Die Hofer Filmtage haben sich in ihrem 58. Jahrgang unter der Führung des Festivalleiters Thorsten Schaumann endgültig zum reinen Nachwuchsfestival entwickelt. Das hat auch seine Vorteile: Man orientiert sich nicht mehr nach bekannten Namen in der Besetzung oder auf dem Regiestuhl (wie etwa wenn hier Dominik Graf mit „Jenseits des Rechts“ einen neuen „Polizeiruf 110“ mit Starbesetzung präsentiert), sondern ist offen für alles, vor allem auch für Dokumentarfilme. Und in diesem Metier entpuppt sich Hof immer mehr als wahre Fundgrube. tipBerlin-Redakteur Martin Schwarz hat sich bei den Hofer Filmtagen 2024 umgesehen.
Hofer Filmtage 2024: Jubel beim Eröffnungsfilm „Zeppelin oben rechts“
Das Festival ging schon mit dem Eröffnungsfilm „Zeppelin oben rechts“ gut los. Olli Duerrs Porträt einer Gießener Werkstatt für Menschen mit Behinderung lebt vor allem von den großartigen Protagonist:innen Birgit Gigler, Jens Bleckmann, Eric Kosuch oder Mirka Holsteinová. Sie alle haben irgendein Handicap körperlicher und/oder psychischer Natur – und sie alle sind Künstler, die erstaunliche Werke herstellen und dabei höchst individuell ihre Persönlichkeit in die Gemälde, Grafiken oder Skulpturen einfließen lassen. So war es natürlich besonders schön, einige von ihnen bei der Eröffnung auf der Kinobühne begrüßen zu dürfen. Hoffentlich schafft „Zeppelin oben rechts“ den Weg in die Kinos.
Gleich zwei Dokumentarfilm beschäftigen sich mit der österreichischen Provinz. In „Besuch im Bubenland“ bereist die von dort stammende Filmemacherin Katrin Schlösser das Burgenland und lässt dabei echte heterosexuelle Kerle unterschiedlichen Alters zu Wort kommen, die zwar mitunter ein merkwürdiges Verhältnis zum weiblichen Geschlecht besitzen, mitunter aber doch bemerkt haben, dass sich hier in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet einiges getan hat. Spannend und erhellend.
„Trog“ ist der Name eines riesigen, 500 Jahre alten Bauernhauses, in dem die Vorfahren der Filmemacherin Ella Hochleitner aufgewachsen sind. Sie tut nun – auch wohl mangels bewegter Archivbilder – wenig mehr, als mit elf Verwandten durch das mittlerweile leerstehende Haus zu gehen und sie erzählen zu lassen. Und was für eine Familiengeschichte sich da zusammensetzt! Die Bandbreite reicht von Desertion im Naziregime zur Erschießung, vom KZ bis zu unguten sexuellen Beziehungen. Ein spannendes Familienpanorama, bei dem man froh über die deutschen Untertitel ist. „Trog“ gewann den Granit Hofer Dokumentarfilmpreis.
Evergreens mit doppeltem Boden bei den Hofer Filmtagen 2024
Kennt ihr Michael Jary und Bruno Balz? Natürlich kennt ihr Michael Jary und Bruno Balz! Und zwar wegen ihrer Lieder: Komponist Jary und Texter Balz haben über rund ein halbes Jahrhundert hinweg unzählige Evergreens geschaffen, von Zarah Leanders „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ über Heidi Brühls „Wir wollen niemals auseinandergehn“ bis zu Heintjes „Mama“, bevorzugt fürs Kino.
- Rückblick: So waren die Hofer Filmtage 2023
Filmemacher Martin Witz hat anhand Interviews mit Zeitzeugen und kundigen Experten wie Entertainer Götz Alsmann oder dem Berliner Filmmuseumschef Rainer Rother sowie mit zahlreichen Filmausschnitten das mitreißende Doppelporträt „Im Schatten der Träume“ kreiert, in dem man lernt, dass es in den Texten des schwulen Texters Baltz stets viel zwischen den Zeilen zu lesen gab. Und in einer Szene ist die wunderbare Sängerin Bibi Johns zu sehen, mittlerweile 95 Jahre alt und quietschfidel.
Und dann ist da noch Angela Christlieb. Die lange in Berlin beheimatete und mittlerweile hauptsächlich in Wien lebende Filmemacherin hat sich mit den Jahren ein erstaunliches Œuvre jenseits des Mainstreams erarbeitet: Man erinnert sich gerne an Filme wie das Kinonerd-Porträt „Cinemania“ oder das Porträt der durchgeknallten österreichischen Künstlergruppe Gelitin, „Whatever Happened to Gelitin“. Durch Zufall ist Christlieb in Wien Daniel Pabst begegnet, dem Enkel des großen deutschen Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst, von allen nur GW genannt. Mit Daniel, seinem Bruder Ben, anderen Protagonisten und etlichen Filmausschnitten zeichnet Christlieb in „Pandoras Vermächtnis“ ein subjektives Bild eines berühmten Mannes, das ganz anders aussieht als jenes von Daniel Kehlmann in seinem Pabst-Bestseller „Lichtspiel“.
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