Filmkritik

„The Dead Don’t Hurt“ ist ein eindrucksvoller Western

Viggo Mortensen hat zu „The Dead Don’t Hurt“ Regie geführt, die Musik komponiert und eine Hauptrolle übernommen. Für tipBerlin-Kritiker Frank Arnold tragen sowohl Mortensen als auch Hauptdarstellerin Vicky Krieps den optisch eindrucksvollen Film, der das Western-Genre auf originelle Weise neu interpretiert.

„The Dead Don’t Hurt“ zeigt auch die Sicht der Frau (Vicky Krieps als Vivienne), die zuhause bleibt, als ihr Mann (Viggo Mortensen) in den amerikanischen Bürgerkrieg zieht. Foto: Marcel Zyskind/Alamode Film

„The Dead Don’t Hurt“ ist ein origineller Western ohne klassisches Happy End

1860, kurz vor Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs, lernt der dänische Einwanderer Olsen (seinen Vornamen Holger gibt er nicht so gerne preis) in San Francisco die selbstbewusste Frankokanadierin Vivienne kennen. Sie folgt ihm zu der kargen Hütte in einer unwirtlichen Felsgegend, die er als ihr Heim auserkoren hat. Mit dem Geld, das er mit seinen handwerklichen Fähigkeiten als Zimmermann verdient, kann sie die Lebensqualität des Ortes durch Blumen, Bäume und den Anbau von Gemüse deutlich verbessern. Als Vivienne eine Arbeit im örtlichen Saloon annimmt, unterstreicht das ihre Selbständigkeit. Die allererste Szene des Films allerdings machte schon deutlich, dass es ein klassisches Happy End hier nicht geben wird.

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Das Western-Genre war schon immer durchlässig für zeitgenössische Befindlichkeiten. Viggo Mortensen nutzt es in seiner zweiten Regiearbeit erneut – wie schon in „Falling“ – für eine Familiengeschichte, in der dieses Mal die Sichtweisen des Mannes und der Frau aufeinanderstoßen. Wenn Olsen gegen den Willen von Vivienne für die Nordstaaten in den Bürgerkrieg zieht, weil er die Demokratie verteidigen und die Sklaverei beenden will, dann verharrt die Kamera nicht nur auf ihr, während er im Hintergrund davon reitet, sondern sie bleibt auch bei ihr während der folgenden Jahre, von ihm erfährt man aus dieser Zeit nichts. Ihre leidvollen Erfahrungen, die mit männlicher Gewalt zu tun haben, machen eine Wiederannäherung schwierig, als er zurückkommt und das Amt des Sheriffs annimmt.

Viggo Mortensen (der auch das Drehbuch schrieb und die Musik komponierte) erzählt diese Geschichte auf mehreren, ineinander verschachtelten Zeitebenen und mit kühnen Zeitsprüngen, die die Aufmerksamkeit des Zuschauers herausfordern. Olsens Vergangenheit wird nur lebendig in dem, was er Vivienne davon erzählt, ihre Kindheit dagegen wird mehrfach in Rückblenden eingeschoben: der abwesende Vater, die Mutter, die ihr aus Büchern vorlas und sie für die Figur der Jeanne d’Arc begeisterte, die wiederholte (imaginierte) Begegnung mit einem Ritter im Wald, die ihre Entwicklung zu einer selbstbewussten Frau einleiteten. „The Dead Don’t Hurt“ ist ein – auch optisch – eindrucksvoller Western, der Bestandteile des Genres und die entscheidende Frage nach dem Umgang mit Gewalt auf originelle Weise neu interpretiert, getragen von Mortensen und Vicky Krieps in den Hauptrollen. Solche intelligenten Genrefilme würde man gerne öfter im Kino sehen.

  • The Dead Don’t Hurt USA/Mexiko 2023; 129 Min.; R: Viggo Mortensen; D: Viggo Mortensen, Vicky Krieps, Solly McLeod; Kinostart: 8.8.

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