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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von Will Smith in „King Richard“ bis „Belfast“

Wer sich für die Oscars interessiert, kommt diese Woche im Kino an „King Richard“ nicht vorbei: Will Smith spielt den Tennis-Papa Richard Williams, der Venus und Serena zum Welterfolg gecoacht hat, und dabei für die Schwarze Community in Amerika ein Vorbild sein wollte – so will es jedenfalls der Film sehen, der für sechs Oscars nominiert ist. Außerdem startet „Belfast“, in dem Kenneth Branagh seine nordirische Kindheit heraufbeschwört, sowie das Bollywood-Spektakel „Gangubai Kathiawadi“, der eben noch auf der Berlinale lief und den wir sehr empfehlen. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


King Richard

Will Smith in „King Richard“ von Reinaldo Marcus Green. Foto: Telepool

SPORTFILM Die Schwestern Venus und Serena Williams haben das Damentennis jahrzehntelang dominiert. Ihre Karriere wurde maßgeblich durch ihren Vater geprägt, von dem es in der Öffentlichkeit manchmal ein etwas schiefes Bild gab, um nicht zu sagen, das eine oder andere Vorurteil kam ihm gegenüber zum Ausdruck. Will Smith rückt das nun gründlich zurecht: Er spielt Richard Williams als einen zwar eigenwilligen, im Grunde aber immer der richtigen Intuition vertrauenden Lebenscoach. Sein Vertrauen in das Talent der Töchter ist unerschütterlich, vor allem aber geht es ihm darum, eine afroamerikanische Musterfamilie zu schaffen, mit ein bisschen nötiger Härte und einer beharrlichen Zurückweisung der vorschnellen Vereinnahmung durch die (weiße) Tennisindustrie. „King Richard“ passt perfekt in die aktuelle Situation: ein Erbauungsfilm für das Schwarze Amerika und für alle, die auf eine Gesellschaft hoffen, in der Hautfarbe und Klischees das Zusammenleben nicht mehr vergiften. Auch „King Richard“ arbeitet in Manier typischer liberaler Hollywood-Filme mit Stereotypen, aber eben so, dass der Film positive zu schaffen versucht. Es könnte Oscars regnen. Bert Rebhandl

USA 2021; 141 Min.; R: Reinaldo Marcus Green; D: Will Smith, Saniyya Sidney, Demi Singleton; Kinostart: 24.2.


Belfast

„Belfast“ von Kenneth Branagh. Foto: Universal

KINDHEITSGESCHICHTE Eine Reise in die Vergangenheit von Nordirland, in ein Arbeiterklassenviertel, in dem Protestanten und Katholiken in Harmonie leben, wo man sich gegenseitig hilft. Bis eines Tages ein Akt der Gewalt die Idylle nachhaltig beschädigt. Der 15. August 1969 markiert den Anfang vom Ende. Die Großfamilie mit dem neunjährigen Buddy, seinem älteren Bruder Will, den Eltern und den Großeltern, die mit ihnen unter einem Dach leben, wird am Ende nicht mehr dieselbe sein und eine folgenschwere Entscheidung treffen.

„Belfast“ ist ein autobiografisch inspirierter Film, mit dem Regisseur Kenneth Branagh (Jahrgang 1960) vom jähen Ende (s)einer Kindheit erzählt, dabei auch das Erinnern selber zum Thema macht. Theater- und Kinobesuche sorgen für die einzigen Farbtupfer, dort regiert Eskapismus in Gestalt eines fliegenden Autos („Chitty Chitty Bang Bang“), auch wenn das Kunstwerk mit dem größten Einfluss in Schwarzweiß ist: „12 Uhr mittags“ beeindruckt Buddy nachdrücklich und verlängert sich später auf fantastische Weise ins wirkliche Leben hinein, wenn sein Vater sich den gangsterhaft auftretenden radikalen protestantischen Wortführern entgegenstellt.

Zwischen dieser überhöhten Szene und realistischen Alltagsbeschreibungen, zwischen nostalgischen Erinnerungen und brutalen Einschnitten findet der Film seine Balance, unterstützt von den Songs Van Morrisons, den kunstvollen Schwarzweißbildern von Haris Zambarloukos und einprägsamen Schauspielerleistungen, nicht zuletzt des zehnjährigen Jude Hill in der Rolle des Protagonisten. Frank Arnold

GB 2021; 97 Min.; R: Kenneth Branagh; D: Jude Hill, Caitriona Balfe, Jamie Dornan, Judi Dench, Ciarán Hinds; Kinostart: 24.2.


