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Filmstarts der Woche: Von „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ bis Tim Roth in „Sundown“

Die Geschichte von den Dinos, die Steven Spielberg 1993 auf den Weg brachte, biegt mit „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ auf die Zielgerade ein – der größte Start der Woche wird viele Leinwände belegen. Daneben gibt es aber einige kleinere Fundstücke, allen voran der großartige Tim Roth in „Sundown“, der Animationsfilm „Belle“, oder Léa Seydoux in „France“ von Bruno Dumont. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

„Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ von Colin Treforrow. Foto: Universal

BLOCKBUSTER Nicht länger mehr sind die – geklonten – Saurier auf einer entlegenen Insel eine Freizeitattraktion, sie haben sich mittlerweile über die ganze Welt ausgebreitet und stellen damit die Frage nach dem Zusammenleben von Menschen und Dinos. „Co-exist“ lautet das letzte Wort des Films. Der beginnt mit einer Kindesentführung in Alaska, später gibt es eine Verfolgungsjagd (Auto – Motorrad) in Malta und einen Flugzeugabsturz in den italienischen Alpen: Mit seinen Actionszenen an den verschiedensten Orten der Welt erinnert dieser Film manchmal an die James-Bond-Filme, viele dieser Szenen würden auch ohne Dinosaurier funktionieren. Am Ende häufen sich die Suspense-Momente derart, dass man es schon fast für Ironie halten könnte.

Das war aber vermutlich nicht beabsichtigt, verfolgt der Film doch das ambitionierte Unterfangen, figurenzentriert zu erzählen und dabei eine Balance zwischen alten, ganz alten (die „Jurassic Park“-Trilogie aus den 90er-Jahren) und neuen Figuren zu schaffen. Das ist nicht hundertprozentig gelungen, denn bei den neuen Figuren überzeugt zwar DeWanda Wise als tollkühne Pilotin, aber Mamoudou Athie bleibt für seinen Whistleblower wenig Raum zur Entfaltung.

So hat das Ganze, stärker noch als kürzlich in der Neuauflage von „Scream“, mehr den Charakter eines Klassentreffens, zumal auch Campbell Scott, hier zum technokratischen Firmenchef aufgestiegen, schon im allerersten „Jurassic Park“ vorkam. Da auch ein furchteinflößender Saurier wie der Indominus Rex fehlt, ist dies am Ende ein familienfreundlicher Film – der erschreckendste Moment geht von keinem Dino aus, sondern von einem Schwarm übergroßer Heuschrecken. Frank Arnold

Jurassic World: Dominion (OT); USA 2022; 147 Min.; R: Colin Trevorrow; D: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Laura Dern, Sam Neill, Jeff Goldblum, Campbell Scott; Kinostart: 8.6.

Sundown

„Sundown“ von Michel Franco. Foto: Teorema

DRAMA Tim Roth ist einer von diesen Schauspielern, die gefühlt schon ewig da sind, sich wenig verändern, nicht zu den Hauptrollen drängeln, und doch immer Eindruck hinterlassen. Nun kann man ihn in einer echten Glanzrolle sehen, und es ist eine, die alles bestätigt, was wir über seinen Typ zu wissen glauben. Er spielt Neal Bennett, einen Briten auf Ferien in Acapulco. Er ist in Begleitung einer schönen Frau namens Alice (Charlotte Gainsbourg) und zweier Kinder, dazu gibt es reichlich Kontakt mit einem Anwalt, denn man ist reich, und da kümmert man sich nicht selbst ums Geld und viele andere Dinge. Die Tage vergehen am Pool und mit anderem Müßiggang, bis aus der Heimat eine Nachricht kommt: Die Mutter ist krank, eine frühzeitige Abreise ist unumgänglich. Nicht für Neal. Er bleibt, mit einer jämmerlichen Ausrede, in Mexiko, während der Rest der Familie abreist. Welche Beschaffenheit es mit dieser Familie hat, birgt in der Folge in Michel Francos „Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ noch die eine oder andere Überraschung.

Man sollte überhaupt nicht zu viel verraten von der Geschichte dieses leicht merkwürdigen Films. Am besten, man bleibt einfach bei Tim Roth, den wir in der Folge sehr oft am Strand sehen, und zwar nicht bei den Bikinischönheiten von Acapulco, sondern dort, wo die einfachen Leute baden. Er lungert dort auf einem der üblichen Plastikstühle, zieht sich ein Bier nach dem anderen hinter die Brust, und hat auch bald eine einheimische Geliebte, mit der er in einem billigen Hotelzimmer mittelträgen Sex hat. Das könnte ewig so weitergehen, und so stellt Neal es sich vielleicht auch vor, wenn man eine Ahnung davon bekäme, was in ihm vorgeht. Vielleicht einfach nichts.

