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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Babylon – Rausch der Ekstase“ bis „Das Hamlet-Syndrom“

Nach „La La Land“ konnte Damien Chazelle mit seinem nächsten Film in die Vollen gehen: „Babylon – Rausch der Ekstase“ ist in der Kinowoche vom 19. Januar 2023 der Spitzentitel, ein nostalgisch-überdrehter Film über Hollywood. Daneben punkten diese Woche vor allem die Dokus, zum Beispiel der ukrainische Film „Das Hamlet-Syndrom“. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


Babylon – Rausch der Ekstase

„Babylon – Rausch der Ekstase“ von Damien Chazelle. Foto: Paramount

DRAMA Hollywood wird zunehmend zu einen Mythos. In der Gegenwart spielt die amerikanische Filmindustrie zunehmend auf Nummer Sicher (Superhelden bis zum Abwinken). Da ist es nicht verwunderlich, dass der eine oder andere nostalgisch wird. Quentin Tarantino verortete den Niedergang in den späten 60er Jahren („Once Upon a Time in Hollywood“). Damien Chazelle („La La Land“) geht nun mit „Babylon – Rausch und Ekstase“ noch eine Generation weiter zurück. Für ihn ist der entscheidende Moment die Erfindung des Tonfilms kurz vor 1930. Davor war das Kino nach Meinung vieler eine Kunst eigenen Rangs, danach wurde es zu einem Vorspiel des Fernsehens, denn nun konnte gequasselt werden.

Verglühendes Starlet: Margot Robbie in „Babylon“

„Hollywood Babylon“ heißt auch eines der berühmten Bücher über die Ära, eine Skandalchronik, von der Chazelle sich offensichtlich inspirieren lässt. Denn sein hektischer Film schwitzt Dekadenz durch jede Pore aus. Brad Pitt spielt einen Star, der den Sprung in das neue Zeitalter nicht so richtig schafft, Margot Robbie spielt eines der schnell verglühenden Starlets, Diego Calva einen mexikanischen Spediteur, den das rasante Filmgeschäft kurz ganz nach oben spült. Chazelle geht mit dem dreistündigen „Babylon – Rausch der Ekstase“ aufs Ganze: zugleich Grabrede und Apotheose in einem Feuerwerk an Regie-Ideen, die aber alle relativ wirkungslos verpuffen. Bert Rebhandl

USA 2022; 188 Min.; R: Damien Chazelle; D: Diego Calva, Margot Robbie, Brad Pitt; Kinostart: 19.1.

Das Hamlet-Syndrom

„Das Hamlet Syndrom“ von Elwira Niewiera und Piotr Rosolowksi. Foto: Real Fiction

DOKU „Ich bin Hamlet, weil ich noch am Leben bin“, sagt ein Schauspieler, der an einem Theater in Kyjiw die Shakespeare-Tragödie probt. Es geht um Zugänge zu einem Klassiker, die mit der Situation der Ukraine im Krieg zu tun haben. Die paar Männer und Frauen, die das Ensemble ausmachen, waren alle im Einsatz im Osten des Landes, wo seit 2014 schon gekämpft wird. Damals hat Russland in der Donbas-Region mit Hilfe von Freischärlern einen Teil des Landes besetzt. Die Theaterproben sollen dazu dienen, die Erlebnisse im Krieg zu verarbeiten. Zum Beispiel Katja, die selbst noch die Spuren einer Verwundung nach einer Explosion trägt, und die nun die Berichte von Traumatisierten sammelt. Oder Rodion, dem seiner sexuellen Identität wegen übel mitgespielt wurde, und der sich nun in Kyjiw endlich so geben kann, wie er sich fühlt.

