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Filmstarts der Woche: Von „Rabiye Kurnaz“ mit Meltem Kaptan bis zu „Vortex“

Diese Woche startet der neue Film von Andreas Dresen, der kürzlich auf der Berlinale Premiere hatte: „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ mit der famosen Meltem Kaptan in der Hauptrolle. Dazu gibt es ein großes Meisterwerk vom französischen Regie-Exzentriker Gaspar Noé: „Vortex“ erzählt von Alter und Demenz. Aber auch die weiteren Titel dieser Woche verdienen eine Chance. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush

„Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ von Andreas Dresen. Foto: Pandora

KOMÖDIE Wenn ganz normale Menschen nach Washington fahren, dann geht es oft um eine große Sache. So hat das Tradition im amerikanischen Kino, besonders berühmt ist der Film „Mr. Smith geht nach Washington“ (1939), in dem James Stewart einen einfachen Mann spielte, der auf dem Parkett der Hauptstadt dann stärker gegen Korruption auftritt, als man ihm zugetraut hätte. Mit diesem archetypischen Muster spielt nun auch „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ von Andreas Dresen. In einer wichtigen Szene steht die von Meltem Kaptan gespielte Heldin mit dem Anwalt Bernhard Docke an ihrer Seite vor der Statue von Abraham Lincoln, und merkt natürlich nicht, dass sie gerade Weltgeschichte schreibt. Dieses komische Missverhältnis walzen Dresen und die Drehbuchautorin Laila Stieler zu Beginn ein wenig zu deutlich aus: sie machen aus der Mutter, die für ihren zu Unrecht inhaftierten Sohn kämpft, eine unbedarfte Frau, die sich im Bürokratendeutsch verheddert und allen Menschen zu viel Zucker für den Kaffee aufdrängt.

Das ist dann die Ausgangssituation dafür, dass Rabiye Kurnaz in allen Momenten, in denen es darauf ankommt, den richtigen Ton trifft, und sich als politisches Naturtalent erweist. Zumal in einer Welt, in der Männer mit Schlips alles dominieren und sich auch viel wichtiger machen als die Frau mit dem Mutterwitz. Die Chemie zwischen Meltem Kaptan und Alexander Scheer ist gut, und so tragen vor allem diese beiden Akteure einen Film, der insgesamt doch eher an Stereotypen als an einer differenzierten Erzählung interessiert ist. Bert Rebhandl

Deutschland 2022; 100 Min.; R: Andreas Dresen; D: Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Cornell Adams; Kinostart: 28.4.

Wir sprachen mit Meltem Kaptan über ihre Rolle in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

Vortex

„Vortex“ von Gaspar Noe. Foto: Rapid Eye Movies

DRAMA Regisseur Gaspar Noé erzählt in seinem neuen Film „Vortex“ von den letzten Lebenswochen eines alten Ehepaares in Paris und der Rat- und Hilflosigkeit, die sich angesichts des stetig verschlechternden geistigen Zustandes der an Demenz leidenden Frau breitmacht. Denn weder ihr Mann noch ihr Sohn sind der Situation adäquat gewachsen. Um zu zeigen, wie sich die bisher gemeinsam gestalteten Leben des Paares auf divergierende Wege begeben, bedient sich Noé des Stilmittels Split-Screen: Man sieht auf der Leinwand also zwei Bilder, dabei folgt die Kamera meist den beiden Hauptprotagonist:innen. Lars Penning

F/B 2021; 140 Min.; R: Gaspard Noé; D: Dario Argento, Françoise Lebrun, Alex Lutz; KInostart: 28.4.

Der bisher beste Film über Demenz: Unsere Kritik zu Gaspar Noés Film „Vortex“

Downton Abbey II: Eine neue Ära

„Downton Abbey II: Eine neue Ära“ von Simon Curtis. Foto: Focus Features

KOSTÜMFILM Unvorstellbar, dass ein Filmteam sich auf Downton Abbey breitmacht – der Adel möchte lieber unter sich bleiben. Aber wenn das Dach marode und das Geld entsprechend willkommen ist, Lord Grantham und seine Verwandten sich in diesem Sommer zudem nach Frankreich begeben wollen und seine Tochter sich um alles kümmern wird, dann dürfen tatsächlich die Filmleute für einen Monat hier einziehen. Ganz zur Freude von Teilen des Dienstpersonals, das komplett „movie-crazy“ ist.