Michel Franco entwickelt „Sundown“ aber dann doch mit einigen coolen Ideen in Richtung eines Thrillers. Dabei geht es auch um Themen wie erste und nicht erste Welt, Acapulco wird zu einer Begegungszone des globalen Nordens mit dem globalen Süden. Einer der tollen Aspekte von „Sundown“ ist ohnehin, wie dieser einst glamouröse Ort (auch ein Lieblingsschauplatz, in dem das Kino gern Jachten anlegen ließ) hier quasi von hinten oder von unten zu sehen ist. Über den Plot kann man dann gern noch ein bisschen spekulieren, es gibt einige Twists, aber im Grunde könnte man auch einfach Tim Roth ewig dabei zuschauen, wie er einen Widerwillen gegen Ereignisse so spielt, dass daraus ein ganz eigenes Ereignis wird. Bert Rebhandl

Mexiko 2021; 83 Min.; D: Michel Franco; D: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Henry Goodman; Kinostart: 9.6.

Große und kluge Unterhaltung: „Belle“ von Mamoru Hosoda

„Belle“ von Mamoru Hosoda. Foto: Koch Films

ANIMATION „La Belle et la Bête” – die Schöne und das Biest: ein französisches Märchen, das es in unzähligen Bearbeitungen gibt. Jean Cocteau machte daraus eine poetische Phantasterei, Disney einen populären Zeichentrickfilm, und Léa Seydoux schlug sich in einem seltsamen CGI-Brimborium auch schon mal durch den verwunschenen Schlossgarten. Wer sich hinter der Maske der verhexten Bestie verbirgt, hat man sich immer wieder gefragt, dabei ist die Moral des Märchens unschlagbar einfach: Ein guter Charakter ist tausendmal wichtiger als gutes Aussehen. 

Ganz so simpel ist es in „Belle”, der neuen Bearbeitung durch den japanischen Anime-Regisseur Mamoru Hosoda, allerdings nicht. Zumal Hosoda, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, hier keine Liebesgeschichte erzählt. Die Story trägt sich nun in einem virtuellen Netzwerk namens „U” zu, in dem die Nutzer nach Scan ihrer biometrischen Daten als Avatare ihren Interessen nachgehen. Belle (anfangs eigentlich: Bell), das ist die 17-jährige Oberschülerin Suzu, ein in sich gekehrtes Mädchen, das mit ihrem Vater auf dem Land lebt und seit dem Tod ihrer Mutter ziemlich deprimiert ist.

An den Unternehmungen ihrer Klassenkamerad:innen zeigt sie wenig Interesse, und mit ihrem Vater spricht sie kaum ein vernünftiges Wort. Und während Suzu in der Realität überhaupt nicht mehr singen kann und mag, ist sie in der virtuellen Welt von „U” als Belle ein absoluter Superstar des J-Pop – mit zig-Tausenden von Followern, die sich vor Begeisterung kaum einkriegen können.

Aber dann stört ein „Drache“ eines ihrer Konzerte, ein Unruhestifter, dem eine selbstgerechte Vigilantentruppe namens „Justin und die Justice-Crew” stets auf den Fersen ist. Doch nur Belle/Suzu scheint sich die Frage zu stellen, wer und welches Schicksal wohl hinter der Maske des Wüterichs stehen könnte, und macht sich auf die Suche nach seinem geheimen Schloss. Was sie dabei entdeckt, stellt nicht nur einen direkten Bezug zu ihrem eigenen Trauma her – ihre Mutter ertrank beim Versuch, ein fremdes Kind zu retten –, sondern lässt sie auch erkennen, dass es die reale Welt ist, in der man Dinge mit Tatkraft, Mitgefühl und Selbstbewusstsein tatsächlich verändern kann und muss.

Seit Beginn seiner Karriere als Anime-Regisseur in den frühen 2000er-Jahren hat sich Mamoru Hosoda für virtuelle Welten interessiert: für ihren Sinn und Nutzen, den Spaß, den man dort haben kann, aber auch für die Gefahren, die dort lauern: Mobbing, Shitstorms, der Zusammenbruch gesellschaftlicher Infrastruktur. Bereits in „Digimon – Der Film“ (2000) gab es eine Episode, in der Kinder im Internet ein mutiertes Digimon (eine Variation des damals berühmten Pokémon) bekämpfen, das sich zum Datenfresser entwickelt hat.

