Geburtstag

Regisseurin des Neuen Deutschen Films: Margarethe von Trotta wird 80

Margarethe von Trotta setzte zuerst als Schauspielerin Akzente. 1975 debütierte sie mit „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ auch hinter der Kamera. Fortan arbeitete sie vorrangig als Regisseurin – und setzte dabei wichtige filmische Impulse, die tief in den gesellschaftlichen Diskurs reichten und ein neues Kino propagierten. Von Trotta prägte, wie kaum eine andere Frau ihrer Generation, nachhaltig die Entwicklung des Neuen Deutschen Films – neben den vorrangig männlichen Kollegen wie Werner Herzog, Wim Wenders und ihrem Ehemann Volker Schlöndorff. Jetzt feiert die gebürtige Berlinerin ihren 80. Geburtstag und der RBB sendet einen Dokumentarfilm zu ihrem Leben und Werk. Eine Würdigung.

Die Regisseurin Margarethe von Trotta, um 1980. Foto: Imago/Leemage
Die Regisseurin Margarethe von Trotta, um 1980. Foto: Imago/Leemage

Margarethe von Trotta: Erst Kunst, dann Germanistik – und endlich Schauspiel

Margarethe von Trotta wurde im finsteren Kriegsjahr 1942 geboren, in Berlin. Doch mit der Stadt verband sie nicht viel. Sie wuchs in Düsseldorf auf, machte dort eine Ausbildung, ging nach Paris, kehrte nach Düsseldorf zurück und holte das Abitur nach, denn sie wollte studieren. Keine Selbstverständlichkeit für junge Frauen in den frühen 1960er-Jahren. Sie begann ein Kunststudium in Düsseldorf, brach es ab, schrieb sich in München für Germanistik ein, doch aus das sagte ihr nicht zu. Letztlich ging sie an die Schauspielschule. Dort fand sie ihren Weg.

Nach den ersten Rollen am Theater Mitte der 60er und nach Engagements in Stuttgart und Frankfurt am Main, erschien sie 1967 erstmals auf der Leinwand. Selbstbewusst, schön, aber niemals niedlich, verkörperte sie unter Eindruck der 68er-Bewegung das Bild einer modernen Frau, die sich den althergebrachten geschlechtlichen Zuschreibungen und gesellschaftlichen Erwartungen entzog.

In Heinz Gerhard Schiers Melodram „Tränen trocknet der Wind…“, ihrem Filmerstling von 1967, spielte von Trotta eine Stripteasetänzerin, deren Leben wegen einer Liebschaft mit einem Gangster aus der Bahn gerät. Das Verhältnis von Staat und Bürger und zwischen den Geschlechtern wird dort bereits ausgelotet. Themen, die sie ihre gesamte Karriere beschäftigen werden.

Trotta bewegt sich im Umfeld der jungen und wilden deutschen Filmemacher. Klaus Lemke, Volker Schlöndorff, den sie 1971 heiraten wird und vor allem dem Enfant terrible des deutschen Films, Rainer Werner Fassbinder. Sie wird zu einer gefragten Schauspielerin, allein 1969 ist sie an vier Filmproduktionen beteiligt, 1970 sind es fünf. Mit Fassbinder dreht sie mehrmals, darunter in „Götter der Pest“, „Warnung vor einer heiligen Nutte“ und „Der amerikanische Soldat“.

Margarethe von Trotta am Set von "Das Versprechen" (1994). Foto: Imago/MSD Prom/Everett Collection
Margarethe von Trotta am Set von „Das Versprechen“ (1994). Foto: Imago/MSD Prom/Everett Collection

So überzeugend ihre schauspielerische Leistung war, von den jungen und immer bedeutender werdenden Regisseuren erkannt und von der Kritik gelobt, so haderte von Trotta schon früh mit dem Beruf. Sie wollte lieber nicht vor, sondern hinter der Kamera agieren. Schon in Schlöndorffs „Die Moral der Ruth Halbfass“, in dem sie 1972 neben Senta Berger und Helmut Griem die Hauptrolle spielte, übernahm sie die Co-Regie. 1976 folgten noch zwei Produktionen, darunter eine kleinere Rolle in „Bierkampf“, einem Fernsehfilm von und mit dem kürzlich verstorbenen Herbert Achternbusch, dann wechselte sie endgültig die Perspektive.

