Ulrich Seidls neuer Film heißt „Sparta“ und handelt von Ewald (Georg Friedrich), der in der rumänischen Provinz lebt und sich dort seinen pädophilen Neigungen stellen muss. Im Vorfeld hatte der Film für Kontroversen gesorgt, der Umgang des Regisseurs mit seinen minderjährigen Laiendarstellern stand in der Kritik. tipBerlin-Autor Michael Meyns hat „Sparta“ gesehen – und bleibt mit mulmigem Gefühl zurück.
„Sparta“: Vorwürfe gegen Regisseur Ulrich Seidl
Einfach hat Ulrich Seidl es seinem Publikum noch nie gemacht. Seit über 20 Jahren dreht der Österreicher Dokumentar- und Spielfilme, die die Grenzen zwischen den beiden Sphären auf spannende, oft aber auch irritierende Weise verwischen. Oft wurde Seidl angesichts von Themen wie Prostitution, BDSM, Großwildjagd oder Sextourismus vorgeworfen, seine Darsteller, vor allem die nicht professionellen, auszustellen oder vorzuführen, ein Vorwurf, der bei seinem jüngsten Film „Sparta“ schon vor der Weltpremiere laut wurde.
„Der Spiegel“ hatte am Drehort in Rumänien recherchiert und unter anderem behauptet, dass Seidl und sein Team einigen aus offenbar ärmlichen Umständen stammenden Darstellern verschwiegen habe, dass es sich um einen Film mit dem Thema Pädophilie handeln sollte. Ein herber Vorwurf, den man ernst nehmen sollte, gerade weil die jungen Darsteller in „Sparta“ um die zehn Jahre alt sind.
Denn während man von professionellen erwachsenen Schauspielern erwarten kann, dass sie wissen, worauf sie sich bei einem Dreh einlassen, kann man das bei Laien nicht unbedingt voraussetzen – und erst recht nicht bei Laien im Alter von zehn Jahren. In so einer Situation müssten die erwachsenen Verantwortlichen besondere Vorsicht walten lassen, die Eltern, aber auch das Filmteam und der Regisseur. Ob das geschehen ist, kann man durch bloßes Sehen von „Sparta“ nicht beurteilen. Seidl bestreitet die Vorwürfe. Was bleibt, ist ein mulmiges Gefühl, das in diesem Fall vielleicht noch etwas stärker ist als das ambivalente Gefühl, das sich nach fast allen Seidl-Filmen einstellt.
„Sparta“ ist ein typischer Seidl, ein Blick in Abgründe
Denn auch „Sparta“ ist ein typischer Seidl, ein Blick in Abgründe, allerdings ein ähnlich ambivalenter wie bei „Rimini“, mit dem „Sparta“ ein Doppel bildet. Verbindendes Glied ist der alternde, siechende Vater (Hans-Michael Rehberg) der beiden Brüder: In Rimini ein abgehalfterter Schlagersänger, in „Sparta“ der von Georg Friedrich gespielte Ewald. Dieser lebt in der Provinz in Rumänien mit seiner Freundin, bekommt aber keinen mehr hoch. Wenn Ewald dann eine Szene später mit dem Auto unterwegs ist und an einem Bolzplatz stehen bleibt, auf dem Jungs Fußball spielen, ahnt man, woran es liegt.
Nun ist „Sparta“ ein sehr Seidlscher Film über Pädophilie: Ewald lebt seine Neigung nicht aus, sucht zwar mittels eines Projekts für bedürftige Jungs die Nähe zu Kindern, denen er Judo beibringt, wird jedoch nie übergriffig. Mit der ihm eigenen Empathie zeigt Seidl diesen kranken Mann, dem nicht zu helfen ist, der in seiner Sucht gefangen bleibt und immer weiter machen wird. Michael Meyns
- Sparta Ö 2022; 101 Min.; R: Ulrich Seidl; D: Georg Friedrich, Florentina Elena Pop, Hans-Michael Rehberg; Kinostart: 18.5.
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