„Hast du einen Flashback?“ Das ist eine der zentralen Fragen in diesem Film, der von der Shakespeare-Figur vor allem die Möglichkeit einer offenen Identifikation übernimmt. Das Hamlet-Syndrom verhandelt Fragen wie die, ob man besser in der Ukraine bleiben soll oder ob Auswandern (nach Westeuropa) okay ist, aber auch, was man mit der Flagge auf einer Bühne alles machen darf. Man lernt viel über dieses Land mit diesem kleinen Film, der auch mit deutscher Beteiligung entstand. Ein kleines Detail: dramaturgische Beratung kam auch von der 2022 verstorbenen, großen Tamara Trampe. Bert Rebhandl

Ukraine 2022; 85 Min.; R: Elena Niewra, Piotr Rosolowski; Kinostart: 19.1.

Maria träumt

„Maria träumt“ von Lauriane Escaffre und Yvonnick Muller. Foto: Atlas Film

KOMÖDIE Lange Jahre hat Maria (Karin Viard) für eine alte Dame geputzt, nun ist sie nach deren Tod ohne Job. Sie bewirbt sich bei der Pariser Kunsthochschule Académie des Beaux-Arts – und wird sofort angestellt. Was für eine unbekannte Welt! Doch zum Glück ist da der Hausmeister Hubert (Grégory Gadebois), ein eher gemütlicher Mann, wie Marie jenseits der 50. Der aber auch seine geheimen Träume mit sich herumträgt, das sieht man an seinen heimlichen Tanzübungen. Diese Träume, die muss Maria erst noch für sich entdecken, dazu ist die neue Umgebung ein guter Impuls. Sie freundet sich nicht nur mit Hubert an, sondern auch mit der jungen Kunststudentin Naomie (Noée Abita).

Maria versucht wieder Ordnung in ihr Privatleben zu bekommen, etwa in bezug auf ihren faden Gatten, der wenig Interesse für ihren neuen Job zeigt. Stattdessen bringt er den Familienverbund in Gefahr, weil er den Kontakt zur Tochter abgebrochen hat. Wird die Best-Agerin ihrem Leben eine neue Wendung geben?

Das Regieduo Lauriane Escaffre und Yvo Muller hat eine nur auf den ersten Blick leichte Komödie geschaffen, über eine nicht mehr ganz junge Frau, die, angeregt durch eine kreative Umgebung, erkennen muss, dass ihr Lebensentwurf vielleicht doch nicht ihren tatsächlichen Bedürfnissen entspricht. Karin Viard spielt diese Figur sehr nuanciert, lässt sie anfangs eher herumtappen und dann immer mehr Tritt fassen. Zugleich ist der Film auch eine Verbeugung vor der Kunst und der Wirkung, die sie auf die Menschen haben kann. Das Regieteam taucht im Film auch in augenzwinkernden Nebenrollen auf: als Chefin der Putzfrauen und als schnöseliger Dozent. Martin Schwarz

F 2021; 93 Min.; R: Lauriane Escaffre, Yvo Muller; D: Karin Viard, Grégory Gadebois, Noée Abita; Kinostart: 19.1.

Rache auf Texanisch

„Rache auf Texanisch“ von B.J. Novak. Foto: Universal

KOMÖDIE Als Ben Manalovitz, ein hedonistischer New Yorker Yuppie, unerwartet vom Tod einer Frau erfährt, mit der er mal eine kurze Affäre hatte, reist er zum Begräbnis in ihre texanische Heimat, wo er die eigentümliche Famile der Verstorben kennenlernt. Ihr Bruder ist überzeugt, dass sie umgebracht wurde, vermutlich von mexikanischen Narcos. Bestärkt durch eine befreundete Redakteurin, wittert Ben eine Chance, mit der Mordgeschichte als Internet-Reporter groß raus zu kommen. Die kulturelle Kluft zwischen dem dünkelhaften Opportunisten aus der Großstadt und der texanischen Provinzbevölkerung führt zu offener Feindseligkeit, als Ben sich bei einem Rodeo unfreiwillig vor aufgebrachtem Publikum als elitärer Jude aus dem Norden outet.

