Filmkritik

„Joker: Folie à Deux“: Fortsetzungsdilemma

Ein neuer „Joker“ startet in den Kinos: Mit „Joker: Folie à Deux“ setzt Todd Philipps seine Gotham-Saga fort. Arthur Fleck fristet seine Zeit im Arkham Asylum, wo er angestachelt wird, seine Rolle bis zum Exzess erneut auszufüllen. Das Ergebnis ist ein überlanger, zäher Anti-Joker-Joker-Film, den auch die Musicalnummern nicht mitreißender machen, findet tipBerlin-Kritiker Michael Meyns.

„Joker: Folie à Deux“: Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) ist erneut in der Titelrolle zu sehen. Foto: Scott Garfield/™ & © DC Comics, © 2024 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. TM & © DC

Der Anti-Held im Mittelpunkt

Sobald ein Buch veröffentlicht ist, ein Film im Kino startet, verliert der Autor die Kontrolle über sein Werk, lässt sich die Rezeption nicht mehr kontrollieren, steht es dem Publikum frei, in einem Werk zu sehen, was es sehen will. Gerade wenn wie beim 2019 mit spektakulärem Erfolg gestarteten „Joker“ ein Anti-Held im Mittelpunkt steht, kann das interessante, aber nicht unproblematische Folgen haben.

So geschah es mit Todd Phillips ambitionierter Version einer der schillerndsten Figuren der Comic-Welt: dem Joker, dem großen Gegenspieler von Batman, der in der brillanten, mit dem Oscar prämierten Darstellung von Joaquin Phoenix zu einer von der Welt und seiner Herkunft gequälten, zwar ambivalenten, aber doch mitreißenden Figur wurde. Die von manchen jedoch als Incel gelesen wurde, also als involuntary celibate, als unfreiwillig zölibatär lebender Einzelgänger, dem vorenthalten wird, was ihm angeblich zusteht. Als Zivilist Arthur Fleck hatte diese Figur keinerlei Macht, aber in der bunten Clownsmaske des Jokers erwachte plötzlich ein selbstbewusster Geist in ihm – dessen Wut auf die Gesellschaft sich allerdings in einer blutigen Mordserie manifestierte.

So mitreißend inszeniert war der Exzess und das Chaos, das der Joker in Gotham City auslöste, dass man fast fürchten musste, dass „Joker“ einer jener Filme werden würde, den manche Menschen, manche Männer, viel zu ernst nehmen und zum Vorbild nehmen.

So weit kam es dann zum Glück nicht, aber der Erfolg des Films, der nicht nur mit dem Goldenen Löwen der Filmfestspiele in Venedig und zwei Oscars ausgezeichnet wurde, sondern an den Kinokassen über eine Milliarde Dollar umsetzte, scheint Autor und Regisseur Todd Phillips doch zu denken gegeben haben. Man mag hier 50 Jahre zurückdenken, an die 70er-Jahre, als Francis Ford Coppola realisierte, dass viele Zuschauer im ersten „Pate“-Film eine Verklärung der Mafia gesehen hatten. Um dieses Bild gerade zu rücken, wurde die Fortsetzung besonders düster und fast schon nihilistisch gestaltet, um den nicht intendierten Eindruck des Originals zu konterkarieren.

„Joker: Folie à Deux“: Kein Charisma und keine Spannung

Was Phillips nun in der Fortsetzung mit dem hübschen Untertitel „Folie à Deux“ versucht, ließe sich als Exorzismus beschreiben, als Versuch, die unerwünschten Geister des ersten Teils zu vertreiben. Dumm nur, dass dabei jedoch nicht nur das Charisma der Figur verloren ging, sondern auch die Spannung.

Die Handlung setzt kurz nach dem ersten Teil ein, Arthur Fleck ist in Gothams Gefängnis Arkham Asylum interniert und wartet auf seinen Prozess. In dem will seine Anwältin Maryanne Steart (Catherine Keener) auf unzurechnungsfähig plädieren, denn Arthur habe sich durch fortwährenden Missbrauch in einem schizophrenen Zustand befunden und sei somit nicht verantwortlich für die Taten seiner anderen Hälfte, des Jokers.

„Joker: Folie à Deux“: Als Erkenntnis etwas dünn

Arthurs Mitinsassin Lee Quinn (Lady Gaga) dagegen stachelt Arthur an, die Rolle des Jokers anzunehmen und bis zum erneuten Exzess auszufüllen. Eine intensive, aber größtenteils imaginierte Liebe beginnt, die sich in den viel kolportierten Musical-Nummern manifestiert, die bisweilen als gelungene Zitate funktionieren, meist jedoch den ohnehin nicht unbedingt mitreißenden Fluss der Handlung unterbrechen.

Das Ergebnis ist eine Art Anti-Joker-Joker-Film, ein Versuch der Dekonstruktion, der Medienkritik, die jedoch allzu oberflächlich und schematisch bleibt. Ja, die Welt ist eine Bühne, die seit Jahren von schlechten Schauspielern wie Donald Trump bespielt wird. Das als Erkenntnis eines überlangen, zähen Films wirkt am Ende aber doch etwas dünn.

  • Joker: Folie à Deux USA 2024, 138 Min., R: Todd Philips, D: Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Catherine Keener, Brendan Gleeson, Start: 3.10.

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