Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Come On, Come On“ bis „Ambulance“

Eine dichte Woche wird von einem neuen Actionthriller von Michael Bay dominiert: In „Ambulance“ gibt es eine wilde Jagd durch Los Angeles. Lohnender sind aber einige andere Titel. Zum Beispiel der Schwarzweißfilm „Come On, Come On“ von Mike Mills, in dem Joaquin Phoenix die Hauptrolle spielt; oder die deutsche Komödie „JGA. Jasmin. Gina. Anna.“ von Alireza Golafshan, die geschickt mit Romcom-Motiven spielt. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.

Come On, Come On

Joaquin Phoenix und Woody Norman in „Come On, Come On“ von Mike Mills. Foto: DCM

DRAMA Ein Radiojournalist, der Kindern und Jugendlichen Fragen zu ihrer Zukunft stellt, bietet sich seiner Schwester als Babysitter für ihren neunjährigen Sohn und entwickelt über einige Wochen hinweg eine tiefe Freundschaft mit dem Jungen. Ein weiterer „Familien“-Film des amerikanischen Regisseurs Mike Mills, inspiriert von seinem eigenen Sohn. Mills‘ Talent liegt dabei in der Fähigkeit, persönliche Erlebnisse in einen größeren, allgemeingültigen Zusammenhang zu überführen, in einem sehr wahrhaftig wirkenden Film, in dem die Figuren stets in der Realität verankert sind. Lars Penning

C’mon, C’mon (OT); USA 2021; 109 Min.; R: Mike Mills; D: Joaquin Phoenix, Woody Norman, Gaby Hoffmann; Kinostart: 24.3.

Ambulance

„Ambulance“ von Michael Bay. Foto: Universal

ACTION Michael Bay war immer schon ein Regisseur, der aus spindeldürren Geschichten mächtig aufgeplusterte Filme gemacht hat. Mit Ambulance hat er nun einen dänischen Action-Thriller nach Los Angeles verlegt, und er holt aus der Vorlage alles heraus, was darin auch nur in den entferntesten Andeutungen zu erkennen war. Zwei ungleiche (Adoptiv-)Brüder stehen im Mittelpunkt: Danny (Jake Gyllenhaal) und Will (Yahya Abdul-Mateen II), der eine ein waschechter Gangster, der andere ein Familienvater und Veteran, dem die Versicherung übel mitspielt. Der eine ein Weißer, der andere ein Schwarzer.

Danny zieht Will in einen großen Bankraub mit hinein, die Flucht geht schief, schließlich kapern sie einen Krankenwagen, in dem die Sanitäterin Cam (Eiza González) einen Polizisten vor dem Verbluten zu retten versucht. Das ist dann schon äußerste Sackgasse, aber die Straßen von Los Angeles bieten immer noch zahlreiche Möglichkeiten, diese Sackgasse zu verlängern. Michael Bay („Armageddon“, „Transformers“) ruft alle Mythen auf, die Los Angeles als Schauplatz zu bieten hat („To Live and Die in L.A.“, „Falling Down“, „Heat“, …), und reizt die einfache Formel mit hyperkinetischer Kamera, fetzigem Schnitt und blechernem Soundtrack wirklich bis ins Extreme aus. Der Eindruck bleibt trotzdem zwiespältig, ein bisschen so, als hätte jemand einen Motor maximal auffrisiert, nur um ihn dann im Leerlauf brüllen zu lassen. Bert Rebhandl

USA 2022; 136 Min.; R: Michael Bay; D: Jake Gyllenhaal, Yahya Abdul-Mateen II, Eiza González; Kinostart: 24.3.


JGA. Jasmin. Gina. Anna.

„JGA. Jasmin, Gina, Anna“ von Alireza Golafshan. Foto: Leonine

KOMÖDIE Drei junge Frauen landen als Überbleibsel von einem missglückten Junggesellenabschied auf Ibiza und erleben dort allerlei Peinlichkeiten. Das klingt stark nach Formelkino und amerikanischen Vorbildern, wird von Alireza Golafshan aber sehr klug und mit exzellentem Gespür für Figuren und Situationen zu einer originellen deutschen Komödie entwickelt. Bert Rebhandl

Ein Interview mit Alireza Golafshan über seinen Film „JGA. Jasmin. Gina. Anna.“ lest ihr hier.