Eine politisch und gesellschaftlich gespaltene Nation, das Drogenproblem, philosophische Erörterungen über den Sinn des Lebens, Religion, Ethik, Zeit und Raum sowie den Ursprung des Universums – Regisseur, Autor und Hauptdarsteller B.J. Novak spricht in seinem wortreichen, optimal besetzten (charismatisch Ashton Kutcher als herablassender Musikproduzent im Cowboy-Outfit) Erstlingswerk zu viele Themen an, um sie vertiefen zu können. Südstaatler erscheinen zunächst stereotyp als ignorante, gewaltbereite, waffennärrische, Fastfood futternde Lokalpatrioten. Latinos werden als furchteinflößende Gangster dargestellt, sogar das Klischee der dümmlichen Blondine wird bedient.

Immerhin macht die Hauptfigur einen Lernprozess durch und beginnt, seine Vorurteile zu hinterfragen. Am überraschenden Schluss zeigt sich, wie sehr er die texanische Denkart verinnerlicht hat. Ralph Umard

USA 2022; 111 Min.; R: Benjamin Joseph Novak; D: B.J. Novak, Ashton Kutcher, Boyd Holbrook; Kinostart: 19.1.


Seaside Special

„Seaside Special“ von Jens Meurer. Foto: Farbfilm

Das Küstenstädtchen Cromer im britischen Norfolk, weit unten an der Ostküste der Insel gelegen, hat eine Besonderheit zu bieten, das jährliche ‚Seaside Special‘, eine Show auf dem Pier. Früher gab es solche Shows in jedem Küstenort, heute ist die in Cromer, die 2019 ihr 40-jähriges Jubiläum feiert, eine der wenigen verbliebenen, dabei ein Publikumsmagnet, der sechzehn Wochen lang in neun Vorstellungen pro Woche aufgeführt wird. Geboten werden hier klassische Varieté-Nummern,  eine Kurzfassung des Musicals „The Wizard of Oz“, ein ‚Abba‘-Medley und dezent schlüpfrige Witze.

Liebesbrief an Großbritannien: „Seaside Special“ von Jens Meurer

Die Vorbereitungen und die Aufführungen der Show dokumentiert dieser Film, er spricht mit den Mitwirkenden und anderen Menschen der Stadt. 2019 ist ein turbulentes Jahr für die Briten, mit den Europawahlen, der Ernennung von Boris Johnson zum neuen Premierminister, der dann nach einer Niederlage im Parlament Neuwahlen ansetzt, deren Ergebnis den Brexit besiegelt. Und Anfang 2020 kommt die Pandemie, die das (vorläufige?) Ende für die Show bedeutet.

Ein Liebesbrief an Großbritannien (so sein Untertitel) ist dieser Film – eine schwierige Liebesbeziehung, zumal, seit sie einseitig von den Briten durch den Brexit aufgekündigt wurde.

Wie in seinem vorangegangenen Film „An Impossible Project“, in dem es um die Rückkehr des Analogen in einer durchdigitalisierten Welt ging, hält der Dokumentarist Jens Meuer (anglophil und mit einer Britin verheiratet) auch hier etwas fest, das zu verschwinden droht – wiederum gedreht auf Filmmaterial, das bald ebenfalls der Vergangenheit angehören dürfte. Dabei überträgt sich der Enthusiasmus der Beteiligten auf den Zuschauer, auch im Kino, am Ende fühlt man sich schon fast wie ein Teil dieser Familie. Darauf eine Portion Fish’n’Chips. Frank Arnold

D/Belgien 2021; 93 Min, R: Jens Meurer; Kinostart: 19.1.