Gangubai Kathiuwadi

„Gangubai Kathiawadi“ von Sanjay Leela Bhansadi. Foto: Paramount

BOLLYWOOD Gleich nach der Aufführung bei der Berlinale 2022 kommt das neueste Spektakel aus Bollywood auch ins Kino: Superstar Alia Bhatt spielt eine junge Frau, die in ein Bordell in Mumbai verkauft wird, und dort allmählich eine gründliche Emanzipation hinlegt. Sie übernimmt nicht nur den Betrieb, sondern gleich auch das ganze Viertel, und wird – allerdings braucht es dafür ein Bündnis mit dem wirklich mächtigen, männlichen Paten in der Stadt – schließlich fast so etwas wie eine Nationalheilige, mit einer besonderen Mission: sie kämpft für die Legalisierung der Prostitution. Die ganze Geschichte wird in Bollywood-Manier mit Singen und Tanzen aufgelockert, zielt aber deutlich auf ein großes, politisch relevantes Epos, das sich sogar an Richard Attenboroughs heute ohnehin schon ziemlich altbacken wirkendem „Gandhi“ messen kann. Packendes, populäres Kino! Bert Rebhandl

Indien 2022; 154 Min.; R: Sanjay Leela Bhansali; D: Alia Bhatt, Emraan Hashmi, Bijaz Raaz; Kinostart: 24.2.


Der Mann, der seine Haut verkaufte

„Der Mann, der seine Haut verkaufte“ von Kaouther Ben Hania. Foto: eksystent

KUNSTSATIRE Sam (Yahya Mahayni) ist ein lebendes Kunstwerk, geschaffen von Jeffrey Godefroi (Koen De Bouw), dem erfolgreichsten Künstler der Welt. Lange Schlangen formieren sich vor den Museen, in denen Sams Rücken ausgestellt wird, alle wollen einen Blick auf das Tattoo erhaschen, das so viel über die Gegenwart preisgibt und ein überdimensionales Schengen-Visum zeigt. Doch einmal prangt zwischen den feinen, bunten Linien etwas, was da offiziell nicht hingehört: ein ziemlich dicker Pickel. Und weil Sams Haut durch die Kunstwerdung wertvoll geworden ist, machen sich gleich mehrere Experten ganz buchstäblich ans Werk, um das störende Ding zu entfernen. Regisseurin Kaouther Ben Hania hat dafür eine Einstellung gewählt, die man erst einmal verkraften muss: Durch ein Vergrößerungsglas sind nicht nur die weit aufgerissenen Augen der Ärzte zu sehen – auch der Eiter strömt wie ein milchiger Vulkanausbruch.

Immer wieder findet Ben Hania überraschende, auch schockierende Bilder für die seltsame Situation, in der sich Ali befindet, und die in Grundzügen an eine wahre Begebenheit angelehnt ist: Der vom belgischen Künstler Wim Delvoye tätowierte Schweizer Tim Steiner wurde 2008 für umgerechnet 150.000 Euro an einen deutschen Kunstsammler verkauft; nach seinem Tod darf er gehäutet und gerahmt werden, bis dahin harrt er Stunde um Stunde in den Museen dieser Welt. Eine provokante Anordnung, die in „Der Mann, der seine Haut verkaufte“ noch eine ordentliche Portion Zynismus erfährt – denn Sam ist ein Syrer auf der Flucht, die Begegnung mit Godefroi in der libanesischen Hauptstadt Beirut machte er eher zufällig, als er sich bei einem Empfang unter die Gäste mogelte, um gratis zu speisen. Erwischt von dessen strenger Assistentin Soraya (Monica Bellucci), kommt es zur schicksalhaften Begegnung, die Sam die Einreise nach Europa ermöglicht.

Kaouther Ben Hania, deren Film als erster tunesischer Beitrag eine Oscar-Nominierung erhielt, inszeniert auf den Punkt und präzis. Jede Geste, jeder Blick, jedes Wort ist aufgeladen, nichts ist überflüssig. Das lässt das Ganze manchmal etwas steif wirken, andererseits erweist sich das Konzept als überaus dicht. Ohne überladen anzumuten, wechselt „Der Mann, der seine Haut verkaufte“ behände zwischen Satire und Romanze, Gesellschaftsdrama und Tragödie. Carolin Weidner

Belgien/F/Tunesien/D 2020; 104 Min.; R: Kaouther Ben Hania; D: Yahya Mahayni, Koen De Bouw, Dea Liane, Monica Bellucci; Kinostart: 24.2.