D 2022; 119 Min.; R: Alireza Golafshan; D: Luise Heyer, Taneshia Abt, Teresa Rizos; Kinostart: 24.3.

Silence Breakers

„Silence Breakers“ von Silvina Landsmann. Foto: Real Fiction

DOKU Die Grenzen des Staates Israel wurden 1948 festgelegt. 1967 wurden sie im Sechstagekrieg nicht neu gezogen, aber seither ist das Westjordanland, das Heimat für die Palästinenser sein sollte, unter israelischer Besatzung. Und seither wurden dort viele jüdische Siedlungen gegründet, sodass von dem Territorium immer mehr de facto auch zu Israel gehört, während es für die Palästinenser immer enger wird. Das ist im Kern, was man heute immer noch häufig den Nahostkonflikt nennt, der in Wirklichkeit natürlich noch viel komplizierter ist. Eine einfache Lösung wäre aber zugleich eine undenkbare: „Wir sollten die Besatzung beenden.“ So formuliert das in dem Dokumentarfilm „Silence Breakers“ ein junger Mann, der sich in der Bewegung BTS (Breaking the Silence) engagiert.

Das Besonderes an diesem Engagement ist, dass es von Leuten kommt, die in der israelischen Armee gedient haben, die selbst erlebt haben, wie der Alltag in den besetzten Gebieten konkret aussieht. Sie waren Teil dieses Alltags, denn die Polizeiaktionen des Militärs tragen sehr stark zu den Spannungen bei. Die Mitglieder von BTS hatten eigentlich den Auftrag, Israel zu verteidigen, und sie meinen, dass sie genau das tun, wenn sie abends in Tel Aviv auf die Straße gehen und mit Passanten über die illegalen jüdischen Außenposten neben fruchtbaren Feldern sprechen, die eigentlich Palästinensern gehören. Oder wenn sie Führungen an die „Grüne Linie“ machen, die ursprüngliche Demarkationslinie zwischen den beiden Territorien. „Silence Breakers“ ist das Porträt einer Organisation, und ein sehenswerter und aufschlussreicher Film über Israel heute. Bert Rebhandl

Israel 2021; 88 Min.; R: Silvina Landsmann; Kinostart: 24.3.

This Rain Will Never Stop

„This Rain Will Never Stop“ von Alina Gorlova. Foto: jip

DOKU Andriy Suleyman ist der Sohn einer ukrainischen Mutter und eines kurdischen Vaters, er landet deswegen nach der Flucht aus Syrien in der Gegend von Luhansk, einer Stadt, die 2014 in die Hände der russischen Aggression in der Ost-Ukraine fiel. Alina Gorlova hat Andriy über längere Zeit begleitet, seine Tätigkeit für das Internationale Rote Kreuz verhalf ihr offensichtlich zu einem embedment, sie hatte Zugang zu Konfliktorten, zum Beispiel in einer Szene an der heutigen Konfliktlinie zwischen der Ukraine und den Separatistenregionen. Ästhetik ist Gorlova wichtiger als Informationen, man kriegt nicht immer leicht mit, wo sich der Film mit Andriy gerade befindet. Teile seiner Familie kamen nach Deutschland, wo es einmal eine Hochzeitsszene gibt, eines der zehn Kapitel. Syrien und der Irak sind weitere Schauplätze, und die Ukraine.

Andriys Vater stirbt und wird in der Heimat begraben. Die Beziehung zu einer jungen Ukrainerin geht zu Ende. Andriy bleibt inmitten der Szenen weitgehend verschlossen, er ist das stille Zentrum der Erzählung. Zu Beginn und am Ende zeigt Gorlova queere Paraden in Deutschland, als Zeichen für einen Individualismus in Sicherheit und Freiheit, von dem Andriy und seine Angehörigen weit entfernt sind, durch Kriegserfahrungen, aber auch durch kulturelle Prägungen. Die Stilisierungen (viele Szenen sehen aus wie Science-Fiction von einem unwirtlichen Planeten) sind nicht immer einleuchtend, insgesamt entsteht dadurch aber ein Film mit einer ganz eigenen Form: Distanzierungsgesten vom planen Reportageformat verselbstständigen sich hier zu einem ambivalenten Dokumentarkunstwerk. Bert Rebhandl

Ukraine 2022; 104 Min.; R: Alina Gorlova; Kinostart: 24.3.