Immer wieder wurde Margarethe von Trotta in die „Frauenfilm“-Ecke gestellt

Sich als Regisseurin in der Männerdomäne Film zu behaupten, bedurfte Kraft, Durchsetzungsvermögen und einer feministischen Selbstbehauptung. Allesamt Qualitäten, über die die engagierte und politisch denkende von Trotta verfügte. Und doch war eine Filmemacherin auch nach den bewegten Jahren der APO, Studentenproteste und der RAF für das Establishment nicht unproblematisch. Immer wieder wurde von Trotta in die „Frauenfilm“-Ecke gestellt.

In ihrem Filmen erzählte von Trotta von Frauenfiguren. „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ drehte sie 1975 noch gemeinsam mit Schlöndorff. Werke wie „Schwestern oder Die Balance des Glücks“ (1979) und vor allem „Die bleierne Zeit“ (1981) widersprachen damaligen Reflexen, Filme mit weiblichen Hauptrollen als „Frauenfilme“ abzutun. „Die bleierne Zeit“ etwa war inspiriert von der Biografie der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, und erzählt von der Politisierung und Radikalisierung der Schwestern Juliane und Marianne.

Wie die männlichen Stars des Neuen Deutschen Films, stellte auch sie Gesellschafts- und politische Kritik in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Das ging Männer wie Frauen an. Margarethe von Trotta eckte an, sie war unbequem und scheute sich nicht, politisch Stellung zu beziehen. Indem sie etwa politische Gefangene in Gefängnissen besuchte oder sich klar gegen Isolationshaft aussprach. Ein Engagement, dass sie in den Verruf brachte, RAF-Sympathisantin zu sein.

2018 drehte ihr Sohn aus erster Ehe, der promovierte Historiker und Filmemacher Felix Moeller, den aufschlussreichen Dokumentarfilm „Sympathisanten – Unser Deutscher Herbst“, über die Haltung linker Intellektueller und Künstler in der Bundesrepublik Deutschland zum bewaffneten Kampf linksradikaler Terroristen. Auch darin wird die Komplexität von Trottas Verhältnis zur RAF, das sich aus der Erfahrung der Nazizeit, einem universellen Gefühl der Ungerechtigkeit, diffusen Hoffnungen und herben Enttäuschungen speiste.

Regisseurin Margarethe von Trotta und Regisseurin Ina Weisse bei der Berlinale 2020. Foto: Imago/Seeliger
Regisseurin Margarethe von Trotta und Regisseurin Ina Weisse bei der Berlinale 2020. Foto: Imago/Seeliger

Dokumentarfilm über die Grande Dame des deutschen Autorenfilms

Ihren Kritischen Blick bewahrte sich Margarethe von Trotta, begann sich jedoch in den 1980er- und 1990er-Jahren auch anderen Stoffen zu widmen. Etwa dem historischen Porträt der Sozialrevolutionärin „Rosa Luxemburg“ (1986) oder die Ost/West-Geschichte „Das Versprechen“ (1994). 2003 drehte sie das historische Drama „Rosenstraße“, in dem sie sich mit einer Protestbewegung im Dritten Reich beschäftigte, die sich gegen das Verbot von so genannten „Mischehen“ (Ehen von vermeintlichen „Ariern“ und Juden) richtete. Und noch im hohen Alter folgten engagierte Autorenfilme, etwa das Porträt von „Hannah Arendt“ (2012) und zuletzt, 2018, „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“.

Ungewöhnlich für Margarethe von Trottas Werk fiel dabei ihre Komödie aus dem Jahr 2017 aus. In „Forget About Nick“, mit Katja Riemann in der Hauptrolle, versuchte sie sich an einer „sophisticated Comedy“ im Geiste Woody Allens und bewies, dass sie nicht nur engagiertes und politisches Drama beherrscht, sondern auch die fein nuancierte Kunst der Komödie, auch wenn der ungewöhnliche Wendepunkt ihrer Karriere nicht nur auf Gefallen stieß.

Heute, mit 80 Jahren, gilt die mit Würdigungen, Ehrentiteln und Filmpreisen vielfach ausgezeichnete Margarethe von Trotta zurecht als die Grande Dame des deutschen Autorenfilms. Auch wenn sie sich nicht in die „Frauenfilm“-Ecke drängen ließ, ebnete sie als emanzipierte Pionierin auf dem Regiestuhl den Weg für viele Kolleginnen aus den nachfolgenden Generationen.

  • Der RBB würdigt Margarethe von Trotta pünktlich zum runden Geburtstag am 21. Februar 2022 mit einem extra zum runden Geburtstag produzierten Dokumentarfilm „Margarethe von Trotta – Zeit der Frauen“, der ab dem 23. Februar 2022 in der Mediathek zu finden ist. Offizieller Sendetermin im linearen Fernsehen ist der 2. März 2022 um 23 Uhr.

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