„Quax in Afrika“ mit Heinz Rühmann wurde 1943 im Allgäu gedreht, mitten in der NS-Zeit. Helmut Weiss‘ nur scheinbar harmlose Komödie will von den Verbrechen im Osten nichts wissen. Deutsche People of Color spielen „Hottentotten“. Der Film kam nach dem Krieg sogar noch in die Kinos. tip-Filmkritiker Bert Rebhandl über ein Zeugnis des kolonialen Rassismus in Deutschland, über das es heute wirklich nichts mehr zu lachen gibt.
Der Artikel ist Teil der Reihe „Cancel Culture Club“, in der wir uns Filmen aus der Vergangenheit widmen – und diese aus heutiger Perspektive neu verhandeln.
Wenn ein Film wegen „zeitbedingter kultureller Inhalte“ auffällt, dann ist 1943 so ziemlich das schlechteste denkbare Jahr für seine solche Zeitbedingtheit. Das Jahr, in dem SS-Himmler seine Rede in Posen hielt, über eine „totale Lösung“ in „Rassenkampf“.
„Quax in Afrika“ mit Heinz Rühmann wurde 1943 im Allgäu gedreht und will von den Verbrechen im Osten nichts wissen. Stattdessen interessiert der blaue Himmel (allerdings in einem Schwarzweißfilm) und die prächtige Sommerlandschaft. „Quax in Afrika“ ist eine Fortsetzung (ein Sequel) von „Quax, der Bruchpilot“ (1941), in dem der kleine Angestellte Otto Groschenbügel bei einem Preisausschreiben eine Fliegerausbildung gewinnt.
Gedreht wurden die afrikanischen Szenen in Brandenburg
Nach Afrika kommt Quax nun bei einem Wettfliegen. Deutsche Fliegerstaffeln wollen in ihren fliegenden Kisten die Kanarischen Inseln erreichen, eine Bruchlandung im Busch sorgt für eine exotische Unterbrechung.
Gedreht wurden die afrikanischen Szenen in Brandenburg, die Palmen stammten aus dem Botanischen Garten. Die Buschmenschen hingegen kamen alle aus Deutschland, viele von ihnen sprachen sächsischen Dialekt. Sie wurden verpflichtet, um eine Gruppe von „Hottentotten“ zu spielen. Allein über dieses Wort könnte man eine eigene deutsche Kulturgeschichte schreiben.
Es wurde von den Buren in Südafrika erfunden. Nazi-Deutschland hatte für die Buren (die Erfinder der Apartheid) viel übrig, wie man dem Propagandafilm „Ohm Krüger“ entnehmen kann. Aber auch davon will Otto Groschenbügel nichts wissen, als er den Buschmenschen („ganz harmlose Leute“) begegnet: „Gott zum Gruße, was führt Sie zu mir?“
Die Afrikaner halten Groschenbügel für einen Gott, weil er vom Himmel gefallen ist. Bald stellt sich aber heraus, dass der Gott sehr irdische Verhaltensweisen an den Tag legt: Er äußert sich anerkennend über den Körperbau der Afrikanerinnen („da ist alles dran“), und findet es gut, wenn sie „ein bisschen mit dem Bauch wackeln“. Als man ihm eine Häuptlingstochter namens Banani (!) als Gastgeschenk zur Ehe anträgt, nimmt er an, obwohl er eigentlich in Renate verliebt ist, die mit ihm abgestürzt ist, und die dank einer Kindheit in Timbuktu (!) fließend Afrikanisch (!) spricht.
Als Banani musste sie ihre Brüste zeigen
Groschenbügel lebt eine kurze Weile in Saus und Braus („Den Tapir schön knusprig“) und mit zwei Frauen unter einem Dach. Schon auf einer früheren Station, im spanischen Granada, hat er sich zumindest im erotischen Bereich als kulturell flexibel erwiesen: „Ich bin heut’ Nacht dein Torero“.
Zu den zeitbedingten Umständen gehört, dass die Darstellerin der Banani in den Credits mit keiner Silbe erwähnt wird. Marie Nejar, geboren 1930 in Mülheim/Ruhr, gehörte zu einer Komparsenreserve, die Goebbels allgemein für „Buschvolk“ reserviert hatte, schon in dem Nazi-Blockbuster „Münchhausen“ ist sie in einer kleinen Rolle zu sehen.
Als Banani musste sie ihre Brüste zeigen und sich von Groschenbügel den Hintern versohlen lassen. Ihre Karriere ging nach Kriegsende unter den Bedingungen des sich weiterhin naiv gebenden deutschen Wirtschaftswunder-Rassismus weiter: 1952 sang sie unter dem „Künstlernamen“ Leila Negra mit Peter Alexander den Schlager „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“. Otto Groschenbügel aber zeigt sich in „Quax in Afrika“ nicht als großes Tier, sondern als Fruchtzwerg.
Hier ein Interview, in dem Marie Nejar ein bisschen späte Gerechtigkeit widerfährt.
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Til Schweiger hat Ärger – und wir auch, mit „Klassentreffen 1.0“. Rassistisch, frauenfeindlich, homophob: Wir rechnen auch mit „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ ab. Und dieser Klassiker ist auch nicht ohne: „Otto – Der Film“ und die Rassismus-Frage: Warum der Film heute so verstörend ist. Außerdem: 50 Jahre „Schulmädchen-Report“ – verklemmt, verrucht, verboten. Lust auf was Vernünftiges? 100 richtig gute Berlin-Filme findet ihr hier.