In „Summer Wars“ (2009) nahm er das Thema des virtuellen weltumspannenden Netzwerks und eines – auch in der realen Welt großen Schaden anrichtenden – Killer-Avatars wieder auf, hier müssen sich zwei Schüler:innen (plus Familie) ihrer Stärken im wirklichen Leben besinnen, um dem Treiben Einhalt gebieten zu können. Die Ähnlichkeit zu „Belle” in der Grundkonstruktion ist frappant, doch während „Summer Wars” eher komödiantisch angelegt war, bleibt „Belle” trotz einiger amüsanter High-School-Vignetten ernst.

In der Gestaltung bietet der Kontrast zwischen Schulalltag und der virtuellen Welt natürlich fantastische Möglichkeiten, zumal Hosoda mit dem langjährigen Disney-Mitarbeiter Jin Kim (character design) und dem nordirischen Animationskünstler Tomm Moore (art design) zwei ausgesprochene Könner des Fachs mit an Bord hat. „Belle” bietet große und kluge Unterhaltung, schön, dass der von Hosodas eigenem Studio Chizu produzierte Film einen regulären Kinostart auch bei uns bekommt. Lars Penning

Ryû to sobakasu no hime; J 2021; 121 Min. R: Mamoru Hosoda; Kinostart: 9.6.

France

Léa Seydoux in „France“ von Bruno Dumont. Foto: MFA

DRAMA France (Frankreich) ist der Name eines europäischen Staats, im Französischen aber auch einfach ein Vorname: France de Meurs heißt die zentrale Figur in Bruno Dumonts Film, dessen Titel allerdings unweigerlich mehrdeutig wird, wie auch der Name de Meurs, in dem der Tod präsent ist, aber auch das Wort „demeurer“ (bleiben). „France“ erzählt von einer Starjournalistin, die in ihrer Fernsehsendung regelmäßig die wichtigen Intellektuellen befragt, aber auch an die Front geht, sie trifft sich mit Kämpfern gegen den Dschihad oder mischt sich unter Menschen, die auf einem Boot nach Europa zu kommen versuchen – das Schnellboot für den eigenen Rückweg ist dabei immer in der Nähe, soll aber natürlich nicht ins Bild.

Léa Seydoux, nach ihrem Auftritt in den letzten Bond-Filmen vielleicht derzeit der größte Star im französischen Kino, spielt France, eine Frau, die ständig für Selfies posieren muss. Bruno Dumont eröffnet mit einer surrealen Szene auf einer Pressekonferenz mit Präsident Macron, bei der gleich erkennbar wird, dass „France“ kein im strengen Sinn realistischer Film sein wird, sondern stark von der Unwirklichkeit angegriffen ist, in die das Fernsehen alles taucht.

Auch das Spiel von Léa Seydoux passt dazu: sie ist immer wieder stark melodramatisch, man weiß oft nicht, ob sie für eine mitgedachte Fernsehkamera spielt, die alles auf große Emotionen hin ausquetschen will (es fließen auch viele Tränen). Die Dekors (France lebt in einer Wohnung, für die das Wort extravagant eine grobe Untertreibung wäre) und die zum Teil großartig gewählten Schauplätze sorgen ebenfalls dafür, dass man ständig das Gefühl hat, „France“ möchte eigentlich nicht wirklich ernst genommen werden. Dass France schließlich einen Lateinlehrer trifft, der ihr bei einem Spaziergang im Schnee mit mittelalterlichen Gesängen den Hof macht, ist dann noch keineswegs der Höhepunkt der Absurditäten – es gibt bald eine noch bizarrere Szene mit Angela Merkel!

Bruno Dumont hat sich zuletzt als Komödiant etabliert, der aus der Perspektive der Provinz ein anderes Frankreich zu zeigen versucht als das zentralistische, elitäre in Paris. Mit „France“ kehrt er selbst ins Zentrum der (Medien-)Macht zurück, bleibt aber auf satirische Distanz, eine Distanz, die wiederum gebrochen ist durch das große Spiel von Léa Seydoux. Eine merkwürdiger Film, der über weite Strecken offene Türen einzulaufen versucht, und dabei sein eigenes groteskes Stolpern zu genießen scheint. Bert Rebhandl

F 2021; 136 Min.; R: Bruno Dumont; R: Léa Seydoux, Blanche Gardin, Benjamin Biolay; Kinostart: 9.6.

