Der US-amerikanische Regisseur Robert Eggers hat das 100 Jahre alte Stummfilm-Meisterwerk über einen grausigen Vampir neu verfilmt: In „Nosferatu – Der Untote“ rollt er die alte Geschichte noch einmal auf, in Farbe und mit Willem Dafoe, Nicholas Hoult und Lily-Rose Depp. tipBerlin-Kritiker Bert Rebhandl findet, mit satten Bildern und prächtigen Dekorationen bietet Eggers alles auf, was das heutige Kino zu bieten hat.
„Nosferatu“-Neuverfilmung: 2025 sind die Bedingungen für einen neuen Graf Orlok nicht die besten
1922 bescherte das deutsche Stummfilmkino der Welt eine unheimliche Figur für die Ewigkeit: Den Grafen Orlok, wie ihn Max Schreck in „Nosferatu – Symphonie des Grauens“ spielte, wird niemand leicht vergessen können. Ein todesbleicher Lüstling mit Schweineohren und sehr schiefen Schneidezähnen. Ein Blutsauger aus Rumänien, den es nach einer jungen Frau in Deutschland gelüstet. Alles, was viele Schwarzweißfilme aus der Weimarer Republik so stilbildend machte, war in dem Meisterwerk von Friedrich Wilhelm Murnau vereint – ein Horror, der vor allem atmosphärisch wirkte, und dem eine morbide Romantik zugrunde lag. 1979 drehte Werner Herzog eine neue Version mit Klaus Kinski, die sich stark bei deutscher Musik (Popol Vuh, Richard Wagner) bediente. 2025 sind die Bedingungen für einen neuen Graf Orlok eigentlich nicht unbedingt die besten: Zu deutlich sind die sexuellen Klischees von einer „Frau reinen Herzens“, die sich für die Menschheit aufopfert, indem sie sich dem Monster hingibt.
Man konnte also gespannt sein, ob Robert Eggers sich etwas für die altertümliche Geschichte einfallen lassen würde bei seiner amerikanischen Neuauflage von „Nosferatu“. Doch der US-Regisseur, der 2015 mit „The Witch“ bekannt wurde und dann „The Lighthouse“ und „Northman“ folgen ließ, hält es strikt mit der bekannten Mythologie. Auch bei ihm beginnt die Geschichte 1838 in einer norddeutschen Hafenstadt mit Namen Wisborg. Aus Rumänien meldet sich ein Aristokrat, der in Deutschland ein Haus kaufen will. Den Kaufvertrag möchte er aber bei sich zu Hause unterzeichnen. Und so macht sich ein junger Makler auf den weiten Weg ins hinterste Transsilvanien, obwohl er eigentlich besser bei seiner jungen Frau Ellen bleiben sollte. Schon unterwegs geschieht allerhand, wovon einem aufgeklärten Menschen schwummrig werden könnte, und als es dann zu der persönlichen Begegnung mit Graf Orlok kommt, spricht eigentlich alles dafür, dem Geschäft einen Riegel vorzuschieben.
Robert Eggers macht eigentlich nicht viel mehr mit dem alten „Nosferatu“, als dass er ihn in Farbe noch einmal erzählt und dabei dick aufträgt. Das ist nicht negativ gemeint, sondern betont einfach, dass er alles aufbietet, was das heutige Kino zu bieten hat: ungeheuer satte Bilder, eine sehr feinziselierte Tonspur, elegante Kamerabewegungen und prächtige Dekorationen. Dies alles im Dienste einer Kunst der virtuosen Andeutung: Die Wirkung von Graf Orlok ist deswegen so stark, weil man ihn nicht richtig zu greifen bekommt. Er muss nur sein Gesicht in die Kamera halten, von hinten beleuchtet, und man bekommt einen Abgrund an Finsternis zu sehen. Eggers vermisst die Grenze zwischen dem Furchtbaren und dem Unerträglichen neu. Sein Film ist so etwas wie ein Traktat über die Spannung zwischen Andeutung und Enthüllung.
Bill Skarsgård spielt Orlok als einen Riesen mit einer Stimme aus den untersten Verliesen der Hölle. Willem Dafoe sorgt ein wenig für Auflockerung als Vampirjäger. Lily-Rose Depp hat als Ellen ein paar Szenen, die an Studien zur Hysterie erinnern könnten, aber auch an „Der Exorzist“. Große Stoffe können für jede Generation neu erzählt werden. „Nosferatu – Der Untote“ von Robert Eggers holt den Stoff von Graf Orlok mit Wucht ins 21. Jahrhundert.
- Nosferatu – Der Untote (Nosferatu) USA 2024: 132 Min.; R: Robert Eggers; D: Bill Skarsgård, Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult; Kinostart: 2.1.
Man muss ihn in dieser Rolle gesehen haben: Daniel Craig begeistert in Luca Guadagninos Drama „Queer“. Traumrolle: Hugh Grant begeistert in „Heretic“. Deutscher Oscar-Kandidat: „Die Saat des heiligen Feigenbaums“. Das Tiermärchen-Prequel von „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins: „Mufasa“ erzählt eine Teenager-Geschichte im seidigen Fell. Saoirse Ronan in Höchstform: So gut ist das Drama „The Outrun“. Französischer Oscar-Kandidat: Regisseur Jacques Audiard über sein Drogenkartell-Musical „Emilia Pérez“. Paul Mescal tritt in die Fußstapfen von Russell Crowe: Unsere Kritik zu Ridley Scotts „Gladiator“. „Mich hat Sex immer mehr interessiert als Gewalt“: „Anora“-Regisseur Sean Baker im Interview. Was läuft sonst gerade? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.