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Filmstarts der Woche: Von „Jagdsaison“ bis zu „Der Gesang der Flusskrebse“

Die Woche vom 18. August kommt im Kino ohne eigentlichen Spitzentitel aus. Die deutsche Komödie „Jagdsaison“ hat aber das Zeug für einen Hit, zumal Regisseur Aron Lehmann nach „Das schönste Mädchen der Welt“ viele Fans haben dürfte. Auch „Mein Lotta-Leben“ wird sicher sein Publikum finden, wie auch die Bestsellerverfilmung „Der Gesang der Flusskrebse“. Aber unser Lieblingsfilm diese Woche ist eine Doku: „Wettermacher“ von Stanislaw Mucha. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.

„Jagdsaison“ von Aron Lehmann

„Jagdsaison“ von Aron Lehmann. Foto: Tobis

KOMÖDIE Ich muss gestehen, dass ich vor Aron Lehmanns Komödie „Jagdsaison“ noch nie von Jahresringen am Anus gehört hatte, aber man lernt ja nie aus. Solche und ähnliche Derbheiten bilden den Überbau eines Frauenfilms, in dem drei Frauen ganz Frau sind und merken, dass gute Freundinnen meist wichtiger sind als Männer.

Im Mittelpunkt des Trios steht Eva, gespielt von Rosalie Thomass, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten Aron Lehmann und Lea Schmidbauer auch das Drehbuch schrieb, das wiederum auf einem dänischen Film basiert. Eva ist ausgesprochen tollpatschig, stets sehr bunt angezogen, raucht wenn sie Stress hat, also fast immer,  und wurde vor drei Jahren für die jüngere, erfolgreichere und straffere Bella (Almila Bragiacik) verlassen. Dritte im Bunde ist Marlene (Marie Burchard), eigentlich die beste Freundin von Eva, die dank der Kinder aber auch zunehmend mit Bella befreundet ist und gerne einen großen Burgfrieden initiieren würde.

Zu diesem Zweck (und damit Marlene einen feschen Jäger wegvögelt, um ihre Ehe zu retten – fragt lieber nicht…) verbringt das Trio ein Wellnesswochenende an der Ostsee, in dessen Verlauf sich durchaus bemerkenswerte Lebensweisheiten unter den Derbheiten offenbaren. Hat man zu diesem Zeitpunkt schon zwei, drei Proseccos intus, könnten die Montagesequenzen zu Retro-Pophits wie „Lovefool“ von den Cardigans oder Roxettes „Spending My Time“ und die kathartischen Meinungsverschiedenheiten der Freundinnen tatsächlich zu Tränen rühren. Ob das allerdings als emanzipiertes Kino durchgeht, da bin ich mir nicht so sicher, aber das macht auch nichts: Als Mann ist man hier nicht Zielgruppe, sondern durchaus verdientes Opfer von allerlei Bosheiten. Michael Meyns

D 2022; 93 Min.; R: Aron Lehmann; D: Rosalie Thomas, Marie Burchard, Almila Bragiacik; Kinostart: 18.8.

Wettermacher

„Wettermacher“ von Stanislaw Mucha. Foto: W-Film

DOKU Sehr hoch oben im russischen Norden liegt die Polarstation Chodowaricha. Drei Menschen leben hier auf engem Raum und in notdürftigsten Verhältnissen, im Winter immer auf der Hut vor Eisbären. Wladimir, Sascha und Alexander nehmen Wetterdaten auf, und melden sie an eine Zentrale, von der man in Stanislaw Muchas Dokumentarfilm „Wettermacher“ kaum etwas mitbekommt. Meistens werden die Wetterdaten mündlich per Funk durchgegeben, denn das Internet funktioniert auch über Satellit nicht so gut in dieser Gegend. Ein Leuchtturm, der kaum mehr gebraucht wird, steht in der Landschaft herum wie ein Denkmal einer vergessenen Religion. Ab und zu kommen Nenzen vorbei, das sind Ureinwohner dieser fernen Gegend. Aber meistens sind die drei Leute allein mit sich und den Elementen. Sie haben alle ihre Geschichten hinter sich, ein bisschen wirken sie wie Gestrandete.

Spannungen bleiben nicht aus, zwei Männer und eine Frau, das birgt auch Risiken, die Stanislaw Mucha in „Wettermacher“ nicht verschweigt. Schon zuletzt in „Kolyma – Straße der Knochen“ hatte der in Polen geborene, in Deutschland lebende und arbeitende Dokumentarist eine Landschaft in Russland zu seinem Thema gemacht. Mit „Wettermacher“ präsentiert er nun einen Außenposten der menschlichen Zivilisation, an dem man den Eindruck bekommen könnte, dass die Zeit langsamer vergeht. Während sich zwischen Wladimir einerseits und Sascha und Alexander andererseits ein stilles Drama entwickelt, protokolliert Mucha den Alltag in einer Situation, die nichts Alltägliches hat. Ein sehenswerter Extremdokumentarfilm. Bert Rebhandl

D 2021; 92 Min.; R: Stanislaw Mucha; Kinostart: 18.08.

„Der Gesang der Flusskrebse“ nach dem Bestseller von Delia Owens

„Der Gesang der Flusskrebse“ von Olivia Newman. Foto: Sony

Catherine, genannt Kya, ist das Marschmädchen. So bezeichnen die Anwohner der nächsten kleinen Stadt in North Carolina das Mädchen, das in großer Armut in einem Haus im gezeitenabhängigen Salzmarschland an der Küste aufwächst. Und wenn sie es böse meinen, dann nennen sie die Familie Sumpfgesindel. Denn Kya hat keinen guten Start ins Leben: Die Mutter verlässt den alkoholkranken, gewalttätigen Vater schon bald, ihr folgen die Geschwister, schließlich kommt auch der Vater nicht mehr nach Hause. Da hat Kya aber schon ganz gut gelernt, alleine zurecht zu kommen. Was sie in ihrer totalen Einsamkeit nicht gelernt hat, ist der Umgang mit Männern sowie den Umstand, dass Liebe auch weh tun kann.

Regisseurin Olivia Newman liefert mit „Der Gesang der Flusskrebse“ eine ziemlich getreue Verfilmung des gleichnamigen Debütromans der Zoologin Delia Owens ab und übernimmt dabei auch die Struktur des Romans, der Kyas Lebensgeschichte (von den frühen 1950er-Jahren bis in die späten 1960er) mit einer Mordermittlung und einem Gerichtsprozess aus dem Jahr 1970 alterniert. Denn Kyas Ex-Freund Chase liegt eines Tages tot am Fuß eines alten Feuerwachtturms im Marschland – und Kya, inzwischen eine anerkannte Autorin naturkundlicher Bücher, ist die Hauptverdächtige. Was Roman und Film zweierlei Spannungsmomente verleiht: Werden die Geschworenen bei der Urteilsfindung ihre Vorurteile gegen das Marschmädchen überwinden können? Und was ist wirklich passiert?

Das klingt interessant – und hätte noch spannender und interessanter sein können, wäre der Film in seiner Anmutung nicht so irrsinnig konventionell. Hätte man von einer Coming-of-Age-Story aus der Wildnis nicht etwas Wilderes erwarten können? Interessanterweise wurde das Drehbuch von Lucy Alibar geschrieben, die einst auch das Skript zu „Beasts of the Southern Wild“ (2012) verfasst hatte – das war mal ein wilder Film. Hier wirkt alles so, als handle es sich um die Lebensgeschichte einer Steuerfachgehilfin aus Tennessee. Wohlgemerkt: Das ist alles nicht schlecht, aber irgendwo steckt in diesem Stoff noch ein besserer Film. Einer, der möglicherweise mehr auf Einsamkeit und Natur eingeht und sich etwas weniger bei den emotionalen Momenten der Geschichte aufhält.  Lars Penning

USA 2022; 125 Min.; R: Olivia Newman; D: Daisy Edgar-Jones, Taylor John Smith, David Strathairn; Kinostart: 18.8.

Il mio corpo

„Il Mio Corpo“ von Michele Pennetta. Foto: Salzgeber

DOKU Dieser Film ist wie eine einzige Autofahrt mit verstaubten Vehikeln durch die trockene Landschaft und sengende Sonne Siziliens. Teenager Oscar fährt mit seinem Vater und seinem Bruder jeden Tag Müllhalden ab, um dort Altmetall zu finden, das sie billig weiterverkaufen. Stanley, etwa Mitte 20 und aus Nigeria geflüchtet, verteilt mit dem Pfarrer der Gemeinde, die ihm Schutz bietet, regelmäßig Hilfsgüter oder putzt in der Kirche. Auch diese beiden Menschen sitzen oftmals gemeinsam im Auto.

Sowohl Oscar, der ohne leibliche Mutter beim Vater aufwächst, als auch Stanley, der zunächst nur eine Aufenthaltsgenehmigung für zwei Jahre hat, sind abhängig von den Entscheidungen, dem Schutz anderer. Obwohl die beiden Protagonisten erst in den letzten zehn Filmminuten aufeinander treffen, verknüpft Regisseur Michele Pennetta ihre Schicksale gedanklich und ästhetisch: Oscar trägt ein rotes Shirt, Stanley rote Shorts, die wie das einzig Lebendige in der staubigen Landschaft wirken. „Il Mio Corpo“ ist das dokumentarische Porträt zweier Menschen, die unabhängig voneinander still nach einem besseren Leben fragen. Pennetta wirft einen unverblümten Blick auf die Themen Armut und Einsamkeit und die Frage, ob am Ende nur der eigene Körper einem selbst gehört.

