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Interview

„Sechs Richtige“: Die Regisseure über den französischen Lottogewinner-Film

Mit „Sechs Richtige“ schafften Maxime Govare und Romain Choay einen der größten französischen Komödienerfolge der vergangenen Jahre. Nun sind alle gespannt, ob der Film auch in Deutschland funktioniert. Ein Gespräch zum Kennenlernen mit einem neuen, spannenden Regie-Duo.

Romain Choay, Maxime Govare, das Regie-Duo hinter der schwarzen Komödie „Sechs Richtige“. Foto: Happy Entertainment

„Sechs Richtige“-Regisseure Choay und Govare: „Wir wollten eine Geschichte erzählen, in der es sehr schnell aufs Ganze geht“

tipBerlin Herr Choay, Herr Govare, Sie haben mit „Sechs Richtige“ eine schwarze Komödie über Menschen gemacht, die im Lotto gewinnen. Einen Episodenfilm. Vom wem stammt die ursprüngliche Idee? 

Maxime Govare Wollen Sie versuchen, uns auseinanderzudividieren? (lacht) Keiner hat die ganze Idee. So etwas geht immer von Keimzellen aus. Dann arbeiten wir gemeinsam daran. Wir wollten eine Geschichte erzählen, in der es sehr schnell aufs Ganze geht. Wir mochten die Idee mit der Lotterie, denn ein Lottogewinn ist ein irrer Beschleuniger. Und damit haben wir die Leute schon oben auf der Hochschaubahn. 

Romain Choay Das Thema Lotto wird meistens in Feelgood-Komödien behandelt. Wir wollten ein anderes Genre. Denn der Lottotreffer, das ist die einzige rituelle Wunder in unserer Gesellschaft. Jede Woche lesen wir in der Zeitung: Jemand in Schleswig-Holstein oder Thüringen hat 15 Millionen gewonnen. Und wir sehen nie Gesichter dazu. 

Als die Familie in „Sechs Richtige“ von ihrem Lottogewinn erfährt, ist sie noch glücklich. Foto: Happy Entertainment

tipBerlin Sechs Richtige, das heißt in diesem Fall: fünf Schicksale, fünf Mal Glück, und – so viel darf man verraten – fünf Mal Komplikationen mit dem Glück. Wie kam Struktur rein? 

Maxime Govare Wir hatten mehr Ideen, als wir verwenden konnten. Die erste Geschichte, die auch die Rahmenhandlung bildet, zeigt etwas, was wirklich jedem passieren könnte, eine ganz normale Familie. Und dann wird es immer komplexer. Es macht großen Spaß, einen Sketch-Film zu machen. Wir haben lange über die Reihenfolge getüftelt. Es sollte aber trotzdem ein einheitlicher Film sein, keine Anthologie. Kein Potpourri. Keine Pralinenschachtel, in der die Hälfte der Pralinen schlecht schmeckt. 

Romain Choay Wie Max sagte: Wir haben rund zehn Episoden geschrieben, dann einige rausgeworfen. Die dritte Geschichte mit den Terroristen in der U-Bahn war die wichtigste. Als wir die hatten, wussten wir, das ist unser Ton. Auf diesem Niveau müssen wir bleiben. Dann hatten wir die Idee, dass wir eine Rahmenhandlung brauchten, um das Ganze zusammenzubinden. Denn wenn die Leute nach der zweiten oder dritten Geschichte auf die Uhr schauen und überlegen, wie viele noch kommen, haben wir verloren. Also musste der ganze Film ruhig anfangen und dann ein atemloses Tempo bekommen. Die Leute müssen am Ende überrascht sein, dass es schon aus ist. Deswegen haben wir eine Dynamik, die für einen ganzen Film geplant ist. Die Spannung baut sich über die Segmente hinweg auf. Wir wollten uns an die Dramaturgien von Popcorn-Filmen halten. Wir sind so gewöhnt an diese Verläufe. Entweder wir halten uns daran, oder drehen es irgendwie um. 

Maxime Govare Nach der zweiten Geschichte ist noch ein wenig unklar: Ist das nun ein netter Film oder ein gemeiner? Mit der nächsten Geschichte wird klar: Das wird ein richtig fieser Film. 

tipBerlin Wie kam es, dass Sie zu einem Regie-Duo wurden? 

Maxime Govare Wir trafen uns vor 25 Jahren in Montral an der Uni. Romain studierte Kino, ich Marketing. Später trafen wir uns in Paris wieder. Es besteht eine Nähe, die lebenslang bewährt ist. Wir sind ein professionelles Paar mit einer starken gemeinsamen Basis. Als ich jung war, war mir nicht klar, dass Kino ein echter Beruf ist. Mein Vater wollte mich auf eine Business School schicken. Ich bin klassisch der Fan, der ein Profi wird. 

Romain Choay Ich bin ein Genre-Reisender. Schon in sehr jungen Jahren bin ich nach Amerika gegangen. Zemeckis und Spielberg waren damals die spannenden Namen, es war das Zeitalter der Blockbuster. Dann habe ich in Asien gelebt, in den Tagen von John Woo. Überall holte man sich DVDs, obskure Filme kamen plötzlich heraus, das Wissen veränderte sich. Heute ist das alles auf dem Streamern, damals musste man suchen. Unser Kino ist eine Hommage an diese früheren Formen. Man sieht heute viele Fans von David Cronenberg, viel Body Horror. Man sieht neue Abel Ferraras, man sieht neue Spike Lees. Und so möchten wir etwas Neues machen. 

tipBerlin Sie haben 2022 bei „Die Revanche der glitzernden Garnelen“ erstmals zusammengearbeitet – einer Komödie über eine schwule Wasserball-Mannschaft. 

Maxime Govare Man sieht bei den „Crevettes paillettées“ sehr gut, wie wir mit Genreformen arbeiten. Es gibt ein Subgenre in der Komödie, die Camp-Komödie, die ist eher flamboyant. „Priscilla – Queen of the Desert“ ist ein gutes Beispiel. Von da aus wollten wir noch ein bisschen weirder werden. Mit „Sechs Richtige“ wollten wir dunklere Elemente zurückgewinnen. Ein bisschen Romantic Comedy,  ein bisschen Action. Schon dass man das Thema Homophobie in „Glitzernde Garnelen“ als Komödie macht, ist ein Statement. Wir werfen gern ein Thema in die Schleuder. 

  • Sechs Richtige – Glück ist nichts für Anfänger (Heureux gagnants) Frankreich 2024; 103 Min.; R: Romain Choay, Maxime Govare; D: Fabrice Eboué, Audrey Lamy, Anouk Grinberg; Kinostart: 30.1.

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