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Neu im Kino

Die Filmstarts der Woche: Von „The Banshees of Inisherin“ bis „Unruh“

Das neue Jahr beginnt mit starken Filmen: „The Banshees of Inisherin“ erzählt von einer Männerfehde auf einer irischen Insel und hat beste Oscar-Chancen. Der Schweizer Regisseur Cyril Schäublin präsentiert mit „Unruh“ ein herausragendes Filmkunstwerk. Diese und weitere Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


Gewalt zwischen Männern: „The Banshees of Inisherin“

„The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh. Foto: Disney

DRAMA „I just don’t like you no more“, ich mag dich einfach nicht mehr, das teilt Colm (Brendan Gleeson) seinem bis dahin besten Freund Pádraic (Colin Farrell) mit, und damit nimmt das Drama in Martin McDonaghs „The Banshees of Inisherin“ seinen Anfang. Vor der irischen Westküste liegt das Eiland, wir schreiben das Jahr 1923, auf dem Festland tobt der irische Bürgerkrieg. Zusammen mit seiner Schwester Siobhan (Kerry Condon) lebt Pádraic in einem kleinen Haus, führt jeden Morgen die Kühe aufs Feld, bringt regelmäßig die Milch zum Hafen und holt jeden Tag um zwei Colm ab, um im Pub ein paar Pints zu trinken. Bis zu jenem Tag, an dem Colm nicht da ist.

Ein wenig mag man sich an das existenzialistische Theater von Samuel Beckett erinnert fühlen. Zumindest in der ersten Hälfte, denn „The Banshees of Inisherin“ ist ein Film von Martin McDonagh, der zwar von der Bühne kommt, aber in den letzten Jahren mit Filmen wie „In Bruges“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ großen Erfolg hatte, Filme, in die früher oder später harte, oft exzessive Gewalt eindrang.

In der immer absurder werdenden Fehde zwischen Colm und Pádraic lässt sich eine unterschwellige Kritik an toxischer Männlichkeit entdecken, ein Thema wie geschaffen, um Martin McDonaghs Film für einen langen, erfolgreichen Lauf in der laufenden Award-Season zu prädestinieren: Mehrere Oscar-Nominierung hat der Ire schon erhalten, mit seinem neuen hat er gute Chancen auf eine Auszeichnung. Auf dem Weg dahin stehen jedoch zunächst die Golden Globes an: Dort ist „The Banshees of Inisherin“ gleich Anfang Januar mit acht Nominierungen der große Favorit. Michael Meyns

Irland/ GB/ USA 2022; 114 Min.; R: Martin McDonagh; D: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon; Kinostart: 5.1.

Unruh

„Unruh“ von Cyril Schäublin. Foto: Grandfilm

FILMKUNST In einer Uhrenfabrik im Schweizer Jura im Jahr 1877 tobt ein stiller Arbeitskampf. Während der Direktor den Betriebsablauf auf die die Sekunde genau takten möchte, bemüht sich die Belegschaft um Solidarität und Selbstorganisation auf Grundlage anarchistischer Theorien. Der russische Kartograf Peter Kropotkin, eine historische Figur, trifft auf Josephine, eine Herstellerin von Unruhen – so nennt man den wichtigsten Teil eines mechanischen Uhrwerks.

Der Schweizer Cyril Schäublin, der an der DFFB in Berlin studiert hat, zeigt sich mit seinem zweiten Spielfilm als herausragender politischer Filmkünstler: „Unruh“ ist eine komplexe, immer wieder auch latent komische Auseinandersetzung mit dem Genre des Historienfilms, eine detailreiche Studie der Zergliederung der Arbeitswelt durch Effizienzmaßnahmen, und eine hintersinnige Inszenierung des Konflikts zwischen Schweizer Lokalpatriotismus und realutopischem Internationalismus. Was bei anderen Regisseuren vielleicht zu schwerfälligem Theoriekino würde, wird bei Schäublin zu einem eleganten, ebenso reflektierten wie emotional reichen Film über die Fragen der Gegenwart im Spiegel der nahen Vergangenheit. Ein Höhepunkt des neueren Weltkinos. Bert Rebhandl

Schweiz 2022; 93 Min.; R: Cyril Schäublin; D: Alexei Evstratov, Clara Gostynski, Monika Stalder; Kinostart: 5.1.

Er wird dem Kino eine neue Zukunft eröffnen – ein ausführliches Gespräch mit Cyril Schäublin über „Unruh“ lest ihr hier.

Kleine und große Dramen: „Passagiere der Nacht“ von Mikhaël Hers

„Passagiere der Nacht“ von Mikhaël Hers. Foto: eksystent

DRAMA Eine Frau mit zwei Kindern, deren Mann sie verlassen hat. Ein Sohn, dessen Vater nun bei seiner neuen Freundin lebt. Eine junge Frau, die von Zuhause flieht und seitdem jede Nacht Obdach suchen muss. In Paris brechen die 1980er-Jahre an, und eine Familie muss sich neu sortieren. „Les passagers de la nuit“ zeichnet mit einer verschmelzenden Tonalität von Musik, Bildern und Farbgebung sanft ein Familienporträt, bei dem alle Beteiligten auf der Suche nach der Antwort auf die Frage sind: Wer bin ich und wer möchte ich sein?

Am 10. Mai 1981 strömen in Paris die Menschen auf die Straßen. Mit der Wahl des neuen Staatspräsidenten François Mitterrand liegt ein Neubeginn in der Luft. Für Elisabeth (Charlotte Gainsbourg) ist ihr persönlicher Neustart zunächst weniger hoffnungsvoll, denn ihr Mann hat sich von ihr getrennt und sie mit den Kindern zurückgelassen. Elisabeth verbringt die Nächte am Fenster ihrer Hochhauswohnung, raucht, macht ihrem jüngsten Sohn, den sie morgens nicht mehr auf die Wange küssen darf, Kakao und hört Radio. Da sie Arbeit sucht, bewirbt sie sich für eine Stelle bei der Radioshow, die sie durch die Nächte geleitet, und lernt dort die wohnungslose, 18-Jährige Talulah (Noée Abita) kennen, die sie kurzerhand bei sich aufnimmt – abermals eine Umstellung für die kleine Familie.