Cicero – Zwei Leben, eine Bühne

„Cicero – Zwei Leben, eine Bühne“ von Kai Wessel. Foto: Weltkino

DOKU „Es klang, als ob das Steinway um seine Hände gebaut wäre“, schwärmt Ack van Rooyen über Eugen Ciceros Künste am Klavier. Er ist einer der vielen Weggefährten, die Regisseur Kai Wessel in seinem Musikdokumentarfilm zu Wort kommen lässt. Unbekannte und prominente Stimmen lassen jene Jahre wieder auferstehen, in welchen sowohl Eugen Cicero als auch sein Sohn Roger in den Genres Jazz, Swing und Pop ihre Akzente setzten. Insbesondere Roger Cicero dürfte auch einem breiteren Publikum bekannt sein. Mit seinem Debütalbum „Männersachen“ (2006) holte er einst Platin, es folgte eine Teilnahme beim Eurovision Song Contest; kurz vor seinem Tod im Jahr 2016 tourte er mit einem ambitionierten Sinatra-Programm.

Wessel gestaltet seinen Film dabei in Form eines nicht unaufwändigen Doppelporträts, das immer wieder zwischen den Lebenslinien der Männer springt. Das Ziel, nicht nur die Genese zweier Karrieren, sondern auch ein ganzes Zeitgefühl, historische Kontexte und musikalische Entwicklungen nachzuzeichnen, ist ehrgeizig. Trotzdem ergibt sich in der Montage eine Erzählung, die fesselt, und der es gelingt, die großen Elemente einer Künstlerbiografie zu bedenken: Exzess, Geld, ein fiebriges Management, der Wunsch nach Selbstausdruck, Substanzmissbrauch und die Leere, die sich einstellt, wenn man nach einem furiosen Konzert allein die Tür hinter sich zu machen muss. Vater und Sohn kommen einem darin erstaunlich nah. Ein Effekt, der sich wahrscheinlich auch einstellt, weil alle, die Wessel für Interviews gewinnen konnte, sich aufrichtig bewegt von den beiden Ciceros zeigen. Carolin Weidner

D 2020, 112 Min., R: Kai Wessel; Kinostart: 24.3.

Tove

„Tove“ von Zaida Bergroth. Foto: Salzgeber

BIOGRAFIE In Finnland ist Tove Jansson als Kinderbuchautorin so berühmt wie Astrid Lindgren oder J.K. Rowling. Ihre Mumins – trollartige Fantasiewesen mit großen Nasen, die von einem Abenteuer ins andere stolpern – bevölkern auch hierzulande in Bilderbüchern, Hörspielen und als Plüschtiere manches Kinderzimmer und manche kindliche Imagination. Das Biopic von Zaida Bergroth erzählt von der komplexen Person dahinter. Der Tochter eines berühmten Bildhauers fiel die Selbstfindung als Künstlerin nicht leicht, sie sah sich selbst lange als Versagerin und war bisexuell. 

Nach dem Krieg im zerbombten Helsinki ist Tove (Alma Pöysti) pleite, in einer Schaffenskrise als Malerin und taumelt hin und her zwischen Beziehungen zum linken Politiker Atos und der (in Finnland ebenfalls sehr berühmten) Theaterregisseurin Vivica Bandler. Zur Erholung zeichnet sie die ersten Mumin-Comics und verarbeitet in den kleinen Geschichten ihre Erlebnisse. Und ausgerechnet diese Nebentätigkeit, die Tove erst selbst nicht ernstnimmt, die sie als Spielerei und keine „echte Kunst“ ansieht, macht sie berühmt und wohlhabend. Eine britische Zeitung bestellt mit einem gut bezahlten Vertrag einen täglichen Comicstrip von ihr und die materielle Not weicht der Angst vor dem künstlerischen Ausbrennen in der Dauerproduktion.

Nicht nur Kinderbücher: Zaida Bergroth erzählt das Leben von Tove Jansson, der Erfinderin der Mumins

Was Toves Verhältnis zu den Figuren angeht, die sie berühmt gemacht haben, bleibt der Film leider ziemlich vage. Das Hauptanliegen des etwas unausgewogenen Drehbuchs sind ihre Beziehungen zu Männern und Frauen, die Schilderungen der Liebesdramen nimmt so viel Raum ein, dass Toves Entwicklung als Künstlerin immer nur implizit vorkommt. Dabei gäbe es über die Kinderbücher hinaus einiges zu entdecken – Bilder, Skulpturen, politische Karikaturen und spätere Mumin-Bücher für Erwachsene, die Themen wie Alter und Einsamkeit behandeln.    

