M. Night Shyamalan ist seit „The 6th Sense“ der Experte für Übersinnliches im Kino. In seinem neuen Thriller „Knock at the Cabin“ stellt er eine Kleinfamilie vor ein extremes Dilemma: sie kann die Welt vor dem Untergang bewahren, wenn sie einen der zwei Väter oder die Tochter opfern. Das behaupten jedenfalls vier Fremde, die an die Hütte geklopft haben. tipBerlin-Kritiker Frank Arnold stellt „Knock at the Cabin“ vor.
“Knock at the Cabin“: Weltuntergangsvisionen und überraschende Wendungen
Was würdet ihr tun, wenn eines Tages Fremde an eurer Tür auftauchen und sagen, die Welt würde in Kürze untergehen, nur ihr allein könntet sie retten – um einen hohen Preis: einer aus eurer Familie muss dafür sterben. Ihr würdet ihnen vermutlich die Tür vor der Nase zuknallen und sie für verrückt erklären, hätten sie sich nicht schon Zugang zur Wohnung verschafft und euch und die restlichen Familienmitglieder an Stühle gefesselt. Dass die Fremden mit schweren, selbstgebastelten Waffen daherkommen, war ja schon einschüchternd genug, jetzt erzählen sie euch, dass sie sich bis vor Kurzen gar nicht kannten, aber dieselben Visionen gehabt hätten, Visionen vom Untergang der Welt.
Wer Filme von M. Night Shyamalan kennt, weiß, dass sie für überraschende Wendungen gut sind. Manchmal gibt es am Ende eine rationale Erklärung für das Mysterium, das die Handlung zuvor in Gang gesetzt hatte – so in seinem vorangegangenen Film „Old“ oder in dem frühen „The Village – Das Dorf“. Manchmal aber bleibt vieles offen.
„Knock at the Cabin“ basiert auf einem Roman, dem 2018 erschienenen „The Cabin at the End of the World“ von Paul Tremblay (deutsch im selben Jahr als „Das Haus am Ende der Welt“). Das erste Drittel des Films ist praktisch eine 1:1-Umsetzung der Vorlage. Doch dann kommt alles ganz anders.
„… aber dann wurde Trump zum Präsidenten gewählt, und ich bekam Depressionen“
„Ich bekam das Drehbuch auf meinen Schreibtisch mit der Anfrage, ob ich den Film produzieren wollte, den Roman kannte ich nicht“, so Shyamalan, als er den Film vor zwei Wochen in München der Presse präsentierte. „Der Ausgangspunkt war eine Familie, die eine Entscheidung treffen muss. Ich sagte, man kann daraus keinen Film machen, wenn die Familie keine Entscheidung trifft. Der Ausgangspunkt ist so eindringlich, die Frage muss einfach beantwortet werden, egal, wie die Antwort ausfällt. Diesen Film kann ich nicht machen. Später kamen die Leute, die die Buchrechte hatten, zurück zu mir und sagten: Sie haben hundertprozentig recht – wollen Sie den Film machen? Ich schrieb das Drehbuch, rief den Autor der Vorlage an und erklärte ihm, wie ich die Geschichte entwickelt hatte. Das ist genau das, was ich vorhatte!, rief er aus, aber dann wurde Trump zum Präsidenten gewählt, und ich bekam Depressionen.“
Im Film fällt die Entscheidung erst ganz am Schluss, bis dahin wird die Weigerung, die Dringlichkeit des Anliegens der Fremden anzuerkennen, schwerwiegende Konsequenzen haben.
Dass die Familie im Film nicht die traditionelle Kleinfamilie ist, sondern – wie in der Buchvorlage – aus zwei Männern und deren achtjähriger Adoptivtochter besteht, bringt eine zusätzliche Dimension ins Spiel, auch wenn Shyamalan auf meine Frage antwortet: „Das war für mich nicht entscheidend. Es steht nicht im Mittelpunkt der Geschichte. Ich fand diese Liebesgeschichte sehr bewegend und wollte zeigen (was im Buch nicht der Fall ist), wie stark diese Liebe zwischen ihnen ist.“ Dazu dienen auch mehrere Rückblenden, die das Misstrauen der beiden Männer erklären: die Ablehnung ihrer Beziehung durch die Eltern des Einen, eine homophobe Attacke in einer Bar.
Jedenfalls gelingt es dem Film, die Spannung bis zum Ende zu halten – ein schmerzhaftes Ende und wie das, was man vorher zu sehen bekommt, nicht so leicht verdaulich. „Die Zuschauer aus ihrer Komfortzone herauszuholen“, wie Shyamalan es in unserem Gespräch ausdrückte, ist ihm ein weiteres Mal gelungen.
USA 2023; 100 Min.; R: M. Night Shyamalan; D: Dave Bautista, Jonathan Groff, Kristen Cui; Kinostart: 9.2.
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