Der zweite Kinoableger der erfolgreichen BBC-Serie erzählt von einer doppelten Zeitenwende. Die eine betrifft die Bewohner von Downton Abbey, die andere ist eine kulturelle: Man schreibt das Jahr 1928 und das Publikum strömt plötzlich nur noch in die Filme mit Ton. Doch Lady Mary hat eine geniale Idee – aus dem Stummfilm wird kurzerhand ein Tonfilm. Wenn nur nicht die Hauptdarstellerin eine so unpassende Stimme hätte.

Weitaus dramatischer geht es unterdessen in Frankreich zu: Was hat es mit dem unverhofften Erbe auf sich, eine Villa, die der Countess of Grantham, der Patriarchin der Familie, von einem Mann vererbt wurde, den sie vor ihrem Ehemann kannte? Sollte die großzügige Schenkung ein Indiz dafür sein, dass Lord Grantham (der neun Monate nach der Begegnung seiner Mutter mit dem Marquis geboren wurde) „der Bastardsohn eines Franzosen“ ist (wie er selber es drastisch formuliert)? Zahlreiche Happy Ends (und ein Todesfall): erneut setzt Drehbuchautor und Serienschöpfer Julian Fellowes die zahlreichen Figuren geschickt miteinander in Beziehung und wahrt die Balance zwischen Nostalgie und Ironie. Frank Arnold

GB 2022; 126 Min.; R: Simon Curtis; D: Hugh Bonneville, Michelle Dockery. Nathalie Baye, Hugh Dancy, Dominic West; Kinostart: 28.4.

Die Odyssee

„Die Odyssee“ von Florence Miailhe. Foto: Grandfilm

ANIMATION „Die Odyssee“ erzählt die Geschichte einer Flucht: Als ihr Dorf in einem fiktiven Südosteuropa von Milizen überfallen wird, die den Bewohner ihre Volksgruppenzugehörigkeit zum Vorwurf machen, die Leute terrorisieren und die Häuser niederbrennen, macht sich die Familie der Erzählerin Kyona, eines selbstbewussten Mädchens im Teenager-Alter, auf den Weg – nur schnell weg von ihrem angestammten Zuhause. Bei einer Ausweiskontrolle im Zug werden Kyona und ihr jüngerer Bruder Adriel von den Eltern getrennt und müssen nun allein zurecht kommen. Sie landen zunächst bei einer Bande von Straßenkindern, doch das Leben bleibt unwägbar: Diebstahl, Drogen, Soldaten  und Menschenhändler sind nur einige der Gefahren, die ihnen auf ihrem langen Weg begegnen. Sie werden an eine reiche Schauspielerin verkauft, müssen einem Schneesturm trotzen, landen im Wald bei einer „Hexe“, bei einer Artistentruppe und in einem Gefangenenlager – und werden darüber langsam aber sicher erwachsen.

Die französische Regisseurin Florence Miailhe hat sich für diese Geschichte von der Flucht ihrer Großmutter mit zehn Kindern vor Pogromen aus Odessa zu Beginn des 20. Jahrhunderts inspirieren lassen, die Handlung jedoch in eine stilisierte Gegenwart verlegt. Dass der Film ganz aktuell zur kriegsbedingten Fluchtwelle aus der Ukraine zu passen scheint, ist allerdings nur Zufall. Rund zehn Jahre hat Miailhe an ihrem Animationsfilm in einer ungewöhnlichen Technik gearbeitet, bei der viele Animationskünstler in Tschechien und Frankreich ihre Entwürfe schließlich in Öl auf Glastische übertragen haben – „Die Odyssee“ ist vermutlich der erste in dieser Technik hergestellte Animationsfilm und in dieser Hinsicht ziemlich beeindruckend.

