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Filmkritik

Neuer James Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“: Craigs letzter Auftritt

Wer war wohl ungeduldiger, die Macher des neuen James Bond-Films oder die Fans? Mit fast einem Jahr (Corona-)Verspätung startet diese Woche „Keine Zeit zu sterben“, mit dem eine Ära zu Ende geht, denn Daniel Craig hört nach 15 Jahren auf. Lars Penning hat sich den neuen James-Bond-Film für tipBerlin angesehen.

Der neue Bond: „Keine Zeit zu sterben“ von Cary Joji Fukunaga. Bild: MGM

Neuer James Bond kostete 250 Millionen Dollar

ACTION Im Laufe von fast 60 Jahren hat James Bond ja schon so manchen Superschurken besiegt: Doctor No, Goldfinger, Blofeld, Le Chiffre und Spectre, um einmal ein paar zu nennen. Doch als 2020 Covid-19 nach der Weltherrschaft griff, war er zunächst machtlos. Kompletter Lockdown und in der Folge Filmtheaterbesuche nur mit Maske, Sicherheitsabstand, Impfung oder Test – das ist so ziemlich das Letzte, was sich Produktions- und Verleihfirmen wünschen, die einen Film mit geschätzten Herstellungskosten von 250 Millionen Dollar an der Hand haben (Werbebudget nicht eingerechnet) und etwa drei bis vier Mal so viel Geld an den Kassen einspielen müssen, um am Ende auf ihre Kosten zu kommen.

Die Probleme, die sich aus der anderthalbjährigen Verzögerung zusätzlich mit Werbeverträgen, Merchandising und Produktplacement ergeben, sind in den vergangenen Monaten ja auch immer wieder gern mit einer gewissen Häme breitgetreten worden.

„Keine Zeit zu sterben“ ist ziemlich psychologisch

Nun endlich ist der Kinostart erfolgt, der mögliche Erfolg ist aber natürlich noch reine Spekulation. Lohnt es sich denn? Zunächst muss man vielleicht sagen, dass man bei „Keine Zeit zu sterben“ gar nicht richtig das Gefühl bekommt, einen James-Bond-Kinofilm zu sehen. Dramaturgisch – das Drehbuch wurde in der Vorbereitungsphase x-mal umgeschrieben – wirkt der 163 Minuten lange Film eher wie die letzten drei Folgen einer Miniserie, allerdings einer ziemlich teuren.

Daniel Craig ist Agent 007 in „Keine Zeit zu sterben“ von Cary Fukunaga. Bild: MGM

Denn bevor es nach etwa anderthalb Stunden endlich um den neuen Schurken Safin (Rami Malek) und seine DNA-Waffe geht, mit der er einen Großteil der Menschheit ausrotten könnte, müssen erst noch alte Freunde (CIA-Mann Felix Leiter) und alte Feinde (Spectre und Blofeld) entsorgt und die Kindheitstraumata von Bonds großer Liebe Madeleine Swann (Léa Seydoux) aufgearbeitet werden, die ihrerseits eng mit der Biografie von Safin und seinen Kindheitstraumata verknüpft sind. Großreinemachen in Daniel Craigs letztem Bond-Abenteuer also, aber ehrlich gesagt: Ohne die ganze Psychologie und das mit ihr einhergehende Gerede hatte der Geheimagent im  Auftrag ihrer Majestät auch schon mal mehr Schwung.

James Bond lebt brav monogam, liebt und leidet

Doch klar, die amüsanten Machoabenteuer des Sean-Connery-Bonds aus den 60ern sind nicht mehr zeitgemäß, und auf die Idee, eine Frauenfigur Pussy Galore (wie in „Goldfinger“) zu nennen, würde heute garantiert niemand mehr kommen. Bond ist brav monogam, er liebt und leidet daran, und auch beim Geheimdienst steht die Zeit nicht still – nach Bonds zwischenzeitlicher Demission hat man die Nummer 007 an eine sehr selbstbewusste schwarze Frau vergeben.

Aber als Genrefilm benötigt der Film natürlich auch das ikonisch Wiedererkennbare: den Agenten im gut sitzenden Smoking, der seine Martinis immer noch geschüttelt bestellt, einen schicken alten Aston Martin fährt und exotische Schauplätze nach wilden Verfolgungsjagden als Trümmerfelder mit vielen Leichen hinterlässt.

Wer räumt das hinterher eigentlich immer auf? Wenigstens darum macht sich hier nicht auch noch jemand Sorgen. Aber der Spagat zwischen dem menschlichen und dem Superhelden-Bond fällt immer schwerer. Insofern ist es wohl wirklich an der Zeit, James Bond nach Craigs nunmehrigem Abschied noch einmal ganz neu zu denken.

Und James Bond kehrt zurück – das verkündet der Nachspann wie immer mit verlässlich unerschütterlicher Ruhe. Das, was der aktuelle Film als Bond-Routine anbietet, ist bei alledem immer noch unterhaltsam genug: „Keine Zeit zu sterben“ sieht attraktiv aus, und die Stars sind gut in Form. Aber wenn man zwischendurch mal aufs Klo muss, ist das auch nicht so schlimm.

No Time to Die (OT); GB/USA; 163 Min.; R: Cary Fukunaga; D: Daniel Craig, Léa Seydoux, Rami Malek, Ana de Armas; Kinostart: 30.9.  


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