Steven Spielberg ist mit einem neuen Film zurück: „The Fabelmans“ könnte auch schlicht „The Spielbergs“ heißen. Der Regisseur erzählt bewegend und zutiefst persönlich die Geschichte einer Kindheit, die seine eigene sein könnte. Bert Rebhandls Filmkritik lest ihr hier.
„The Fabelmans“: Wie Spielberg den Film lieben lernte
Steven Spielberg gilt als einer der besten Filmemacher der Geschichte. Zweifellos ist sein Werk vielschichtig, er hat vom perfekten Spannungsfilm („Duell“, „Der weiße Hai“) bis zu kontroversen Geschichtsdramen („Amistad“, „Schindlers Liste“) nichts ausgelassen. Relativ offen lagen dabei auch immer schon die Kindheitsmuster zu Tage, die ihn zeitlebens beschäftigten: eine Sorge um familiären Zusammenhalt, für die äußere Katastrophen meist erst der nachrangige Anlass war. Spielberg ist der Regisseur der verängstigten Kinder, oder auch: der Märchenonkel der zerbrochenen Familien.
Er hat also indirekt immer schon seine eigene Geschichte erzählt. Nun erzählt er sie noch einmal, dieses Mal aber ohne Umschweife: „Die Fabelmans“ könnte gut und gern auch „Die Spielbergs“ heißen, denn erzählerische Freiheiten gönnt sich auch (und gerade) das autobiographische Gedächtnis. Der kleine Sammy Fabelman, dessen Kindheit und Jugend wir erzählt bekommen, hat sein erstes prägendes Erlebnis in einem Kino. Die Eltern nehmen ihn mit in einer der prächtigen Paläste, die in den 1950er-Jahren üblich waren. Er muss dort ein Zugunglück mitansehen, und ist davon so beeindruckt, dass er es bald darauf mit einer Spielzeugeisenbahn nachstellt – der erste Schritt zu seiner Berufung als Filmemacher.
Nicht weniger wichtig als dieses Ursprungsmotiv eines Spektakelkinos ist aber die intime Funktion, die Spielberg mit der Kamera verbindet: auf einem Familienurlaub filmt er halb zufällig, wie seine Mutter Mitzi mehr als nur freundschaftlich mit Uncle Bennie umgeht, einem Mann, der scheinbar zur Familie gehört, und zwar auf eine Weise, die Sammy erst allmählich und schmerzhaft begreift. Die psychische Situation seiner Mutter „begreift“ er auch zum ersten Mal so richtig, als er einen Tanz von ihr am Lagerfeuer sieht – auch hier ist sein zweites Auge dabei, und wir sehen mit ihm die Panik, aber auch das Verlangen, das in diesem kindheitserotischen Moment liegt.
„The Fabelmans“ zeigt das Amerika der Nachkriegsjahre
Spielberg hat sich für dieses Alterswerk mit Tony Kushner zusammengetan, dem großen Autor amerikanisch-jüdischer-queerer Themen. „Die Fabelmans“ enthält auch so etwas wie eine Kulturgeschichte Amerikas in den Nachkriegsjahren, es ist alles da, was man auch in Serien wie „Mad Men“ oder in einem Film wie „American Graffiti“ von George Lucas zu sehen bekam. Und doch geht „Die Fabelmans“ über diese Äußerlichkeiten hinaus, über die chromblitzenden Autos, die Petticoat-Röcke und die immer besser werdenden Kameras, mit denen Sammy immer größere Schritte vom Amateur zum Profi macht.
Die große Michelle Williams in der Rolle der Mitzi verbindet „Die Fabelmans“ mit den Melodramen, mit den „women’s pictures“ des klassischen Hollywood. Und in der Außenseiterposition von Sammy zeigt sich auch eine amerikanische Grundkonstellation, die dem (jüdischen) Nerd eben immer eine Position am Rande zuweist. Hollywood wurde zu einem Ort, an dem jemand wie Sammy (oder Steven) seine Talente so entfalten konnte, dass er es nun mit den Footballstars und anderen weißen Stars aufnehmen kann. „Die Fabelmans“ ist zugleich zutiefst persönlich und eine Modellgeschichte amerikanischer Integration, ein bewegender Kinomythos.
The Fabelmans
USA 2022; 151 Min.; R: Steven Spielberg; D: Gabriel LaBell, Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogen; Kinostart: 9.3.
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