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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von „Licorice Pizza“ bis zur Doku über den „Monobloc“-Stuhl

Die Ungewissheit über die Entwicklung der Pandemie schlägt sich im Startkalender nieder: Neben „Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson, einem autobiographisch inspirierten Film des Regisseurs von „No Country for Old Man“ und „The Master“, kommen diese Woche nur kleinere Produktionen ins Kino: eine Doku über den Plastikstuhl „Monobloc“, eine Doku über kurdische Revolutionärinnen „The Other Side of the River“, und „Schattenseite“, ein Spielfilm über Menschen, die sich dem NS-Rassismus durch Selbsttötung entzogen. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


Licorice Pizza

„Licorice Pizza“ von Paul Thomas Anderson. Foto: Universal

COMING OF AGE Kalifornien im Jahr 1973: Ein junger Mann namens Gary betätigt sich leicht chaotisch als Jungunternehmer (mit einem Laden für Wasserbetten oder einem Flipperschuppen), und macht dabei der zehn Jahre älteren Alana den Hof. Paul Thomas Anderson geht von eigenen Kindheitserinnerungen aus, und erzählt in einer leicht nostalgischen Weise von einer Jugend in einer Zeit, als das nahe Hollywood an Glanz zu verlieren begann, während die Popkultur in alle Fugen des Lebens drang. Bradley Cooper hat eine Gastrolle als Produzent und Partner der (unsichtbar bleibenden) Barbra Streisand. Bert Rebhandl

USA 2021; 133 Min.; R: Paul Thomas Anderson; D: Cooper Hoffman, Alana Haim, Bradley Cooper; Kinostart: 27. 01.

Eine ausführliche Besprechung von „Licorice Pizza“ haben wir hier.


Schattenstunde

„Schattenstunde“ von Benjamin Martins. Foto: missingFILMS

GESCHICHTSDRAMA „Gedemütigt, entrechtet, Flucht in den Tod“, steht auf dem Stolperstein vor Jochen Kleppers Wohnhaus. Dort, in der Teutonenstraße in Berlin-Nikolassee, hat sich der evangelische Schriftsteller und Lieddichter in der Nacht zum 11. Dezember 1942 gemeinsam mit seiner jüdischen Frau und Stieftochter das Leben genommen. Familie Klepper, deren letzte Nacht Regisseur und Drehbuchautor Benjamin Martins in „Schattenstunde“ rekapituliert, steht stellvertretend für jene Tausenden in damals sogenannter „Mischehe“ lebenden christlich-jüdischen Menschen, die während der NS-Zeit gemeinschaftlich Selbstmord begingen, um einem Transport in die Lager zu entgehen. Das Drehbuch beruht auf Tagebucheinträgen Kleppers, in denen sich, wenig verwunderlich, ein intensives Ringen mit den eigenen Glaubensgrundsätzen ausdrückt. Schließlich gilt der Suizid den Christen als Todsünde.

Das provoziert moralphilosophische Reflexionen und ethische Überlegungen, die Martins im Rahmen seines visuell immer wieder überraschenden, Bühnentechniken einsetzenden Kammerspielfilms in Horrorbilder übersetzt. Das blanke Grausen aber ergreift einen auch dann, wenn der Weg der drei Menschen in ihr schreckliches Sterben geradezu detailverliebt inszeniert wird. „Schattenstunde“ wandert auf einem schmalen Grat zwischen generalisierender Abstraktion und identifikatorischem Realismus und stürzt mal den einen, mal den anderen Abhang hinunter. Ein ambitioniert gescheitertes Wagnis? Vielleicht. In jedem Falle eine mutige Herausforderung narrativer Konventionen. Auf zwiespältige Weise sehenswert. Alexandra Seitz

D 2021; 78 Min.: R: Benjamin Martins; D: Christoph Kaiser, Beate Krist, Sarah Palarczyk; Kinostart: 27.1.


