• Kino & Stream
  • Filme
  • Nicolas Cage mal drei: Die Komödie „Massive Talent“ von Tom Gormican

Filmkritik

Nicolas Cage mal drei: Die Komödie „Massive Talent“ von Tom Gormican

Der Schauspieler Nicolas Cage hat viele Fans, und alle sehen in ihm vermutlich etwas anderes. Tom Gormican hat alle diese Images jetzt in einer köstlichen Komödie zusammengeführt. „Massive Talent“ macht sich über Nicolas Cage so gekonnt lustig, dass der Star am Ende wie ein Superstar wirkt. tipBerlin-Filmkritiker über einen der Komödienhits des Jahres

Nicolas Cage in „Massive Talent“ von Tom Gormican. Foto: Leonine

Wild im Herzen: Nicolas Cage hält in „Massive Talent“ einen sehr komischen Karriererückblick

Wenn man einen Filmstar für eine mickrige Million als Privatclown für seine Geburtstagsparty buchen kann, dann ist mit der Karriere vermutlich schon etwas nicht mehr ganz in Ordnung. Und das ist auch exakt der Fall bei Nick Cage, einem leicht derangierten Idol mit überdeutlichen Parallelen zu dem echten Star Nicolas Cage. Nick (also streng genommen: die fiktive Rolle, die Nicolas Cage hier spielt) hat gute Gründe, die Million nicht auszuschlagen. Er hat hohe Schulden bei dem Hotel, in dem er logiert. Er sieht sich zwar immer wieder einmal kurz vor der „Rolle seines Lebens“, es kommt dann aber doch immer wieder etwas dazwischen, in erster Linie er selbst, denn Nick ist ein schwieriger Star.

Er macht sich also auf den Weg nach Mallorca, wo ein Olivenöl-Magnat namens Javi sich einen Traum erfüllen möchte. Er hat nämlich mehr vor, als nur eine Party mit einem extravaganten Gast zu feiern. Er will mit Nick Cage einen Film drehen. Und er lässt sich dabei inspirieren von all den Filmen, die Nicolas Cage schon gedreht hat. Das sind immerhin 109 Titel, wenn man der Internet Movie Data Base folgt. Und wenn man auf der Straße eine wildfremde Person fragen würde, ob sie einen Film mit Nicolas Cage kennt, wären die Chancen gar nicht so schlecht, dass man eine positive Antwort bekommt. „Wild at Heart“ zum Beispiel, oder „Leaving Las Vegas“ oder „ConAir“ oder „Mondsüchtig“ oder „Nur noch 60 Sekunden“ oder „Das Vermächtnis der Tempelritter“.

Man könnte sagen: Nicolas Cage ist allgegenwärtig, er ist unverwechselbar, aber er hat so viel gemacht, dass man gar nicht mehr so recht weiß, wer er eigentlich ist. Von dieser Beobachtung geht Tom Gormican bei seinem Film „Massive Talent“ aus. Er zieht Nicolas/Nick einmal so richtig durch den Kakao. Zahlreiche Anspielungen auf frühere Rollen sorgen für einen Spaß, den Fans natürlich umso mehr genießen können, der aber auch ganz einfach einen sehr lustigen Kommentar zur amerikanischen Filmgeschichte ergibt.

Man hatte sich das nie so genau überlegt, aber plötzlich sieht es so aus, als wären nicht Tom Cruise oder Harrison Ford die prägenden Stars der Epoche gewesen, sondern der immer ein bisschen für zweitklassig gehaltene Nicolas Cage. Schon der Titel ist ja mehr als sarkastisch: Für ein „massives Talent“ jedenfalls als Schauspieler hatte man ihn ja eher nicht gehalten bisher, eher für einen, der seine charakteristische Visage hinhält, auf Kommando durch Kugelhagel sprintet, und ab und zu romantisch schmachtet.

„Massive Talent“ von Tom Gormican. Foto: Leonine

Schon allein, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ausgerechnet über ihn einen Film wie „Massive Talent“ zu machen, erscheint zuerst bizarr, dann aber bald zwingend. Gormican zeigt tatsächlich einen Star aus vielen Perspektiven. Köstlich zum Beispiel, wie Javi die Urszene seiner Begeisterung preisgibt: Er wurde auf Nicolas Cage durch den Film „Tess und ihr Bodyguard“ aufmerksam, eine Komödie mit Shirley MacLaine. Das ist nun wirklich leichte und auch ein bisschen sentimentale Kost, nichts, womit sich ein Mann normalerweise groß brüsten würde. Aber Gormican zeigt eben zwischendurch, dass Cage nicht nur ein Männlichkeitsidol ist, sondern auch jemand für den Gefühlshaushalt.

„Massive Talent“: Tom Gormican macht Kino über Kino

Dabei hält sich „Massive Talent“ aber strikt an die Regeln. Auf einer ersten Ebene muss ein Film mit Nicolas Cage natürlich Action bieten. Die Geheimdienste kommen aber auch erst durch ein Missverständnis ins Spiel, das wiederum mit Kino zu tun hat. Und so lässt Tom Gormican (der das Drehbuch gemeinsam mit Kevin Etten geschrieben hat) die Wirklichkeiten virtuos durcheinander laufen.

Er macht Kino über Kino, hinterlässt dabei aber nie den schalen Nachgeschmack einer postmodernen Beliebigkeit, sondern überrascht immer wieder mit geradezu großartig beobachteten Facetten der Star-Mythologie von Nicolas Cage. Um die Sache noch wahnwitziger zu machen, wir Nick auch noch von einem Doppelgänger geplagt, der heißt Nicky (und wird gespielt von einem gewissen Nicolas Kim Coppola, das ist der bürgerliche Name des realen Stars).

Man könnte sich daran erinnern, dass Nicolas Cage auch einmal in einem Film namens „Adaptation“ mitgespielt hat, in dem Charlie Kaufman („Being John Malkovich“!) auch das ganze Register an Meta-Ebenen zog. Tom Gormican hat sich da wohl ein bisschen Inspiration geholt, er verzichtet aber auf die spekulativen Verästelungen, für die Kaufman berühmt ist. Stattdessen lässt er eine große Hommage abschnurren, die auch einer bestimmten Form von Filmen gilt. Denn Nicolas Cage ist eben nicht der Blockbuster-Superstar, sondern eher einer für die zweite Reihe, für die nicht ganz so teuren Filme, für ein erschwinglicheres Hollywood. Einer von uns eben, könnte man meinen, oder meint es jedenfalls Javi, der aber selbst ein bisschen abgehoben ist. Nichtsdestoweniger durfte man sich als Kinofan im Kino selten so gut vertreten fühlen wie durch die heilige Dreifaltigkeit Nick/Nicky/Nicolas. Eine göttliche Kombination, die schließlich sogar das Fegefeuer der Eitelkeiten souverän besteht.

USA 2022; 97 Min.; R: Tom Gormican; D: Nicolas Cage, Pedro Pascal, Neil Patrick Harris; Kinostart: 16.6.


Mehr zum Thema

Alle Filmstarts der Woche haben wir hier im Überblick. Diese Woche empfehlen wir außerdem noch das Jüdische Film Festival Berlin. Die Open-Air-Saison hat begonnen und wir haben täglich aktuell das Programm der Freiluftkinos. Die Berlinale Goes Open Air mischt sich da auch ins Angebot. Das und vieles mehr wie immer in der Kategorie Film gesammelt.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin