Über „Megalopolis“ von Francis Ford Coppola lässt sich leider sagen: Was zu lange währt, wird selten gut. 40 Jahre lang hat der legendäre Regisseur an seinem selbst finanzierten Monumentalfilm gearbeitet – und es ist bedauerlich, dass sich das Ergebnis nicht sehen lassen kann. tipBerlin-Kritikerin Paula Schöber ist enttäuscht.
„Megalopolis“ ist entgegen aller Erwartungen fertig geworden – nur leider nicht gut
Es ist ein verbreitetes Phänomen unter großen Regisseuren: der Traum von dem einen visionären und einzigartigen, unübertrefflichen Film, an dem sie sich über Jahrzehnte hinweg die Zähne ausbeißen und der dann doch nie realisiert wird. Stanley Kubricks Monumental-Biografie „Napoelon“ und Alejandro Jodorowskys Science Fiction-Epos „Dune“ sind solche verendeten Kolosse.
Lange prophezeite man auch dem New Hollywood-Altmeister Francis Ford Coppola und seinem Herzensprojekt „Megalopolis“ ein solches Schicksal. 40 Jahre lang hat der große Regisseur an der antiimperialistischen Science-Fiction-Fabel gearbeitet. Er verkaufte Teile seines lukrativen Weinguts, um das Mega-Projekt von 120 Millionen Dollar selbst zu finanzieren, da keine Firma Geld in dieses Film-Monstrum stecken wollte.
Entgegen aller Erwartungen ist „Megalopolis“ aber doch fertig geworden, und nach einer extrem ambivalent aufgenommen Weltpremiere in Cannes startet Coppolas Herzensprojekt nun in Deutschland und auch in den USA, wo die Verleiher eine Weile zögerten. Man kann diese Bedenken nachvollziehen. Denn „Megalopolis“ ist ein Projekt, das an den enormen Ambitionen, dem 40 Jahre lang gegorenen Perfektionismus seines Schöpfers gescheitert ist.
Einer der besten Regisseure überhaupt erzählt vom Untergang eines Imperiums
Coppola, der sich seinen Rang als einer der besten Regisseure überhaupt schon in den 1970er-Jahren mit Filmen wie „Der Pate“ oder „Apocalypse Now“ gesichert hat, erzählt in „Megalopolis“ von nichts weniger als dem Untergang eines Imperiums.
Wir befinden uns in der Mega-City New York, die hier aber ganz pathetisch New Rome heißt, irgendwann in der Zukunft. Die Stadt ist krisengebeutelt, über den Wiederaufbau streiten sich der konservative und realpolitische Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) und der jüngere idealistische Architekt und Stadtplaner Cesar Catilina (Adam Driver). Während der eine, korrupt, aber lösungsorientiert, die Stadt wieder so aufbauen will, wie sie vorher war, träumt der andere von einer gänzlich neuen, utopischen Stadt, die aus dem ominösen Material Megalon bestehen soll. Zwischen den beiden steht Julia (Nathalie Emmanuel), die Tochter von Cicero, die sich in den Idealisten Catilina verliebt und irgendwie zwischen den beiden machtbesessenen Männern zu vermitteln versucht.
Neben dem Hauptplot, der offensichtlich auf die Catilinarische Verschwörung im alten Rom zu Zeiten Ciceros verweisen soll, macht Coppola zahlreiche inkonsequente Nebenhandlungsstränge auf und lässt alle Figuren in hohlen, pathetisch aufgeladenen Phrasen sprechen. Die Reichen und Schönen (der Rest der Gesellschaft kommt in „Megalopolis“ kaum vor) tragen Toga und Sandalen, rezitieren Marc Aurel und schauen sich dekadente Wagenrennen im Madison Square Garden an.
„Megalopolis“ ist ein einziges langweiliges Chaos, das nicht einmal visuell Spaß macht
Ansonsten ist „Megalopolis“ ein einziges langweiliges Chaos, das nicht einmal visuell Spaß macht. Die übermäßig eingesetzten Visual Effects nämlich sind noch schlechter als der unzusammenhängende Plot des Films; sie sehen aus, als wären sie von einer kostenlosen KI-Software generiert worden.
Man muss Coppola zwar Respekt dafür zollen, dass er es, anders als viele andere Kollegen, geschafft hat, seinen Lebenstraum mit „Megalopolis“ doch noch zu verwirklichen und ihn nicht auf dem Friedhof der visionären Großprojekte zu begraben. Umso bedauerlicher ist es aber, dass der Film genau dort besser aufgehoben wäre.
- Megalopolis USA 2024; 138 Min.; R: Francis Ford Coppola; D: Adam Driver, Nathalie Emmanuel, Giancarlo Esposito, Aubrey Plaza; Kinostart: 26.9.
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