Auf dem Filmfestival Visions du Réel in Nyon und bei ACID in Cannes wurde der Film bereits gefeiert und 2021 für den Schweizer Filmpreis als Bester Dokumentarfilm nominiert. Pennetta stellt mit diesem Werk eindrucksvoll und authentisch die Kontraste eines Landes dar und die Nöte derer, die dort wohnen. Man bleibt mit dem Röhren des Motors im Ohr und angemessen nachdenklich vor der Leinwand zurück. Luisa-Marie Kauzmann

I/CH 2020; 80 Min.; R: Michele Pennetta; Kinostart: 11.8.

7 Years of Lukas Graham

„7 Years of Lukas Graham“ von René Sascha Johannsen. Foto: Filmperlen

Anfangs wirkt der junge Mann ein wenig überheblich. Ungeduldig im Hotelzimmer in Los Angeles, den Eindruck vermittelnd, seine Kreativität könne sich in dieser Umgebung nicht entfalten, oder selbstbewusst verkündend: „Meine Eltern sagten, ich war ein geborener Entertainer“. Aber im Lauf dieses Films vermag es Lukas Forchhammer, uns davon zu überzeugen, dass er Talent und Charisma besitzt. Lukas Forchhammer ist der Sänger der dänischen Band Lukas Graham, deren Aufstieg dieser Dokumentarfilm über sieben Jahre lang verfolgt. „7 Years“ ist zugleich der Song, mit dem sie den großen Durchbruch hatten.

Der Film konzentriert sich fast gänzlich auf Lukas Forchhammer – was durchaus Sinn macht, denn die stärksten Songs der Band sind die, in denen Lukas‘ Stimme im Vordergrund steht: Von spärlichen Klavierakkorden begleitet, erzählt er persönliche Geschichten, die das Publikum zu berühren vermögen. Irritierend dabei ist allerdings, dass der Film dies mit asynchronen Bildern unterlegt, die die anderen Bandmitglieder in voller Aktion zeigen – auf den Alben der Band spielen Bläser und Streicher eine wichtige Rolle.

Dass Forchhammer eine einnehmende Persönlichkeit ist, macht der Film deutlich. In den späteren Passagen sieht man ihn wiederholt als liebevollen Vater seiner neugeborenen Tochter. Das ist ihm dann auch schon mal wichtiger, als für ein weiteres Selfie zu posieren, obwohl man ihn oft genug dabei und beim Autogrammschreiben sieht. Beeindruckend sind kleine, hingeworfene Momente, so wie wenn er, an einem Tresen stehend, einen gerade gedichteten Rap vorträgt. Frank Arnold

DK 2021; 78 Min.; R: René Sascha Johannsen; Kinostart: 18.8.

Mein Lotta-Leben

„Mein Lotta-Leben – Alles Tschaka mit Alpaka“ von Martina Plura. Foto: Wild Bunch

JUGENDFILM Schon wieder Klassenfahrt! Das wird wohl kein Schüler sagen, steht doch die Klassenfahrt für Nicht-Unterricht und erhoffte neue Erfahrungen. Aber als Kinogänger kann man sich diesen Stoßseufzer nicht verkneifen, ist es doch keine sechs Wochen her, dass Alfons Zitterbacke auf Klassenfahrt ging. Nun also auch Lotta Petermann in ihrem zweiten Kinofilm.

Die Figurenkonstellation folgt altbewährten Mustern: beste Freundin (Cheyenne) plus bester Nerd-Freund (Paul) sowie ein neuer Mitschüler, Rémi, selbstredend mit einem süßen französischen Akzent. Auf der anderen Seite wieder die (G)Lämmer Girls um die eingebildete Berenike. Problem für Lotta: Die Klassenfahrt kann nur stattfinden, wenn sich ein Freiwilliger für den plötzlich erkrankten Lehrer meldet – aber musste es ausgerechnet ihr Vater sein?

Ein Gruselaspekt um einen vermeintlichen Fluch im Schullandheim sorgt für einige neue Akzente, und dass Lotta diesmal ganz schön unleidlich sein kann, ist ebenfalls nicht uninteressant. Auch wenn schnell klar ist, dass das eher dazu dient, eigene Gefühle in Sachen Rémi zu verbergen. Wie es sich für den Schauplatz, die Nordseeinsel Amrum, gehört, gibt es auch eine Wattwanderung samt aufkommender Flut, die am Ende für Suspense sorgt. Frank Arnold

D 2022, R: Martina Plura, D: Meggy Hussong, Yola Streese, Levi Kazmaier, Oliver Mommsen; Kinostart: 18.8.

Einer der radikalsten Filme des Jahres: Wir haben mit der Regisseurin Isabelle Stever über „Grand Jeté“ gesprochen. Ebenfalls letzter Woche gestartet: „Nope“, für uns einer der Filme des Jahres. Hier ein Porträt des Kultregisseurs Jordan Peele. „Die Erwartungen an Frauen sind viel höher“: Unser Interview mit Marie Kreutzer über „Corsage“ lest ihr hier. Immer auf dem Laufenden bleiben: Kinostarts, News, Rezensionen und mehr in unserer Rubrik für Kino und Stream. Was läuft wann? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin.

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