In der künstlerischen Gestaltung stand die klassische Moderne Pate: Die intensive Farbigkeit erinnert an die Gemälde von Marc Chagall, bei den Figuren glaubt man Einflüsse von Matisse, Picasso und Fernand Léger erkennen zu können. Die Erzählerinnenstimme (in der deutschen Fassung: Hanna Schygulla) lässt ein wenig an Märchen denken, aber es ist ganz sicher kein freundliches. Dass es dem Film gelingt, bei all der Gewalt und dem Elend, die den Flüchtlingen begegnen, einen eher sanften Ton beizubehalten und dabei so etwas wie in Bilder übersetzte Lyrik zu entwickeln, macht seine Stärke aus. Lars Penning

F/CZE/D 2021; 84 Min.; R: Florence Miailhe; Stimmen DF: Hanna Schygulla, Derya Flechtner, Max Asmus, Nicolas Rathod; Kinostart: 28.4.

Nawalny

„Nawalny“ von Daniel Roher. Foto: DCM

DOKU „Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.“ So schallt es uns derzeit allenthalben im Zusammenhang mit den Nachrichten über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine entgegen. Und wieso soll überprüft werden? Weil das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist. Hat angeblich Aischylos gesagt, was andere anzweifeln, was wiederum in den Zusammenhang passt. Doch wer immer es zuerst gesagt hat, er verlieh einer Tatsache Ausdruck. Wie Gewehre, Panzer und Granaten gehören zum Krieg auch Propaganda, Vernebelungstaktik und Schuldzuweisungen, heutzutage bekannt unter den Begriffen „alternative facts“ und „fake news“, übersetzbar auch als: Lügen. Also bleibt den Außenstehenden nicht viel mehr, als nüchternen Sinns zu betrachten, was als Wirklichkeit dargeboten wird, und weiterhin zu bedenken, in welchem Kontext dies geschieht.

Der langen Vorrede kurzer Sinn: Auch der Dokumentarfilm „Nawalny“ des kanadischen Regisseurs Daniel Roher steht in einem kriegerischen Kontext – nämlich dem des Vernichtungsfeldzuges, den Russlands Präsident Wladimir Putin gegen seinen Widersacher, den Oppositionsführer Alexei Nawalny befehligt. Dessen vorläufiger Höhepunkt wurde am 20. August 2020 erreicht, als Nawalny in Sibirien mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurde und wohl nur deswegen knapp mit dem Leben davon kam, weil Yulia Nawalnaya die Verlegung ihres Ehemannes aus einem Krankenhaus in Omsk an die Berliner Charité durchsetzte.

Mit diesem Ereignis beginnt Roher seinen Film und begleitet in den folgenden Monaten den Mann, seine Familie und die Entourage von Berlin über ein Dorf im Schwarzwald zurück nach Moskau, wo Nawalny im Januar 2021 bereits bei der Einreise noch am Flughafen festgenommen wird. Kurz darauf verurteilt ihn ein Gericht zu dreieinhalb Jahren Haft im Straflager Pokrow nahe Moskau; im März diesen Jahres wird das Strafmaß auf neun Jahre unter verschärften Bedingungen geändert. Während Nawalnys Zeit in Deutschland entsteht nicht nur das mittlerweile legendäre Video „Ein Palast für Putin“ (hier); gemeinsam mit dem investigativen Recherche-Netzwerk Bellingcat forscht Nawalny auch seinen Attentätern hinterher. In dem Zusammenhang kommt es schließlich zu einem Telefonat mit einem der Dunkelmänner – im Film in voller Länge zu besichtigen –, das ist derart grotesk, dass es an Satire denken lässt. Zu befürchten steht allerdings, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat.

Es ist eben kompliziert. Und keiner der Beteiligten ist zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Das zeigen zum einen die Originalaufnahmen von brutalen Polizeieinsätzen gegen friedliche Demonstrant:innen in Russland und Ausschnitte aus TV-Sendungen, in denen das Argumentationsniveau durchgängig unter der Gürtellinie bleibt. Zum anderen ist auch Nawalny keine reine Lichtgestalt. Im Zuge des Interviews, das die forsch voranpreschende Materialmontage gliedert, fragt Roher ihn einmal nach seiner Assoziation mit russischen Nationalisten zu Beginn seiner politischen Laufbahn. Da wird Nawalny dann doch schmallippig und verkündet etwas zu nonchalant, dass es nun einmal darum gegangen sei, ein breites Bündnis des Widerstandes auf die Beine zu stellen. Da heiligt dann schon mal der Zweck die Mittel.

Roher drückt sich nicht um diese Widersprüche, macht aber freilich klar, wo seine Sympathien liegen. In der gegenwärtigen Situation, inmitten des Horrors, ist „Nawalny“ unheimlich aktuell und zugleich von den Zeitläuften überholt, vor allem aber ein Film, bei dem einem angst und bange werden kann. Doch wie schließt der zweifellos immens mutige Mann sein Interview: „Das Böse braucht nur eines zum Sieg: die Tatenlosigkeit der guten Menschen. Deshalb, seid nicht tatenlos!“   Alexandra Seitz

USA 2022, 98 Min., R: Daniel Roher, Start: 5.5.

Alles, was man braucht

„Alles, was man braucht“ von Antje Hubert. Foto: ImFilm

DOKU Ein Ziel des globalisierten Kapitalismus ist es, praktisch alles zu jeder Zeit verfügbar zu machen. Doch der Gedanke, dass es sinnvoll ist, im Supermarkt zehn verschiedene Sorten Joghurt oder Erdbeeren im Winter kaufen zu können, wird zunehmend in Frage gestellt, auch von Antje Hubert in ihrem Dokumentarfilm „Alles, was man braucht.“ Hubert selbst stammt aus einem Dorf in der Lüneburger Heide, wo der lokale Tante-Emma-Laden und andere kleine Geschäfte irgendwann von großen Supermärkten verdrängt wurden, die gern auch im nächsten größeren Ort angesiedelt wurden. Der Tante-Emma-Laden als Treffpunkt ging verloren, als Ort der kurzen Begegnung, wo man sich über Neuigkeiten und auch Tratsch austauschte.

Nun gibt es jedoch gegenläufige Bewegungen, gern von Großstadtbewohnern initiiert, denen der Trubel zu viel wurde. Sie ziehen aufs Land und rufen  Initiativen ins Leben, die eine Entschleunigung des Einzelhandels betreiben. In diversen Orten in Norddeutschland fand Hubert solche Initiativen, porträtiert Menschen, die sich nach dem Leben auf dem Land sehnten, dabei allerdings oft auch die finanziellen Möglichkeiten hatten, solche Träume ohne größeres Risiko umzusetzen. Dankenswerterweise verklärt Hubert das Leben auf dem Land nicht übermäßig. Zwar zeigt sie malerische Aufnahmen von weiten Feldern und einsamen Landschaften, aber dass dieses beschauliche Leben ganz gewiss nichts für jedermann ist, verschweigt sie nicht. Gerade dieser Verzicht auf Dogmatismus lässt „Alles, was man braucht“ schließlich zu einem sehenswerten Film über alternative Lebensformen werden. Michael Meyns

D 2022, 98 Min., R: Antje Hubert, Start: 28.4.

Die Saat

„Die Saat“ von Mia Maariel Meyer. Foto: Kurhaus

THRILLER Eine gewisse Lebenserfahrung lässt die Einschätzung zu, dass etwa zehn Prozent der Menschen Arschlöcher sind. In die neue Welt der Familie Matschek schleichen sich einige ein. Rainer (Hanno Koffler), Nadine (Anna Blomeier) und Tochter Doreen (Dora Zygouri) hat die Gentrifizierung an den Stadtrand verdrängt, das hier erworbene alte Häuschen harrt der Renovierung. Der Handwerker Rainer hat soeben seine erste Bauleitung übernommen. Ein aufrechter und kompetenter Mann, den die Kollegen schätzen. Doch sein Chef Klose (Robert Stadlober) ist ein Opportunist, der mit seinem Job überfordert ist. Er degradiert Rainer und setzt ihm Kleemann (Andreas Döhler) vor die Nase, der die Bauarbeiter skrupellos auf Leistung drillt. Währenddessen sucht die fast 13-jährige Doreen in ihrer neuen Umgebung Anschluss und lernt die Nachbarstochter Mara (Lilith Julie Johna) kennen. Doch die entpuppt sich schnell als skrupellose Bitch, die Doreen das Leben zur Hölle macht. Und beide Höllen, die auf der Baustelle und die des Teenager, drohen zu eskalieren.

„Für mich ist ‚Die Saat’ ein Social Thriller, dessen eigentlicher Antagonist der Leistungsdruck ist, den wir als Gesellschaft immer mehr zur Norm machen.“ Das sagt Regisseurin Mia Maariel Meyer, die zusammen mit Hauptdarsteller und Lebenspartner Hanno Koffler das Drehbuch geschrieben hat. Mit dem Wechsel von Momenten der innigen Nähe und dem lauten Druck von Außen gelingt ihnen ein stimmiges Drama. Die Kamera rückt den beiden Hauptfiguren nahe, die Geschichte lässt sie in Extremsituationen geraten, in denen es schwer wird, den „Anstand“ – ein wieder wichtig gewordenes Wort – zu bewahren. Bleibt nur noch Brecht: „Wer möchte nicht in Frieden und Eintracht leben? Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ Martin Schwarz

D 2021, 97 Min., R: Mia Maariel Meyer, D: Hanno Koffler, Dora Zygouri, Andreas Döhler, Start: 5.5.

Everything Everywhere All at Once

„Everything EveryWhere All at Once“ von Dan Kwan und Daniel Scheinert. Foto: Leonine

METAPHYSIK In der theoretischen Physik erfreuen sich Überlegungen zur möglichen Existenz von Multiversen seit Jahren großer Beliebtheit, nun zieht Hollywood nach: Im letzten „Spider-Man“ traten gleich drei Versionen des Spinnenmanns auf, Anfang Mai heißt es „Dr. Strange in the Multiverse of Madness“, doch vorher ist es Michelle Yeoh, die aus heiterem Himmel erfährt, dass sie durch Zeit und Raum reist. Genauer gesagt: rast. Denn „Everything Everywhere All at Once“ ist – der Titel deutet es an – ein Film, der alles sein will, am liebsten gleichzeitig. Ein Film wie gemacht für die ADHS-Generation, deren Aufmerksamkeit kaum länger reicht als ein TikTok-Clip. Passenderweise hält es die von Yeoh gespielte Evelyn Wang ohnehin kaum in einem Universum lange aus.

In der Realität, in der der Film beginnt, ist Evelyn verheiratet, führt eine Wäscherei und hat Probleme mit Vater und Tochter. Wenn sich das wie der Ansatz für ein klischeeüberladenes chinesisches Familiendrama anhört, ist das exakt der Punkt. Denn auch wenn das Regieduo Daniel Kwan und Daniel Scheinert in vollkommen überladenen 139 Minuten alle Möglichkeiten der Multiversums-Idee durchspielen, versuchen sie im Kern von schwierigen, aber auch alltäglichen Familienverhältnissen zu erzählen. Das allerdings verstecken sie hinter einem visuellen Exzess, der lieber zu viele Ideen durchspielt, als Gefahr zu laufen, auch nur einen Moment zu langweilen. Ein bisschen viel ist das oft, nicht jede Idee zündet, mancher Running Gag läuft sich tot. Doch allein die großartige Michelle Yeoh in unterschiedlichsten Multiversums-Facetten zu erleben, macht „Everything Everywhere All at Once“ noch sehenswert. Michael Meyns

USA 2022; 139 Min.; R: Daniel Kwan,  Daniel Scheinert; D: Michelle Yeoh, Stephanie Hsu, Ke Huy Quan; Kinostart: 28.4.

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