Monobloc

„Monobloc“ von Hauke Wendler. Foto: Salzgeber

DOKU Er ist preiswert, stapelbar und leicht zu reinigen. In Deutschland findet man ihn vor allem in Gärten und auf Balkons, in anderen Teilen des Erdballs einfach überall, wo jemand sich hinsetzen möchte: Der aus einem Stück Kunststoffgranulat gegossene und entsprechend benannte Monobloc-Stuhl ist das am weitesten verbreitete Möbel weltweit. Regisseur Hauke Wendler folgt der Geschichte des Stuhls in seinem Dokumentarfilm durch den Lauf der Zeit und über verschiedene Kontinente: vom französischen Ingenieur Henry Massonnet, der ihn zu Beginn der 1970er-Jahre zunächst als hochwertiges Designobjekt auf den Markt brachte, bis hin zur Massenproduktion, bei der das Produkt mittlerweile qualitativ derart verschlechtert wurde (man verwendet immer weniger Plastik, wodurch der Stuhl entsprechend instabiler wird), dass es sich heute fast um ein Wegwerfmöbel handelt.

Besonders interessant ist dabei die doch sehr unterschiedliche Sicht auf den Stuhl, die bei den Dreharbeiten in verschiedenen Ländern zutage treten. In einem improvisierten kleinen Studio in Deutschland auf der Straße nach ihrer Meinung über den Monobloc befragt, verdeutlichen die Antworten der Leute recht schnell ein Imageproblem: Plastik mag heute eigentlich niemand mehr, die Qualität gilt als zweifelhaft, und schön findet den Stuhl auch niemand. In anderen Ländern sind das jedoch Luxusprobleme, wie ein Beispiel aus Uganda zeigt, wo der Monobloc dazu verwendet wird, preiswerte Rollstühle herzustellen für bedürftige Menschen, deren Mobilität auf diese Weise zumindest teilweise wieder hergestellt werden kann. Wert ist eine Frage der Perspektive. Lars Penning

D 2021; 90 Min.; R: Hauke Wendler; Kinostart: 27.1.


The Other Side of the River – No Women, No Revolution

„The Other Side of the River“ von Antonia Kilian. Foto: jip

DOKU Die Rojava, wie die Angehörigen des Frauenmilitärs in den kurdischen Gebieten in Nord-Syrien genannt werden, vertreten eine militante Befreiungsideologie. Diese umgreift auch die feministische Revolution, also die Befreiung der patriarchal unterdrückten Frau durch ihre bewaffneten Geschlechtsgenossinnen. Filmemacherin Antonia Kilian, Teil der deutschen Solidaritätsbewegung mit diesen revolutionären Feministinnen, reiste vor ein paar Jahren ins kurdisch-türkisch-syrische Grenzgebiet, um die propagierten Emanzipationsträume einem Realitäts-Check zu unterziehen. Sie trifft auf die 19-jährige Hala, die ihr Elternhaus verlassen hat und sich zur Polizistin ausbilden lässt, um danach ihre zahlreichen Schwestern zu sich holen und sie vor drohenden Zwangsheiraten zu retten. Ein nur scheinbar simpler Plan, denn der Druck der Familie ist groß und die Ächtung der Gesellschaft nicht leicht zu ertragen.

Kilian macht in „The Other Side of the River“ nicht viele Worte und lässt das Publikum mit so mancher unkommentiert bleibenden Szene ratlos zurück. Die Frage, inwieweit ihrer kameraverliebten Protagonistin zu trauen ist, bleibt ebenso unbeantwortet wie die nach der eigentlichen Natur von Halas Konflikt mit ihrer Familie. Als mitreißend-ermutigendes Manifest frauenbewegter Militanz eignet sich dieser Dokumentarfilm mithin also nicht. Als Teil einer Materialsammlung zum Status Quo der emanzipatorischen Debatte in der arabischen Welt sowie der dort verfolgten Strategien der Befreiung ist er allerdings mindestens hilfreich, und als historisches Dokument des Widerstandes ohnehin wertvoll. Alexandra Seitz

D/FIN 2021; 92 Min.; R: Antonia Kilian; Kinostart: 27.1.


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