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„Mond“: Florentina Holzinger schaut in Amman in den Abgrund

Florentina Holzinger spielt die Hauptrolle im Film „Mond“ von Kurdwin Ayub: als Kampfsportlerin, die von einem reichen Araber angeheuert wird, um dessen Schwestern zu trainieren. Der Job bedeutet für sie vor allem den Blick in den patriarchalen Abgrund. tipBerlin-Kritikerin Pamela Jahn hat den Film gesehen.

Florentina Holzinger in „Mond“: Die gefeierte Choreographin spielt im Film eine Mixed-Martial-Arts-Kämpferin. Foto: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion

Auf „Sonne“ folgt „Mond“. In ihrem Debüt vor zwei Jahren erzählte die kurdisch-österreichische Regisseurin Kurdwin Ayub eine Migrationsgeschichte in Wien im TikTok-Stil. Im Mittelpunkt ihres zweiten Dramas steht Sarah, eine Kampfsportlerin, die sich von einem reichen Araber anwerben lässt, seine drei Schwestern in Jordanien zu trainieren. Doch bald nach ihrer Ankunft auf dem luxuriösen Anwesen stellt sich heraus, dass die jungen Frauen ihre ganz eigene Vorstellung davon haben, was Sarahs Rolle in dem seltsamen Setting ist.

„Mond“ von Kurdwin Ayub: Florentina Holzinger behauptet sich zwischen den Welten

Die gefeierte Choreographin Florentina Holzinger in der Hauptrolle versteht es, sich zwischen den Welten zu behaupten. Seit ihrem letzten Kampf im Ring, bei dem sie eine vernichtende Niederlage einstecken musste, leidet sie unter Depressionen. Ihr neuer Job in Amman ist der erste Lichtblick seit langem – bis sie immer tiefer in die patriarchalischen Sphären der superreichen Familie eindringt.

Florentina Holzinger (r.) und die drei Schwestern, für die sie nun arbeitet. Foto: Grandfilm/Ulrich Seidl Filmproduktion

Die drei Schwestern sind aber nicht besonders motiviert, die hohe Kunst der Mixed Martial Arts zu erlernen. Nour, Shaima und Fatima wollen vor allem, dass Sarah ihnen ihr Telefon leiht. Denn sie selbst dürfen das Haus nur in Begleitung von Leibwächtern verlassen; auch ein privater Internetzugang ist ihnen versperrt. Als Sarah beginnt, Fragen zu stellen, verdichten sich die Anzeichen, dass in der arabischen Welt, in die sie blauäugig hineingestolpert ist, nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Fesselnde Hauptdarstellerin, thrillerartige Plot-Eskalation

Wie ihre Protagonistin allmählich den Abgründen und Wahrheiten auf die Spur kommt, die sich hinter den Mauern der schicken Villa verbergen, schildert Ayub auf eindringliche Weise. Die erzählerische Stärke der Regisseurin, die parallel gerade ihr erstes Theaterstück „Weiße Witwe“ an der Berliner Volksbühne präsentiert, liegt in der Darstellung der engen Beziehung zwischen den Schwestern untereinander, und ihr ambivalentes Verhältnis zu Sarah. Gleichzeitig spielt Ayub gekonnt mit Machtstrukturen und Identitätsfragen, indem sie zeigt, wie die Mädchen versuchen, mithilfe ihrer neuen Verbündeten dem elterlichen Gefängnis und der Unterdrückung durch ihre Brüder zu entkommen.

Zwar mangelt es der kuriosen Handlung bisweilen an dramatischer Dichte und Glaubwürdigkeit. Aber Holzinger sorgt dafür, dass man Sarah ihre Naivität abnimmt. Auch wenn Ayubs Geschichten noch nicht ganz ausgereift sind, entwickeln sie dennoch einen spannenden Sog. In „Mond“ ist es die gelungene Kombination aus einer fesselnden Hauptdarstellerin und der thrillerartigen Eskalation des Plots, die einen packt und durch den Film trägt.

  • Mond Ö 2024; 94 Min.; R: Kurdwin Ayub; D: Florentina Holzinger, Andria Tayeh, Nagham Abu Baker; Kinostart: 27.3

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