Der neue Film von  Regisseur Mikhaël Hers wurde in diesem Jahr 2022 für die Berlinale nominiert. Mit „Mein Leben mit Amanda“ (2018) hat Hers bereits einmal die Fähigkeit bewiesen, einfühlsam mit den kleinen und großen Dramen des Lebens umzugehen und diese in grobkörnige Bilder zu verpacken. Jedes Bild und jedes gesagte Wort schwingen in diesem Film leicht und sind doch tiefgehend und relevant, da sie immer eine Bedeutung für die Figuren mitbringen. Ein wundervolles, absolut sehenswertes Filmerlebnis. Luisa-Marie Kauzmann

F 2022; 111 Min.; R: Mikhaël Hers; D: Charlotte Gainsbourg, Noée Abita, Quiot Rayon-Richter; Kinostart: 5.1.

Belle & Sebastian – Ein Sommer voller Abenteuer

„Belle & Sebastian – Ein Sommer voller Abenteuer“ von Pierre Coré. Foto: Splendid

JUGENDFILM Der Junge muss an die frische Luft: Weil seine alleinerziehende Mutter eine zweiwöchige Geschäftsreise antreten muss, verfrachtet sie ihren zehnjährigen Sohn Sebastian zu Schwester und Mutter in ihre alte Heimat in den französischen Alpen. Das Fremdeln mit der ungewohnten Umgebung ändert sich, als Seb Belle begegnet, einer schneeweißen Berghündin.

Der neue „Belle & Sebastian“-Film ist keine Fortsetzung der Filmtrilogie aus den 2010er-Jahren, sondern eine freie, in die Gegenwart verlegte Version des Jugendbuch-Klassikers von Cécile Aubry. Mit neuen Darstellern wird eine eigenständige Geschichte erzählt, was schon im französischen Originaltitel „Belle et Sébastien: Nouvelle génération“ deutlich gemacht wird. Im Mittelpunkt steht aber auch hier die Freundschaft zwischen einem Jungen und einer Hündin.

Für Abenteuer sorgen nicht nur Wölfe, sondern auch Wölfe in Menschengestalt: der brutale Nachbar, Besitzer von Belle, und dessen Vater, ein Großgrundbesitzer, der die unberührte Natur verschandeln will, indem er hier ein Wintersportresort für Touristen errichtet. Dafür will er das Land von Sebs Großmutter übernehmen und verschweigt ihr den wertvollen Bodenschatz darunter. Erwachsene Zuschauer dürften die Geschichte ein wenig schematisch finden, auch wenn es eine interessante Figur gibt, die zwischen den Fronten steht. Dagegen dürften einige Szenen für ganz junge Zuschauer (FSK: ab 6 Jahren) etwas problematisch sein, da die Schurken des Films hier in keiner Weise komisch entschärft werden. Frank Arnold

F 2022; 96 Min.; R: Pierre Coré; D: Robinson Mensah Rouanet, Michèle Laroque, Alice David; Kinostart: 5.1.

Operation Fortune

„Operation Fortune“ von Guy Ritchie. Foto: Leonine

ACTION Und wieder einmal gilt es zu verhindern, dass eine Superwaffe in die Hände von Verrückten fällt, die damit entsprechendes Unheil anrichten können. Ein Fall für Orson Fortune, britischer Geheimagent mit gewissen Marotten, dem man dieses Mal eine Computerexpertin und einen Waffenspezialisten zur Seite stellt – und einen Hollywood-Actionstar, den man dafür mit dem Wissen um einen delikaten Fehltritt zwangsverpflichtet. Denn dessen größter Fan ist jener Multimillionär, der den Waffendeal eingefädelt hat, so hofft man in seine Nähe zu kommen, um zu erfahren, was und wo die Superwaffe ist, und wer ihr Käufer ist.

Die „Jeder-gegen-jeden“-Formel früherer Guy-Ritchie-Filme reduziert sich hier auf eine Gruppe skrupelloser Söldner unter Führung eines ehemaligen Agentenkollegen von Orson Fortune, auch sonst ist dieser Film – gemessen an sonstigen Ritchie-Filmen – ziemlich gradlinig angelegt; selbst der von realen Actionszenen herausgeforderte (und meist überforderte) Filmstar wird leider nicht zu einem zentralen Moment der Geschichte ausgebaut, wo er für eine gewisse Doppelbödigkeit sorgen könnte, sondern bleibt eher einer von vielen bewährten Bausteinen der Geschichte, in der man sich deshalb am besten auf die Darsteller konzentriert.

Hugh Grant agiert als krimineller Milliardär genauso selbstironisch wie in Guy Ritchies vorletzten Film „The Gentlemen“, Aubrey Plaza sieht man mit ihrer Mischung aus scheinbarer Unschuld, doppeldeutigen Bemerkungen, trocken eingeflochten, und purer Verführung immer wieder gerne zu. Und Jason Statham (bereits zum fünften Mal in einem Guy-Ritchie-Film) macht das, was er am besten beherrscht: Leute verdreschen und dabei immer noch Zeit für sarkastische Bemerkungen finden. Frank Arnold

GB 2022; 114 Min.; R: Guy Ritchie; D: Jason Statham, Hugh Grant, Aubrey Plaza, Josh Hartnett; Kinostart: 5.1.

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