Tara

„Tara“ von Volker Sattel und Francesca Bertin. Foto: Cinemalovers

DOKU Vor 3.000 Jahren von spartanischen Siedlern am Ionischen Meer gegründet und einst als „Perle des Mittelmeers“ bezeichnet, gilt Taranto schon lange als schmutzigste Stadt Italiens. Diesen Ruf brachte ihr das einmal größte Stahlwerk Europas ein. Die Titulierung kommt nicht von ungefähr; die massive Umweltverschmutzung in der Gegend um die apulische Hafenstadt und die zahlreichen Krankheits- und Todesfälle, die in direktem Zusammenhang mit den Emissionen des Werks stehen, sprechen für sich.

Fluss des Glücks: „Tara“ von Volker Sattel und Francesca Bertin

So wie die Bilder von „Tara“, einer unaufgeregten Doku von Volker Sattel und Francesca Bertin, die den ökologischen wie ökonomischen Verfall einer Stadt zeigt. Titelgebend war der kleine Fluss Tara, der sich um die zu großen Teilen aus dem Stahl-Moloch bestehende Stadt schlängelt. Die unmittelbare Nähe zu der Giftschleuder hält die Bewohner von Taranto jedoch nicht davon ab, regelmäßig in den Tara zu springen, sich abzukühlen, ja, sich sogar Rettung von ihm zu erhoffen. Denn dem „Fluss des Glücks“ sprechen sie magische, heilende Kräfte zu.

„Tara“ reiht lose einzelne Schicksale aneinander, lässt ehemalige Arbeiter und resignierte Umweltschützer zu Wort kommen; eine Gruppe Ragazzi steht exemplarisch für die Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit junger Menschen in Süditalien. Dadurch, und mittels großartiger Detailaufnahmen des Flusses, die manchmal anmuten wie Bilder von einem anderen Planeten, fängt „Tara“ besonders gut die Stimmung des Verfalls ein, lässt zuweilen aber etwas mehr Hintergrundinformationen vermissen. Paula Schöber

D/I 2022; 86 Min.; R: Volker Sattel, Francesca Bertin; Kinostart: 19.1.

Schlachthäuser der Moderne

„Schlachthäuser der Moderne“ von Heinz Emigholz. Foto: Filmgalerie 451

DOKU Heinz Emigholz sammelt einmal mehr spannende Bauwerke, und versucht dabei, sie in Beziehung zu Berlin zu setzen. Der Titel ist einerseits wörtlich zu nehmen, andererseits steckt da natürlich auch eine Polemik dahinter. Wörtlich geht es um Francisco Salamone, einen Architekten, der in Argentinien tatsächlich viele (oft kommunale) Schlachthäuser gebaut hat, die Emigholz alle in dem jeweiligen heutigen Zustand vorstellt. Das sind dann in Summe viele kontemplative Bilder aus einer windigen, oft eher menschenleeren Gegend.

Von Salamone führt der Weg in zwei Gegenwarten: in Berlin entsteht ein rekonstruiertes Stadtschloss, das Emihholz mit deutlichen Worten als Inbegriff von Antiarchitektur zurückweist. Sein positives Exempel für heutige Bauen ist eigenwillig: Freddy Mamani Silvestre baut im bolivianischen Hochland, und zwar auf eine Weise, die Emigholz gern weiter verbreitet sähe. Ein origineller Film, der große Bögen schlägt, und für das breitere Publikum eine Menge überraschender Ansichten (in jedem Sinn des Wortes) bietet. Bert Rebhandl

D 2022; 80 Min.; R: Heinz Emigholz; Kinostart: 19.1.

Mehr zum Thema

Von den Filmstarts im Jahr 2023 schon ein Favorit: Mit Regisseur Cyril Schäublin haben wir ausführlich über „Unruh“ gesprochen. Blick zurück: Das Kinojahr 2022 lassen wir hier Revue passieren. Mit der Oscar-Kandidatin Maria Schrader, Regisseurin von „She Said“, haben wir auch ein großes Interview. Alles zu Film und Kino findet ihr in dieser Rubrik. Und das aktuelle Kinoprogramm für Berlin seht ihr hier.

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