Zum Tod meiner Mutter

„Zum Tod meiner Mutter “ von Jessica Krummacher. Foto: Grandfilm

DRAMA Kerstin will nicht mehr leben. Seit langem leidet sie an einer tückischen, unheilbaren Krankheit, hat starke Schmerzen, ist auf Hilfe angewiesen und verdammt, zu warten und zu dulden. Aussicht auf Besserung gibt es nicht. Also soll ein Ende her, nur wird der Tod ihr wohl so rasch nicht freiwillig entgegen kommen, denn Kerstin ist erst 64 Jahre alt. Doch ihr beim Sterben zu helfen ist jenen verboten, die Mitleid haben mit ihr und es auf ihr Gewissen nehmen würden. Alles was Kerstin bleibt, ist, die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu verweigern. Dass sie in einem katholischen Pflegeheim untergebracht ist, macht die Sache nicht einfacher, kommt doch gefühlt alle paar Minuten jemand ins Zimmer und bietet Wasser und Brot oder fragt nochmal nach oder mahnt vor der Verdammnis oder predigt Gottergebenheit. Juliane, Kerstins Tochter, steht ihrer Mutter bei so gut sie kann; jeden Tag besucht sie sie, manchmal übernachtet sie im Sessel; auch sie dazu verdammt zu warten und zu dulden.

Jessica Krummacher verarbeitet in „Zum Tod meiner Mutter“ den Tod ihrer Mutter – aber was heißt schon „verarbeiten“ in einem solchen Zusammenhang? Krummacher nimmt sich Zeit, um mit Ruhe und Geduld Zeugnis abzulegen von der Schwierigkeit eines würdigen Sterbens unter unwürdigen Bedingungen. Von der Rast- und Hilflosigkeit der bald-dann-Hinterbliebenen, von verfrühter Erinnerung und unzeitigem Frohsinn. Davon, dass, wie Thomas Bernhard sagte, alles lächerlich ist, wenn man an den Tod denkt. Im Zuge dessen gelingt es ihr, dem Unbegreifbaren eines Lebensendes einen bildlichen Raum zu konstruieren. In dem, freilich, der Tod als solcher nicht sichtbar wird (und ja auch nicht werden kann), doch seine Macht und seine Gnade spürbar sind. Alexandra Seitz

D 2022; 135 Min.; R: Jessica Krummacher; D: Birte Schnöink, Elsie de Brauw, Susanne Bredehöft; Kinostart: 9.6.

Risiken und Nebenwirkungen

„Risiken und Nebenwirkungen“ von Michael Kreihsl mit Samuel Finzi und Inka Friedrich. Foto: Filmwelt

TRAGIKOMÖDIE Kathrin (Inka Friedrich) ist um die 50 und hat die Diagnose „Niereninsuffizienz im dritten Stadium“ erhalten. Die Lösung: eine Spenderniere von jemandem mit der derselben Blutgruppe. Ihr Ehemann, der Architekt Arnold (Samuel Finzi), hat diese Blutgruppe. Also Niere gespendet, alle happy, Film zu Ende? Bereits in diesem frühen Moment des Films greift das schauspielerische Können von Samuel Finzi und Inka Friedrich, denen der österreichische Regisseur Michael Kreihsl viel Raum gibt: In Gestik, Mimik und gedrechselten Sätzen bringt Finzi seine Bedenken, einen Teil seines Körpers herzugeben, ebenso nachvollziehbar zum Ausdruck wie Friedrich ihre scheinbar verständnisvolle Reaktion auf das Zögern ihres Gatten. Und, wie Arnold ständig betont: „Ich habe ja noch nicht Nein gesagt!“ Keine große Hilfe für Kathrin und Arnold sind Diana (Pia Hierzegger) und Götz (Thomas Mraz), ein befreundetes Ehepaar. Und Eva, die Tochter von Kathrin und Arnold, fühlt sich bei dem ganzen Hickhack sowieso ausgegrenzt.

Der in der gutbürgerlichen Wiener Gesellschaft verankerten Beziehungskomödie merkt man zwar die Herkunft von der Theaterbühne an (das Stück „Die Niere“ lief im Frühjahr in der Komödie), aber da hier Dialoge und schauspielerisches Können im Vordergrund stehen, stört das etwas Statische der Inszenierung kaum. Stattdessen erfreut man sich an einer pfiffigen Geschichte, die Kritik an einer Gesellschaft transportiert, in der der Optimierungswahn groteske Züge annimmt. Martin Schwarz

Österreich 2021; 93 Min.; R: Michael Kreihsl; D: Inka Friedrich, Samuel Finzi, Pia Hierzegger; Kinostart: 9.6.

