Porträt

Kultregisseur Jordan Peele ist Hollywoods begehrtester Filmemacher

Seit der großartigen Satire „Get Out“ ist Jordan Peele einer der begehrtesten Filmemacher in Hollywood. Mit „Nope“ hat er nun einen Sommer-Blockbuster gemacht, der alle Grenzen des Gewohnten strapaziert – und zwar im beste Sinne. tipBerlin-Autor Frank Arnold hat Jordan Peele porträtiert.

Jordan Peele (rechts) mit „Nope“-Hauptdarsteller Daniel Kaluuya. Foto: Universal

Jordan Peeles neuer Film „Nope“ belebt ein Genre neu

Keep watching the skies! Die Warnung, die in den amerikanischen Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre immer wieder zu hören ist, wird von Regisseur Jordan Peele mit „Nope“ neu belebt. Gleich zu Beginn sorgt ein Stück Metall, das vom Himmel fällt, für einen Todesfall. Dafür könnte es eine rationale Erklärung geben – aber so einfach ist es natürlich nicht.

Für O.J. Haywood bedeutet der Tod seines Vaters, dass fortan er sich um das Familiengeschäft kümmern muss. Die Haywoods sind Horse Wrangler, sie stellen ihre von ihnen speziell trainierten Pferde für Kinofilme zur Verfügung. Während O.J. ein in sich ruhender, selbstgenügsamer Mensch ist, ist seine Schwester Emerald (Em gerufen), die unverhofft auftaucht, das genaue Gegenteil: übersprudelnd, nie zur Ruhe kommend und geradezu süchtig nach Aufmerksamkeit und Social Media.

Keke Palmer spielt die Hauptrolle der Em in „Nope“ von Jordan Peele. Foto: Universal

Man hat vollstes Verständnis dafür, dass O.J. sie bei geschäftlichen Verhandlungen lieber nicht dabei haben will – schon peinlich, wie sie sich auf einem Filmset selber anpreist. Andererseits öffnet ihre Neugier auch manchmal Türen, so bei O.J.’s Geschäftspartner Ricky Park. Der einstige Kinderstar betreibt jetzt eine Western-Stadt und zehrt von seiner Vergangenheit. Bereitwillig öffnet er den Geschwistern einen geheimen Raum hinter seinem Büro, gefüllt mit Memorabilia, stolz erzählt er den Geschwistern, ein Ehepaar aus Österreich hätte gerade 25.000 Dollar gezahlt, um darin eine Nacht zu verbringen.

Der Blick zum Himmel

Beinahe könnte man über die Anteilnahme an diesen Figuren den bizarren Todesfall vom Anfang vergessen, wäre da nicht der wiederholte Blick gen Himmel, der etwas Seltsames preisgibt: eine Wolke, die sich nicht bewegt. Mithilfe von Angel, Mitarbeiter eines Elektofachgeschäftes und Alien-besessen, werden die Überwachungskameras auf Vordermann gebracht, schon träumt auch O.J. von Reichtum und Ruhm – ermöglicht durch eine Aufnahme der Aliens (die sie hinter der Wolke vermuten) – auch auf Zelluloid, wofür sie einen pensionierten Kameramann engagieren.

Lange lässt der Film in der Schwebe, was da oben am Himmel vor sich geht – könnte es nicht doch eine geheime Regierungsoperation sein? Erst als Ricky seine Wild-West-Show eröffnet, kippt der Film. Bevor das versprochene Spektakel richtig begonnen hat, übernimmt jemand anderes die Regie. Der Blick der Anwesenden wendet sich staunend-ängstlich gen Himmel. Kurz darauf sind alle nicht mehr dieselben.

Rassismus auf den Punkt gebracht: So wurde Jordan Peele in Hollywood erfolgreich

„Nope“ hat selbst etwas von einem Spektakel, gedreht mit IMAX-Kameras und von Christopher Nolans Kameramann Hoyte van Hoytema in eindrucksvollen Landschaftsbildern festgehalten, taugt der Film als Sommer-Blockbuster (mit einem soliden Einspielergebnis von 44 Millionen Dollar am Startwochenende in den USA), ist aber zugleich auch eine Reflexion über Spektakel, über die vergessene Geschichte der Medien und deren Arbeiter, die im Nachspann am Ende firmieren und deren Namen vergessen sind – wie Bertolt Brecht fragte: „Wer baute das siebentorige Theben?“

So stellen sich die Haywood-Geschwister als Nachfahren jenes schwarzen Jockeys heraus, der das Pferd ritt, das 1887 in den Bewegungsstudien von Eadweard Muybridge zu sehen war – ein Vorläufer des Films. Der Name des Pferdes ist bekannt, auch der seines Besitzers, nicht aber der des Reiters. Ricky dagegen hat sein Trauma zu Geld gemacht, seine Karriere in einer Familien-Sitcom wurde jäh beendet, als der Star der Serie, der Schimpanse Gordy, vor der Kamera eines Tages zur wilden Bestie mutierte – was dem Film einen seiner beklemmendsten Momente beschert.

Jordan Peele erhielt für „Get Out“ den Drehbuch-Oscar

„Nope“ ist der dritte Kinofilm, bei dem Jordan Peele Regie führt. Vor seinem Debüt „Get Out“ 2017 hatte er bereits eine zehnjährige TV-Karriere als Schauspieler und Comedian, unter anderem mit der Serie „Key and Peele“, hinter sich. „Get Out“, der ihm einen Drehbuch-Oscar einbrachte, verknüpfte Ängste mit Rassismus-Erfahrung, wenn der Protagonist (wie in „Nope“: Daniel Kaluuya) beim Besuch der Eltern seiner weißen Freundin zunächst Anzeichen von verstecktem Rassismus wahrnimmt, der dann am Ende ziemlich handgreiflich wird und sich als Teil eines ausgeklügelten bösartigen Systems herausstellt; zwei Jahre später sah sich in „Wir“ eine vierköpfige schwarze Familie mit ihren mörderischen Doppelgängern konfrontiert. Auch hier weitete sich die anfangs intime Familiengeschichte später zu einem größeren Ganzen. Beides waren Horrorfilme, die die Erwartungen des Publikums nach Thrills einlösten, aber zugleich auch Unerwartetes beinhalteten

Brachte „Get Out“ Rassismus sehr gradlinig auf den Punkt, öffnete sich Peele danach für erweiterte Horizonte und divergierende Elemente, „Wir“ mit einer Alternativgeschichte der USA, „Nope“ mit Exkursen in die Filmgeschichte, mit Reflexionen über die Schaulust, mit dem Zusammenführen von ikonografischen Elementen aus Western, Science Fiction und Horror.

Peeles Verdienst besteht nicht nur darin, schwarze Identifikationsfiguren auf die Leinwand zu bringen, sondern auch die Möglichkeiten des Erzählens zwischen Genrekino und Arthouse zu erweitern. Dazu gehört auch die gemeinsam mit dem Produzenten Ian Cooper betriebene Produktionsfirma Monkeypaw. Für deren Schwarze Neuinterpretation von „Candyman“ hat er am Drehbuch mitgearbeitet, Monkeypaw war auch beteiligt an Spike Lees „BlacKkKlansman“ und an der HBO-Fernsehserie „Lovecraft Country“ – allesamt Beispiele für Schwarzes Empowerment.  

USA 2022; 130 Min.; R: Jordan Peele; D: Daniel Kaluuya, Keke Palmer, Steven Yeun, Brandon Perea; KInostart: 11.8.

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