Trübe Wolken

„Trübe Wolken“ von Christian Schäfer. Foto: Salzgeber

JUGENDFILM Paul, 17, wirkt wie ein harmloser Typ, der bloß ein wenig zu gern auf abseitigen Pfaden durch den Mischwald streunt. Er schleicht sich allerdings, wenn niemand Acht gibt, auch in fremde Häuser. Und er hat eine voyeuristische Vorliebe für das Interieur von Taschen, die ihm nicht gehören. Nach außen hin ist Paul ein unscheinbarer Niceguy. Was in seinem Innern los ist, gibt zunehmend Rätsel auf in „Trübe Wolken“. Ja, die Sicht trübt sich fast so, als flögen wir durch Wolken. Ist Paul etwa der ominöse Steinewerfer, der nachts Autos auf der Autobahn crasht? Hatte er was mit dem toten Mitschüler David im Wald zu schaffen? Die Lage wird abermals komplexer, als die Mitschülerin Dala und der Lehrer Bulwer ihre ganz eigenen Fantasien auf Paul projizieren. Aber auch am Esstisch mit den Eltern und dem jüngeren Bruder Silas kippen groteske Details im Heimischen oft ins Unheimliche, subtil, oft still, in Szene gesetzt und herausragend fotografiert.

„Trübe Wolken“ ist ein faszinierendes, ein böses Spiel mit falschen und richtigen Fährten und auch voller Falltüren. Herkömmliche Genregrenzen werden demontiert. Regisseur Christian Schäfer nennt für seinen Debüt-Kinofilm sowohl „Nosferatu“-Horror als auch Gus Van Sant als Vorbilder, das passt. Man kann auch an Michael Hanekes (wenn auch insgesamt deutlich blutigeres) „Benny’s Video“ (1992) denken; auch Paul hantiert gerne tabulos mit Kameras. Pokerface-Paul-Hauptdarsteller Jonas Holdenrieder, der seit 2020 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studiert, ist eine tolle Besetzung, und wir werden sicher noch viel von ihm sehen – das ist dann mal nicht wolkig-trüb, sondern klar. Stefan Hochgesand

D 2021; 105 Min; R: Christian Schäfer; D: Jonas Holdenrieder, Devid Striesow, Valerie Stroll; Kinostart: 24.2.


El Fulgor

„El Fulgor“ von Martin Farina. Foto: GMfilms

DOKU „El Fulgor“ bedeutet übersetzt ,,Das Glühen“. Der dazugehörige Film ist passenderweise ein vor eindrucksvoller Visualität glühendes Werk. Anstatt einem eindeutigen Narrativ folgt man einer Abfolge von eindringlichen Aufnahmen, die eher assoziativ miteinander verbunden sind. Das Setting bilden dabei Landwirte oder Gauchos in Argentinien, ihr Leben mit und von der Natur. Spinnen tauchen immer wieder auf und auch viele andere Tiere, auch deren Fleischverarbeitung wird detailliert gezeigt. Geräusche und Bewegungen gehen ineinander über, und auch das Bild wechselt zwischen Farbe und Schwarz-Weiß. Ohne Dialoge und nur untermalt mit spärlicher Musik, ist ,,El Fulgor“ ein teilweise experimenteller, ruhiger Film, der von den kraftvoll inszenierten Bildern lebt. Eine Kollektion von Momenten auf einer argentinischen Farm.

Dabei wünscht man sich manchmal mehr Kontext und eine Richtung des Films, die es nur bedingt gibt. Auch ist unklar, wie inszeniert oder dokumentarisch das Geschehen ist. In der zweiten Hälfte wendet sich der Regisseur mehr der Vorbereitung eines großen Karnevals zu, an dem die Gauchos teilnehmen. Die Kamera begleitet still die Männer, die ihre muskulösen Oberkörper mit Glitzer einreiben und in kleine Tanzhöschen schlüpfen. Ein bisschen voyeuristisch fühlt sich das Ganze leider auch an. Beim großen Auftritt gibt es viele Kostüme und laute Musik, doch hinter dieser Kamera, die sich auf die leisen Momente spezialisiert, gerät das beinahe in den Hintergrund. Ein träumerischer Wandel durch eine weit entfernte Welt. Nora Stavenhagen

Argentinien 2021; 65 Min.; R: Martin Farina; Kinostart: 24.2.


Im Februar drehte sich bisher fast alles um die Berlinale – wir haben hier die wichtigsten Filme besprochen. Endspurt am historischen Ort: Das THF Kino im ehemaligen Flughafen Tempelhof hat das Abschlussprogramm bekanntgegeben. Immer Neues über Kino und Streaming findet ihr in unserer Rubrik. Was läuft wann? Berlins aktuelles Kinoprogramm findet ihr hier.

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