Total Thrash – The Teutonic Story

„Total Thrash – The Teutonic Story“ von Daniel Hofmann. Foto: Mindjazz

DOKU Den Schreiber des Fanzines „traf fast der Schlag“: der Konzertabend der angesagtesten neuen Metal-Bands der Republik fand in einer „umfunktionierten Teestube“ statt. Willkommen in den Jugendzentren des Ruhrpotts, willkommen zur Geburtsstunde des deutschen Thrash-Metal! Von U.K. und den USA ausgehend, hatte spätestens 1984 diese extrem laute, extrem schnelle Spielart des Heavy Metal mit Bands wie Kreator, Sodom und Destruction würdige Adepten und mit dem Ruhrgebiet ein kreatives Epizentrum gefunden. Kein Sound passte in den 1980er-Jahren besser zur Kaputtheit dieser Region. Ein toller Filmstoff: Harmlose, langhaarige Kids, die bis dato höchstens mal im Saufschuppen des väterlichen Schrebergartens über die Stränge schlugen, begannen zu thrashen, droschen besinnungslos auf Gitarren und Schlagzeug ein und mutierten über Nacht zu Propheten des Bösen, im Endkampf gegen höllische Dämonen.

 Die Dokumentation „Total Thrash“ zeigt, dass viele der einstigen Protagonisten den „Infernal Overkill“ (Destruction) überlebt haben. Das ist gut so. Ansonsten vermasselt der Film die Chance, ein nahezu unbekanntes Musik-Kapitel aufleben zu lassen. Überwiegend lauscht man den Anekdoten der Veteranen, was bei ein paar Bier in der Kneipe unterhaltsamer ist als in der hier einfallslosen Bildgestaltung. Nachfragen zu spannenden Aspekten wie „Musik der Arbeiterjugend“, zum abgefahrenen Cover-Artwork der Bands fehlen gänzlich, wie überhaupt kein Gefühl aufkommt für die damalige Atmosphäre von Tristesse, Niedergang und Aufbruch. Was hier schmerzt, ist nicht die Lautstärke des Metal, sondern die Biederkeit des Films. Andreas Döhler

D 2022; 107 Min.; R: Daniel Hofmann, Kinostart: 9.6.

Mit Herz und Hund

„Mit Herz und Hunde“ von Paul Morrison. Foto: Weltkino

KOMÖDIE Die erste Begegnung ist ein Missklang: Als sich zwei Hundebesitzer auf einem engen Weg begegnen, hat die Frau verständliche Angst um ihren Terrier, denn die Schäferhündin ist ungleich größer und vor allem: nicht angeleint. Entsprechend beschimpft die Frau deren Besitzer, der ihr zwar versichert, Tillie sei harmlos, aber das mag Fern nicht so recht glauben und nimmt ihren Henry sicherheitshalber auf den Arm.

Ein verbaler Schlagabtausch ist in Komödien oft der Beginn einer Beziehung, und Zweibeiner, die sich durch ihre Vierbeiner näher kommen, sind ebenfalls nichts Neues, waren schon zu sehen in amerikanischen („Frau mit Hund sucht Mann mit Herz“) wie in deutschen („Wuff“) Filmen – dies allerdings ist mehr als nur die britische Variante davon. Das liegt nicht nur am gesetzten Alter der menschlichen Hauptfiguren, sondern vor allem daran, dass der Film – auch wenn sein deutscher Titel und der Trailer eine pure Feelgood-Komödie verheißen – dramatische Momente hat. Denn eines Tages stellt Dave Fern ein weiteres Mitglied seiner Familie vor. Woraufhin ihn Fern erneut beschimpft und nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte. Wird sie ihm eine zweite Chance geben?

Regisseur Paul Morrison, der vom Dokumentarfilm kommt, hat die Geschichte unaufgeregt inszeniert, mit einem Gespür für Personen und Orte (etwa das neue unwirtliche Heim, in das Dave von seinem Vermieter umgesetzt wird – ein Hochhaus, in dem die Tapeten von den Wänden kommen).

Neben dem durchaus anrührenden Agieren der beiden Hunde lebt der Film nicht zuletzt vom Spiel seiner beiden Hauptdarsteller, die die Balance zwischen komischen und tragischen Momenten beherrschen, dafür hatten sie schließlich gute Lehrmeister: Der Stand Up Comedian Dave Johns verkörperte für Ken Loach die Hauptrolle in „Ich, Daniel Blake“, während Alison Steadman, vorwiegend im Fernsehen und auf der Bühne tätig, sechsmal für ihren damaligen Ehemann Mike Leigh vor der Kamera stand, unvergessen als die dauerquasselnde Hauptfigur von „Abigail’s Party“. Frank Arnold

23 Walks; GB 2019; 97 Min.; R: Paul Morrison; D: Dave Johns, Alison Steadman, Natalie Simpson, Marsha Millar; Kinostart: 9.6.

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