Die Machart des Films entspricht nicht so recht seinem Inhalt. Die unkonventionellen Liebesgeschichten werden konventionell und langwierig erzählt, die Handlung ist oft vorhersehbar. Aber dass ausgerechnet jetzt in Finnland ein Film entsteht, der die komplizierte Realität hinter dem Bild der niedlichen Nur-Kinderbuch-Autorin zeigen will, passt zum Zeitgeist. Seine Figuren, die schon in den 1940er Jahren mit Beziehungen und Beziehungsformen experimentieren, freiheitlich lieben wollen, aber nicht so recht wissen, wie das geht, sind gar nicht so weit entfernt von der Gegenwart. Susanne Stern

Finnland 2020; 100 Min.; R: Zaida Bergroth; D: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney; Kinostart 24.3.


Die Gangster Gang

„Die Gangster Gang“ von Pierre Perifel. Foto: Universal

ANIMATION Im Konzert der großen amerikanischen Animationsstudios spielt DreamWorks hinter Pixar und Disney eigentlich immer nur die dritte Geige. Klar, das 1994 von Steven Spielberg, Jeffrey Katzenberg (bis 1994 Leiter der Animationsabteilung von Disney) und David Geffen (von Geffen Records) gegründete Studio, das seit 1998 auch Animationsfilme produziert, hatte im Lauf der Jahre riesige Publikumserfolge. Da wäre etwa die Märchenparodie „Shrek 2“ (2004), die weltweit fast eine Milliarde Dollar einspielte. Doch wirkliche Klassiker, die man sich auch in 50 Jahren noch angucken möchte, gelangen der Firma nie.

Die geniale Originalität, wie sie sich in vielen Pixar-Filmen Bahn brach, ging den DreamWorks-Werken stets ab, konzeptuell setzte man meist auf Genre-Parodien, die mit vielerlei Referenzen an die heutige Popkultur versehen wurden, was die Filme sehr stark im Hier und Jetzt verortete. Zudem besaß man den Hang, eine einmal gefundene Formel in minderklassigen Sequels immer wieder bis aufs Blut auszuquetschen: „Kung Fu Panda 3“ oder „Boss Baby 2“ – das war nichts.

Gelungene Parodie: „Die Gangster Gang“ aus dem Haus DreamWorks

Nach diesem eher etwas ernüchternden Fazit zum aktuellen DreamWorks-Film umzuschwenken, fällt gar nicht so leicht, denn obwohl zweifellos auch kein künftiger Klassiker, ist „Die Gangster Gang“ doch allemal im oberen Qualitätssegment des Studios anzusiedeln. Einmal mehr beruht die Story auf einer (Teil-)Parodie, in diesem Fall auf Heist-Movies, also auf die sorgfältige Planung und Ausführung eines Raubüberfalls. Mr. Wolf, Mr. Snake, Mr. Shark, Mr. Piranha und Ms. Tarantula sind die von keinem Selbstzweifel angekränkelten Mitglieder der Gangster Gang (im Original einfach die „Bad Guys“, aus den Kinderbüchern von Aaron Blabey), deren letzter großer Coup allerdings scheitert.

Die Folge: Sie müssen die Demütigung über sich ergehen lassen, als Objekte in einem Experiment des Meerschweinchens und Großwohltäters Prof. Marmalade herhalten zu müssen, der die Bösen in lauter Gute verwandeln möchte. Und das ist noch längst nicht das Ende einer amüsanten Story, in der nicht Jede:r das ist, was er oder sie vorgibt zu sein, und in der auch eine sehr burschikose Polizeichefin und die verführerische Gouverneurin Diane Foxington wichtige Rollen spielen. Der an Gangsterfilme der 70er-Jahre angelehnte Stil des Films ist dabei ebenso vergnüglich anzusehen wie das Spiel mit den Fähigkeiten der verschiedenen Tierarten, das Tempo ist hoch, die Plotwendungen überraschend. Aber dass die „Bad Guys“ eigentlich nur das Opfer ihres eigenen Images sind, ist natürlich klar. Immerhin sind sie die Identifikationsfiguren. Lars Penning

The Bad Guys (OT); USA 2022; 100 Min.; R: Pierre Perifel; Kinostart: 17.3.


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