Filmkritik

„September 5“: Der Oscar-Anwärter erzählt vom Olympia-Attentat

In „September 5 – The Day Terror Went Live“ rekonstruiert der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum den Geisel-Terror während der Olympischen Spiele 1972 in München. Den spannenden Thriller erzählt er aus Sicht der US-amerikanischen Sportjournalisten, die mit der Live-Übertragung der Geiselnahme in ein moralisches Dilemma gerieten. tipBerlin-Kritiker Frank Arnold hat das Mediendrama gesehen, das für einen Golden Globe nominiert war und als Oscar-Kandidat gehandelt wird.

Der deutsche Shooting Star Leonie Benesch („Das Lehrerzimmer“) spielt in „September 5“ eine Dolmetscherin. Foto: Constantin Film/Jürgen Olczyk

„September 5“ fragt eindringlich, wie weit Journalismus gehen darf

Es ist eines der ikonischen Fotos der Zeitgeschichte, der Mann auf dem Balkon, das Gesicht hinter einer Skimaske verborgen. Es steht dafür, dass es am 5. September 1972, dem zehnten Tag der Olympischen Spiele in München, vorbei war mit dem Wunschtraum „heiterer Spiele“, der Werbung für ein neues, modernes (West-)Deutschland. Damals drang eine Gruppe palästinensischer Terroristen in das Quartier der israelischen Sportler ein und nahm elf Geiseln. Was dann passierte, ist bekannt: Die Verhandlungen mit der deutschen Polizei, die auf diese Situation überhaupt nicht vorbereitet war, was mit dem Fiasko auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck endete, wo alle Geiseln und mehrere Geiselnehmer ums Leben kamen.

„September 5“ konzentriert sich auf den Blickwinkel der amerikanischen Sportjournalisten von ABC, die räumlich nah dran waren und diesen Vorteil benutzten, um Sendezeit herauszuschlagen. Dabei geht es um den journalistischen Coup, ermöglicht auch durch kleine und große Tricks, es geht um die technischen Schwierigkeiten der Live-Berichterstattung, aber ebenso um Verantwortung, gerade angesichts der Live-Situation: Bietet man mit der Berichterstattung nicht auch den Terroristen eine Bühne, ihre Tat weltweit zu propagieren? Und was würde man tun, wenn die Geiselnehmer ihre Drohung wahr machen und vor laufender Kamera Geiseln hinrichten würden? Mit einem Film, der auf Spannung aufbaut, diese aber gleichzeitig reflektiert, gelingt Tim Fehlbaum („Hell“, „Tides“) ein bemerkenswerter Spagat.

  • September 5 – The Day Terror Went Live (September 5) D 2024; 95 Min.; R: Tim Fehlbaum; D: John Magaro, Leonie Benesch, Ben Chaplin; Kinostart: 9.1.

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