Das Kultstudio A24 hebt das Formelkino mit dem tiefgründigen Horror-Schocker „Heretic“ originell und hochintelligent auf neue Ebenen. tipBerlin-Kritiker Bert Rebhandl ist begeistert von Hugh Grant, der mit der Traumrolle eines höllischen Psychopathen endlich sein altes Image als Rom-Com-Held los wird.
„Heretic“ bietet einen Alptraum der ganz besonderen Art
Zwei junge Frauen klopfen an die Tür einer Villa irgendwo in Amerika. Sie wollen einen Täufling finden für die mormonische Gemeinschaft, deren Glauben sie teilen. In den holzgetäfelten Räumen erwartet sie ein Alptraum der ganz besonderen Art. Denn zuerst einmal erweist sich dieser Mr. Reed (auch ein belesener Mr. Read) als Sophist. Er kontert elegant und mit sarkastischem Sinn für Paradoxa den naiven Glauben der beiden Missionarinnen. Er setzt ihnen auseinander, dass Religionen aufeinander aufbauen wie verschiedene Editionen des Monopoly-Spiels (eine brillante Szene). Und bald merken sie, dass sie aus diesem Haus vielleicht nie wieder hinausfinden werden. Denn die scheinbar aufklärerischen Fragen von Mr. Reed bekommen allmählich einen sadistischen Unterton, und als er ihnen schließlich einen scheinbaren Ausweg eröffnet, folgt dieser einer Logik grausamer Ironie: Auf einer Tür steht „Glauben“, auf einer „Unglauben“. Es versteht sich von selbst, dass beide in die Hölle führen.
Für Hugh Grant, der seinem Image als romantisches Idol aus „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Notting Hill“ schon lange zu entkommen versucht, ist „Heretic“ eine Traumrolle. Hier kann er seinen „smirk“, sein affektiertes Grinsen, endlich einmal richtig sinnvoll zum Einsatz bringen. Das extrem smarte Drehbuch stammt von Scott Beck und Bryan Woods, die 2018 mit John Krasinski den Pssst-Schocker „A Quiet Place“ erfunden haben und nun mit theologischen Spitzfindigkeiten auch als Regisseure und Architekten zu Hochform auflaufen. Denn alles das, was im Horrorkino zu den Genre-Verpflichtungen gehört, bekommt in „Heretic“ eine zweite Ebene in den Paradoxien der Frömmigkeit oder der Gottlosigkeit. Das aktuelle Kultstudio A24 erweist sich mit „Heretic“ einmal mehr als ein Labor, in dem das Formelkino originell und hoch intelligent auf neue Ebenen gebracht wird.
- Heretic USA 2024; 110 Min.; R: Scott Beck, Bryan Woods; D: Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East; Kinostart: 26.12.
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