden titelgebenden Tierkinder in der Natur einer kanadischen Insel erzählen.

Allerdings war es wohl auch der einzige Gedanke, denn eine schlüssige Dramaturgie besitzt dieser penetrante Kuschelfilm nicht, der sich äußerst mühsam an einer allenfalls rudimentär zu nennenden Story entlanghangelt und das wenige Geschehen mit süßlicher Musik zukleistert: Alma (Molly Kunz) ist eine angehende klassische Pianistin, deren bisheriges Leben aus Üben und der peniblen Vorbereitung auf ihre Abschlussprüfung an einem New Yorker Konservatorium bestanden hat. Doch dann erbt sie die kleine Insel ihres verstorbenen Großvaters in Kanada, die Tierkinder fallen ihr unvermittelt in den Schoß – und was ist schon ein Job in einem renommierten Orchester gegen das Kuscheln mit Wolf und Löwe?

Irgendwie, man ahnt es, stößt sie dabei noch auf ein paar kleinere Schwierigkeiten: Da gibt es einen Forscher, der gern Wölfe in Käfige sperrt, und einen Zirkusdompteur, der gern Löwen dressiert. Aber keine Sorge, alles nicht so schlimm: Die Tiere erweisen sich als clevere Ausbrecherkönige, und das Happyend ist garantiert. Falls man es schafft, solange wach zu bleiben. Man kann einige Säugetiere bekanntlich in eine Art wohliges Koma kraulen. Geht bei Menschen möglicherweise auch. Lars Penning

Le loup et le lion (OT); F/CDN 2021; 99 Min.; R: Gilles de Maistre; D: Molly Kunz, Grahame Greene, Charlie Carrick; Kinostart: 17.3.

Die Häschenschule – Der große Eierklau

„Die Häschenschule – Der große Eierklau“ von Ute von Münchow-Pohl. Foto: Leonine

ANIMATION Dass der Vorgängerfilm „Die Häschenschule – Jagd nach dem goldenen Ei“ (2017) seinerzeit für das Generation-Programm der Berlinale ausgesucht wurde, war durchaus als eine Qualitätsauszeichnung zu verstehen, der das Animationsabenteuer um den kleinen Stadthasen Max und seine auf dem Land lebenden Freunde der Häschenschule allemal gerecht wurde. Mit demselben Team – der routinierten Animationsregisseurin Ute von Münchow-Pohl und den Autorinnen Katja Grübel und Dagmar Rehbinder –  entstand jetzt ein zweiter Kinofilm um „Die Häschenschule“, der mit dem klassischen Bilderbuch von Albert Sixtus und Fritz Koch-Gotha aus dem Jahr 1924 eigentlich nur noch den Namen gemeinsam hat.

Die pädagogischen Konzepte von einst bedurften logischerweise einer Generalüberholung, und so geht es in der modernen Häschenschule vor allem um Gemeinsinn, Freundschaft und die Überwindung von Vorurteilen. Im Mittelpunkt steht dabei einmal mehr der egozentrische und vorlaute Stadthase Max, der seine Sätze gern mit „ich…“ beginnt und erst lernen muss, dass man in der Gemeinschaft die Probleme besser mit einem „wir“ lösen kann. Das ist auch nötig, denn der Hasenrowdy Leo will alle Ostereier stehlen, um Ostern ein für allemal zu beenden. Das versuchen die anderen Hasen natürlich zu verhindern und finden einen unvermuteten Verbündeten in dem Fuchs Ferdinand, dem man aber auch erst einmal zu vertrauen lernen muss. Geschickt bedient sich der Film in der Darstellung seiner Konflikte des Erfahrungshorizonts der avisierten Zielgruppe von Erstklässlern und bietet mit attraktiven Figuren und dezenter Didaktik ein ausgesprochen flottes Kinder-Abenteuer. Lars Penning

D 2022; 75 Min.; R: Ute von Münchow-Pohl; Kinostart: 17.3.


Mehr zum Thema

Die Filmstarts der Vorwoche mit „Parallele Mütter“ von Pedro Almodóvar haben wir hier. Ihr wollt Hintergrundinfos zu Filmen, Interviews mit Schauspieler:innen und erfahren, welche Kinos es sich besonders zu besuchen lohnt? Dann schaut in unsere Kino & Streaming-Rubrik. Solltet ihr wissen wollen, was sonst so läuft, kann das Kinoprogramm aushelfen.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin