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Die Filmstarts der Woche: Von „Eternals“ bis zur Trans-Doku „Zuhurs Töchter“

Diese Woche bringt das Marvel-Studio, die Zentraladresse für das Superheroische, die „Eternals“ an den Start, eine neue Riege von Wesen mit außergewöhnlichen Gaben. Der Kritiker von tipBerlin sah sich mit vielen philosophisch klingenden Dialogen konfrontiert. Außerdem starten der schöne Arthouse-Film „Bergman Island“, das Historiendrama „Ammonite“ mit Kate Winslet und die begeisternde Trans-Doku „Zuhurs Töchter“. In das Universum der Sopranos führt das Prequel „The Many Saints of Newark“. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


Eternals

„Eternals“, ein Superheldenepos, das sich etwas zu wichtig nimmt. Bild: Marvel

SUPERHELDEN Eigentlich musste ich beim Anschauen des neuen Marvel-Superheld:innen-Epos „Eternals“ die ganze Zeit an James Bond denken. Also an den – relativ – neuen, den aktuellen, den politisch korrekten James Bond. Jenen James Bond, der nicht mehr das 60er-Jahre-Klischee eines männlichen Überhelden bedient, der immer einen Drink in der Hand und einen flotten Spruch auf den Lippen hat, während er reihenweise schöne Frauen flach- und seine Gegner umlegt. Sondern den Bond, der ganz und gar menschlich sein soll, und der verwickelt ist in emotionale Stürme, in denen es um Liebe, Freundschaft und möglichen Verrat geht.

Genauso geht es nun auch den Comic-Figuren Eternals, einer Gruppierung von außerirdischen Superheld:innen, die seit Jahrtausenden auf der Erde leben und den Menschen als Vorbilder für ihre antiken Held:innen- und Göttersagen dienen: Da gibt es dann beispielsweise einen Ikaris (Richard Madden) (statt Ikarus – haha), eine Thena (Angelina Jolie) (statt Athene – hoho) und einen Gilgamesh (Ma Dong-seok) (fragt sich bloß, warum der plötzlich Koreaner statt Sumerer ist – hihi). Doch so richtig superheldig sollen die Superheld:innen ja nun sowieso nicht mehr daherkommen, davon handelt der gesamte Film, den Chloé Zhao inszeniert hat, die Regisseurin des Publikums- und Kritiklieblings „Nomadland“.

Denn nachdem die Eternals erfahren haben, dass das Universum – und mit ihm die Erde, die Menschen, die Eternals selbst und ihre monströsen Widersacher, die Deviants – von einem indifferenten Gott erschaffen wurde, den nur das reibungslose Funktionieren seiner Schöpfung interessiert, stellt sich eine unangenehme Frage: Soll man diesem Schöpfergott wie bisher einfach widerspruchlos gehorchen – auch wenn im ewigen Zyklus von Erschaffen und Vergehen nun gerade die komplette Vernichtung der Erde ansteht? Die Damen und Herren Eternals äußern dazu recht unterschiedliche Ansichten, haben doch einige von ihnen mittlerweile das menschliche Leben mit all seinen emotionalen Verwicklungen kennen und schätzen gelernt. Aber nicht alle. Es gibt viel Diskussionsbedarf.

Das Problem einer solchen Konstruktion liegt auf der Hand. Denn natürlich sind Comic-Verfilmungen zuvorderst auch Genrekino, dem mindestens mal eine Erwartungshaltung zugrunde liegt: ausgiebige Action. Daran erinnern sich dann auch die Filmemacher:innen gelegentlich, so dass nach jeder 20-minütigen Gesprächstherapie auch fünf Minuten Peng!!! und Bumm!!! anstehen, in denen die Held:innen mit viel CGI-Unterstützung gesichtslose böse Monster köpfen dürfen. Was noch langweiliger ist als die Diskussionsrunden, mit denen es dann nahtlos weitergeht. Zweieinhalb Stunden lang.

Es steht zu vermuten, dass sich Chloé Zhao wohl vor allem dafür interessiert hat, den Hauptfiguren mehr charakterliche Tiefe zu verleihen, als in Comic-Verfilmungen sonst gemeinhin üblich. Aber das gestaltet sich schwierig bei insgesamt zehn Hauptfiguren, die vor allem das Top-Thema Diversität in Sachen Geschlecht, Ethnie, sexuelle Orientierung und Behinderung (die Rolle der Makkari wird von Lauren Ridloff gespielt, einer ehemaligen Miss Deaf America, die sich folglich mit Zeichensprache verständigt) abbilden sollen. Was zumindest eine weitere, ganz grundsätzliche Frage aufwirft: Inwieweit soll oder darf sich Kunst eigentlich von gesellschaftspolitischen Anliegen vereinnahmen lassen, so lobenswert man selbige auch finden mag? Im Fall von „Eternals“ kommt dabei jedenfalls nicht viel mehr dabei heraus als ein harmloser und  geschwätziger Film mit uninteressanten Figuren, der nirgends anecken möchte. Lars Penning

USA/GB 2021; 157 Min.; R: Chloé Zhao; D: Gemma Chan, Richard Madden, Salma Hayek, Angelina Jolie; Kinostart 3.11.


#Bergman Island

In „Bergman Island“ dreht sich vieles um Drehbücher und den Dreh im realen Leben rauszubekommen. Ist oft verdreht. Bild: Weltkino

DRAMA Chris (Vicky Krieps) und Tony (Tim Roth) mieten sich auf der Ostseeinsel Fårö im Haus des 2007 verstorbenen schwedischen Filmregisseurs Ingmar Bergman ein, um – letztlich mit unterschiedlichem Erfolg – an ihren Drehbüchern zu arbeiten. Ein Geduld fordernder, subtiler Film über das Thema Inspiration und die Frage, wie man das reale Leben und die Kunst unter einen Hut bringen kann. Lars Penning

F/B/D/S/MEX 2021; 112 Min.; R: Mia Hansen-Løve; D: Vicky Krieps, Tim Roth, Mia Wasikowska, Anders Danielsen Lie; Kinostart: 4.11.


The Many Saints of Newark

„The Many Saints of Newark“ lässt unseren Autoren in eine Art Kinopessismus verfallen. Bild: Warner Bros.

MAFIAFILM Einmal mehr in seiner nun schon 125jährigen Geschichte befindet sich das Kino am Scheideweg. Nie war die Konkurrenz größer, nie hatte das Publikum mehr Möglichkeiten, visuell erzählte Geschichten zu sehen, die Anzahl der Streamingdienste wächst fast monatlich, die Auswahl an Filmen und Serien täglich, wofür soll der Zuschauer noch ins Kino gehen? Seltsamerweise scheint eine Antwort zu sein: Für Filme, die ohne Vorwissen kaum zu verstehen sind, für Filme, die nicht mehr eigenständig funktionieren. Der gerade angelaufene letzte Craig-Bond „Keine Zeit zu Sterben“ ist ohne Wissen um die vier Vorgänger nur bedingt verständlich, „Dune“ funktioniert vor allem als Bebilderung des Romans, ohne einen eigenen Zugang zum Stoff zu entwickeln. Und nun also „The Many Saints from Newark“, eine späte Weiterführung der legendären TV-Serie „Sopranos“, die zwangsläufig keine Fort- sondern eine Vorsetzung ist.

Denn bekanntermaßen endete nach acht Staffeln die allerletzte Folge mit einer Schwarzblende, die zwar nicht explizit zeigte, wie Tony Soprano, das Herz der Mafiaserie, ein tödliches Ende fand, es aber mehr als andeutete. Da aber Fans einer Serie meist nie genug bekommen (man denke an den nicht wirklich notwendigen „Breaking Bad“- Film „El Camino“) ließ sich David Chase, der „Sopranos“-Erfinder, breitschlagen und imaginiert nun die Jugend von Tony Soprano.

Wie das Prequels so an sich haben, ist das Ende der Erzählung gesetzt, etwas anderes als der Mafia-König von Newark, New Jersey, kann Tony Soprano nicht werden, doch wie wurde er, was er ist? Unweigerlich muss man bei der Geschichte, die sich Chase und Lawrence Konner ausgedacht haben, an Coppolas „Der Pate“ denken, wo der junge Michael Corleono nichts mit den kriminellen Geschäften seiner Familie zu tun haben will, doch unaufhaltsam hineingezogen wird. Ähnlich wird der junge Tony gezeichnet, anfangs, als Kind von William Ludwig, als Teenager von Michael Gandolfino gespielt, dem Sohn von James, dem viel zu jung verstorbenen Darsteller des erwachsenen Serien-Tony

Der Weg ist vorbestimmt: Tony Soprano und „The Many Saints of Newark“

Im Newark der späten 60er und frühen 70er Jahre wächst er auf, als Teil einer soziopathischen Familie, in der Söhne Väter umbringen und wenig mehr zählt als das schnelle Geld. Eigentlich träumt Tony von einer Karriere als Football-Spieler, doch er ist ein Soprano und somit ist – siehe Michael Corleone – sein Weg vorbestimmt. Der erfahrene TV-Regisseur Alan Taylor inszeniert das souverän, ohne besonders originell zu sein, zitiert Popsongs der Ära, so wie man es kennt, aus all den Mafia-Filmen, die seit Jahrzehnten gedreht wurden.

Schon die Sopranos-Serie versammelte nicht zufällig viele Schauspieler, die man aus Martin Scorseses „GoodFellas“ kannte, vor allem Lorraine Bracco, aber auch Nebendarsteller wie Tony Sirico oder Michael Imperioli. In „The Many Saints of Newark“ ist nun Ray Liotta gleich in einer Doppelrolle zu sehen und drängt den Vergleich zu Scorseses Klassiker erst recht auf.

Das führt vielleicht zum Hauptproblem eines Films, eines Produkts, wie diesem: Zu viele Erwartungen sollen erfüllt werden, zu viele Vorbilder belasten die eigene Erzählung, als dass „The Many Saints of Newark“ für sich bestehen könnte. Bis ins Detail zu erklären, wie so beliebte Figuren wie Tony Soprano zu dem wurden, was sie sind, ging schon bei „Solo – A Star Wars Story“ schief, eine Verfilmung der „Junger James Bond“-Romane steht zum Glück noch aus.

Die Zeiten, in denen das Kino ein kultureller Leuchtturm war, dürften unwiederbringlich vorbei sein. Will es zumindest interessant bleiben, bedarf es größerer Originalität und vor allem Wagemut als „The Many Saints of Newark“ riskiert.  Michael Meyns

USA 2020; 120 Min.; R: Alan Taylor; D: Alessandro Nivola, Vera Farmiga, Michael Gandolfini; Kinostart: 4. 11.


Ammonite

„Ammonite“ zeichnet ein kühles, wenn auch realistisches Bild einer Wissenschaftlerin im 19. Jahrhundert. Bild: Tobis

DRAMA Ein bedeutendes Fossil eines Fischsauriers, ausgestellt im British Museum. Das Namensschild des Finders mit einem weiblichen Namen wird schnell durch einen männlichen Namen ersetzt. Wie soll die Arbeit bloß ernst genommen werden, wenn eine Frau sie gemacht hat? Die erste Szene des Films etabliert Ort und Zeit, England, irgendwann in den 1840er-Jahren. Die Finderin ist Mary Anning (Kate Winslet), die erste weibliche Paläontologin des Landes – und eine historisch verbürgte Person.

,,Ammonite” ist allerdings kein Biopic im klassischen Sinne, sondern eher eine Imagination ihrer Lebenswelt. Jenseits der Londoner Wissenschaftskreise lebt Mary ein einsames Leben in einem kleinen Küstenort, hält sich gerade so mit Muschel- und Fossilverkäufen an Touristen über Wasser. Sie ist eine Frau weniger Worte und harter Arbeit, soziale Begegnungen meidet Mary möglichst, um sich stattdessen ihren geliebten Fossilien zu widmen. Ihr ausgezeichneter wissenschaftlicher Ruf beschert ihr eines Tages jedoch den Besuch eines wohlhabenden Gentlemans und seiner Ehefrau Charlotte (Saoirse Ronan).

Mit einer durchweg weiblichen Perspektive auf die Epoche überzeugt das unterkühlte Aufeinandertreffen zwei sehr unterschiedlicher Frauen. Wie in ,,God’s Own Country”, dem ersten abendfüllenden Spielfilm des Regisseurs Francis Lee, ist die Liebesgeschichte nicht-heterosexuell, was aber nie viel diskutiert wird, sondern sich mehr oder weniger zufällig ergibt – in diesem leisen und eleganten Film mit starken Gefühlen, wenn sie denn endlich an die Oberfläche gelangen. Nora Stavenhagen

GB/AUS/USA 2020; 120 Min.; R: Francis Lee; D: Kate Winslet, Saorise Ronan, Gemma Jones; Kinostart: 4.11.


Kabul, Kinderheim

„Kabul, Kinderheim“ ist auch eine Coming-of-Age-Geschichte in Afghanistan. Bild: Steppenwolf

TRAGIKOMÖDIE Der 14-jährige Qodrat verkauft in Kabul Kinokarten für den nächsten Bollywoodfilm zum überteuerten Preis. Anders als hierzulande stehen die Zuschauer bei dem Musikfilm auch auf und singen und klatschen laut mit, um ihrer Begeisterung freien Lauf zu lassen. Als Qodrat erwischt wird, landet er nach kurzer Befragung in einem Kinderheim, Eltern hat er keine mehr. Und so beginnt sein neues Leben dort gemeinsam mit anderen Jugendlichen in tristen Stockbetten. Aber er hat auch das erste Mal in seinem Leben Zugang zu Schulbildung, die Vizedirektorin der Einrichtung ist sogar eine Frau.

Überhaupt ist vieles anders als die Bilder, die wir heute von Afghanistan im Kopf haben, denn das Setting ist 1989. Ähnlich wie im Iran vor der islamischen Revolution tragen Männer und auch Frauen vornehmlich westliche Kleidung, religiös geprägte strenge Regeln scheint es nicht zu geben. Ein Grund dafür ist die Besetzung des Landes durch die Sowjetunion. Kulturelle und sprachliche Hybridität prägt das städtische Kabul und ermöglicht einigen Jugendlichen sogar eine Reise in ein Pionierlager in der Nähe von Moskau. In einer der besten Sequenzen des Films spielen sie gegen einen Computer Schach und besuchen danach Lenins Mausoleum. Ein wahrer Culture-Clash.

,,Kabul Kinderheim” als eine afghanische Coming-of-Age-Geschichte zu beschreiben wäre treffend, behält der Film doch stets die Lebenswelt der jungen Protagonisten im Blick, politische Ereignisse bleiben meistens eine Randerscheinung in ihrem Leben. Vielleicht sind Jugendliche überall auf der Welt gleich gestrickt, denn zwischen ihrer Verliebtheit in die Mädchen fantasieren die Jungen davon, welchen Job sie später machen und wohin sie reisen möchten.

Doch dann gibt es auch die außergewöhnlichen und gefährlichen Momente, als sie Panzer und scharfe Munition finden und kurzerhand beschließen, diese mit ins Heim zu nehmen. Shahrbanoo Sadat, die erste afghanische Regisseurin, ließ sich für diese Geschichte von dem Leben eines Freundes inspirieren, der in einem solchen Kinderheim aufwuchs. In seiner Lebensgeschichte spielt er sogar selbst mit: den freundlichen, aber bestimmten Leiter der Einrichtung. Komödiantische und tragische Elemente halten sich die Waage in diesem Film, der ein gelungenes Porträt einer vergangenen Zeit zeichnet. Besonders das unerwartete Ende hat eine enorme emotionale Tragweite und beinhaltet viele Parallelen zur gegenwärtigen politischen Lage. Nora Stavenhagen

Parwareshghah (OT); DK/LUX/F/D/AFG/ROK/USA 2019; 90 Min.; R: Shahrbanoo Sadat; D: Quodratollah Qadiri, Anwar Hashimi, Sediqa Rasuli; Kinostart: 4.11.


Schocken – Ein deutsches Leben

„Schocken“, eine Doku über Salman Schocken. Bild: Salzgeber

DOKUMENTARFILM Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die einer jüdischen Familie aus Polen entstammenden Brüder Simon und Salman Schocken die Kaufhauskönige von Sachsen. Ihren Kundinnen und Kunden boten sie gute Qualität zu bezahlbaren Preisen, und die Arbeitsmoral ihrer Angestellten hoben sie mit der damals revolutionären Idee, sie einfach gut zu behandeln.

Damit nicht genug, besaß der Autodidakt Salman Schocken, der nur vier Jahre Grundschule absolviert hatte, einen unstillbaren Hunger nach Kultur: Unter anderem schuf er eine riesige Privatbibliothek mit Werken deutscher und jüdischer Autoren, er gründete Buchverlage, förderte den späteren Literatur-Nobelpreisträger Samuel Joseph Agnon und ließ sich vom Architekten Erich Mendelsohn in den 1920er Jahren Kaufhäuser im damals modernen Internationalen Stil bauen. Schocken dachte liberal – die von ihm 1936 in Palästina, wohin er mit seiner Familie nach der Machtübernahme der Nazis ausgewandert war, gekaufte Tageszeitung Ha’aretz ist noch heute ein Eckpfeiler des links-liberalen Journalismus in Israel.

Eine überaus interessante Persönlichkeit also, der die israelische Produzentin und Regisseurin Noemi Schory hier in einem allerdings etwas uneinheitlichen Dokumentarfilm auf der Spur ist. Neben interessanten gestalterischen Ideen – etwa, heute leere Räume mit Personen aus historischen Fotografien zu beleben – neigt der Film auch zu mit einem Übermaß an Informationen befrachteten Off-Kommentaren und gelegentlichen Abschweifungen, die das Interesse der Autorin an der Frage erkennen lassen, was sich an Salman Schockens Ideen in der Gegenwart finden lässt. Letztlich eher Fernsehen als Kinofilm, aber trotzdem spannend. Lars Penning

Israel/D 2020; 82 Min.; R: Noemi Schory; Kinostart: 4.11.


Zuhurs Töchter

„Zuhurs Töchter“ ist eine berührende Doku, die das Leben zweier Trans-Frauen erzählt. Bild: Camino

DOKUMENTARFILM Samar und Lohan haben viel Zeit mit dem Studieren von Youtube-Tutorials verbracht. Ergebnis: Ihr Make-up sitzt nahezu perfekt, die anderen Mädchen im Stuttgarter Flüchtlingsheim geben anerkennend zu, dass die beiden Geschwister die schönsten von allen hier seien. Und tatsächlich umgibt insbesondere Lohan eine fast überirdische Aura, die sie mit ihren hellblauen Kontaktlinsen sogar noch verstärkt. Aber nicht jeder ist begeistert vom Aufzug. Mutter Zuhur und Vater Talib, die vor einigen Jahren aus Syrien nach Deutschland kamen, machen sich Sorgen. Samar und Lohan haben sie die meiste Zeit ihres Lebens als Söhne großgezogen. Dass sich beide nun in Frauen verwandelt haben, erscheint ihnen nicht nur sonderbar, sondern auch sündhaft.

Ständig geraten Samar und Lohan zwischen die Fronten. Passanten pöbeln, die Mutter ist kurz vorm Nervenzusammenbruch, ein Freund besteht auf einer Geschlechtsangleichung vor der Heirat und am Telefon werden die Schwestern von der schwäbelnden Ärzteschaft kaum verstanden. Es ist vertrackt. Umso berauschender die Momente, in denen „Zuhurs Töchter“ sich erlaubt, ihrem wohlverdienten Exzess beizuwohnen: denn Party machen, das können die zwei. Drei Jahre haben Genske und Humboldt Samar und Lohan begleitet, sind ihnen bis in den OP-Saal gefolgt und ins Frankfurter Rotlicht-Milieu, hockten mit der Großfamilie aber auch im Wohnzimmer. Entstanden ist ein ziemlich unberechenbarer Ritt, dem sich das Regie-Duo ohne filmische Eitelkeiten überlassen hat. Carolin Weidner

D 2021; 89 Min.; R: Laurentia Genske, Robin Humboldt; Kinostart: 4.11.


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