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Interview

Jim Rakete über seine Klimawandel-Doku „Now“: „Ich will wissen, wie das alles ausgeht“

Der Fotograf Jim Rakete hat eine Doku gedreht: „Now“ heißt sein Film über die Held:innen der Klimaschutzbewegung. tipBerlin-Filmkritiker Bert Rebhandl hat sich mit Rakete in dessen alter Heimat Kreuzberg getroffen und über das wohl wichtigste Thema unserer Zeit gesprochen.

"Our House is on fire": Szene aus der Doku "Now" mit einer großen Demo von Fridays for Future. Foto: W-film / Starhaus Produktionen
„Our House is on fire“: Szene aus der Doku „Now“ mit einer großen Demo von Fridays for Future. Foto: W-film / Starhaus Produktionen

Jim Rakete an der Seite von Fridays for Future

Jim Rakete kommt mit dem Rad. Er hat den weiten Weg aus Grunewald nach Kreuzberg gemacht, um bei Kuchenkaiser am Oranienplatz über seinen Film „Now“ zu sprechen. Eine Dokumentation über den Kampf gegen den Klimawandel. „Hier bei Kuchenkaiser haben alle wichtigen Besprechungen für den Film stattgefunden.“ Wie kommt es, dass er, ein berühmter Fotograf, sich nun an die Seite von Initiativen wie Fridays for Future oder Ende Gelände stellt? „Ich wusste das gar nicht, dass ich so einen Film machen wollte.“ Jim Rakete wurde angesprochen, von der Autorin Claudia Rinke, die einen Werbespot von ihm gesehen hatte.

Jim Rakete ist Fotograf und Dokumentarfilmer. „Now“ heißt seine Doku über den Kampf gegen den Klimawandel. Foto: Katrin Kutter

„Ein kleiner, epischer Spot für ein Hybrid-Auto, den ich in Kalifornien gedreht habe. Der war konzipiert in Form eines Briefwechsels zwischen einer jungen Schauspielerin und mir. Jella Haase war die Schauspielerin, jeder von uns hat seinen Teil geschrieben. Ich sitze mit meiner Hermes Baby Schreibmaschine in der Wüste in Kalifornien, und sie sitzt in der S-Bahn in Berlin, und wir diskutieren über die Zukunft. Von der Poetik her war das ein bisschen Brechstange, aber es war ein dichter Clip.“

Claudia Rinke hatte ein Treatment für einen Film über den Klimawandel fertig, sie war auf der Suche nach einem prominenten Protagonisten und wandte sich an Rakete. Man traf sich in Kreuzberg und entwickelte ein Konzept: einen Film über die vielen Bewegungen, die sich heute dafür engagieren, dass die Erderwärmung gestoppt werden kann. „Ich habe nach den besten Ideen gesucht“, sagt Jim Rakete.

Eine der Stimmen im Film "Now": Luise Neubauer. Foto: W-film / Starhaus Produktionen
Eine der vielen Stimmen im Film „Now“: Luise Neubauer. Foto: W-film / Starhaus Produktionen

So bekommt man nun in „Now“ also nicht nur die jugendliche Prominenz des Klimaaktivismus zu sehen: Luisa Neubauer von Fridays for Future Deutschland, Nike Mahlhaus von Ende Gelände, dazu Marcella Hansch von Pacific Garbage Screening und Felix Finkbeiner von Plant for the Planet, Zion Lights als Vertreterin der nicht ganz unumstrittenen Extinction Rebellion, aus Amerika Vic Barrett von Youth v. Gov., und aus ein weniger größerer Distanz auch ab und zu Greta Thunberg. Dazu kommen Vordenker einer anderen Wirtschaftsordnung wie der beeindruckende Jason Hickel.

Jim Rakete hat mit kleinem Team und wenig Geld gearbeitet

„Ich kann immer noch selbst kaum glauben, dass wir wirklich mit allen Menschen tatsächlich Interviews geführt haben, mit denen wir uns das gewünscht haben“, erinnert sich Jim Rakete an die nicht gerade überbudgetierten Dreharbeiten. „Das hat alles im Kern nicht länger als zehn Tage gedauert, mit einem klitzekleinen, entschlossenen Team, dem ich ewig dankbar sein werde.“ Jim Rakete hat lange in Amerika gelebt, deswegen bringt er gern Vergleiche, die an diese Erfahrungen erinnern. „Ich habe mir immer gesagt: unser Team soll nicht größer sein, als in ein New Yorker Taxi passt.“ Der UN-Klimagipfel 2019 in der Stadt an der amerikanischen Ostküste war immer als dramaturgischer Höhepunkt geplant.

Jim Rakete: „Erst einmal müssen wir die Autos los werden“

Jim Rakete hat Rockstars fotografiert und Politiker. Er war bei vielen großen Momenten dabei und dabei oft unterwegs. Er ist dieses Jahr 70 geworden, und gehört zu einer Generation, die das Leben in vollen Zügen gelebt hat. Wann tauchte bei ihm eigentlich zum ersten Mal so etwas wie ein Bewusstsein für den Klimawandel auf? Sehr früh, sagt er. „Während der Ölpreiskrise im Jahr 1973 waren die Autobahnen gesperrt, da wurde einem die Endlichkeit der Ressourcen bewusst. Ich war danach in Amerika auf einer Convention des Fernsehsenders CBS und saß da mit Managern an einem Swimming Pool, und da sagte einer diesen unglaublich coolen Satz: First of all, we have to get rid of cars. Erstens einmal müssen wir die Autos los werden.“ Das hat nicht ganz funktioniert, stattdessen kamen die SUVs, auch wenn Rakete selbst schon damals Konsequenzen zog: Er stieg von einem alten Volvo auf einen R4 um, also ein Modell, für das eine heute jeder Autoposer auslachen würde.

Wie viele Leute aus seiner Generation muss Rakete auch ein wenig Abbitte leisten für einen sehr klimaintensiven Lebensstil. „Deswegen habe ich den Film ja gemacht. Kaum zu glauben, wieviel ich im Lauf der Jahrzehnte geflogen bin.“

„Now“ deutet an: Aufforstung und Veganismus reichen nicht

In „Now“ gibt es durchaus die eine oder andere Andeutung, dass es mit Aufforstungen und Plastikverboten, mit CO2-Bepreisung und veganem Essen nicht getan sein könnte. Grundsätzliche Ablehnung des Kapitalismus oder gar Hoffnungen auf eine Revolution zirkulieren unter Klimaaktivist:innen in unterschiedlichen Ausmaß. Rakete glaubt hingegen an einen geordneten Weg: „Ich setze auf Wandel. In allen Umfragen steht das Klimathema auf Platz eins. Wir werden also schon in wenigen Wochen bei der Wahl sehen, ob überhaupt noch jemand gewählt wird, der sich nicht auf ein konkretes Klimaprogramm festlegt. Schon die kommende Legislatur ist entscheidend, denn in zehn Jahren haben wir alle Kipp-Punkte bereits überschritten und der Drops wird gelutscht sein.“

Über Kreuzberg zieht ein Sturm auf, der sich aber schließlich als leichter Regen entpuppt. Jim Rakete entsperrt seinen Drahtesel. Bevor er sich auf den Weg nach Grunewald macht, sagt er noch: „Ich halte mich derweil so fit wie möglich, denn ich will unbedingt wissen, wie das alles ausgeht.“


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Jim Raketes Doku „Now“ startet am 26. August in den Kinos – unsere Filme der Woche hier. Immer neue Texte über Filme findet ihr hier. Was kann man selbst tun? Ein kleiner Guide für nachhaltiges Leben.

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